Bielefelderin nach Geburt ihres Kindes behindert: Verfahren gegen Arzt eingestellt

Bielefeld. Seit der Geburt ihres Kindes 2016 leidet die Bielefelderin Janina G. (43, Name geändert) unter den Folgen der damaligen Geburtshilfe in einer hiesigen Privatklinik. Mehrere Fehler vor und während der nötig gewordenen Zangengeburt sollen nach Ansicht eines Gutachters anhaltende Schäden ihrer Beckenbodennerven verursacht haben. Ihre Beeinträchtigung (dauerhafte Inkontinenz) stufen die Behörden als Schwerbehinderung von 60 Grad ein. Trotzdem hat das Amtsgericht Bielefeld jetzt das Verfahren gegen den beschuldigten Klinikarzt eingestellt – wegen geringer Schuld. Dabei hatte die Bielefelderin erst 2023 in zweiter Instanz ein Schmerzensgeld von 300.000 Euro vor dem Oberlandesgericht in Hamm erstritten. Allerdings kam es auch im damaligen Zivilprozess nicht zu einem Urteil. Die Parteien hatten sich auf einen Vergleich einigen können, der &bdquo;ohne Anerkennung einer Schuld“ gezogen wurde. Trotzdem akzeptierte der Versicherer der Klinik als Auflage die hohe Schadenersatzzahlung. Gleichzeitig hatte die Staatsanwaltschaft Bielefeld gegen den erfahrenen Arzt wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen Betruges ein Strafverfahren angestrengt und Anklage gegen ihn erhoben. Vorwurf: Erhebliche Verletzungen durch Zange Die Anklagebehörde hatte dem inzwischen nicht mehr praktizierenden Geburtshelfer vorgeworfen, das Narkosemittel für die Mutter (eine Periduralanästhesie oder PDA) überdosiert und damit den natürlichen Geburtsvorgang gestoppt zu haben. Diese Problematik hatte die Zangengeburt überhaupt erst nötig gemacht. Lesen Sie auch: Entschädigung nach Behandlungsfehlern: Das müssen Betroffene wissen Durch die Zange soll die Mutter dann erhebliche Verletzungen erlitten haben. Auch hierbei erkannte ein Gutachter schwere Behandlungsfehler durch den Arzt – so sei laut dem Amtsgericht die vorher zwingend notwendige Blasenentleerung unterblieben. Der Arzt sagte seit Beginn der juristischen Auseinandersetzung, dass er die Blase der Mutter zuvor entleert hatte. Im OP-Bericht war das aber nicht festgehalten. Weil der Gynäkologe später vor Gericht einen OP-Bericht vorgelegt haben soll, in dem die Katheterisierung der Blase nachträglich eingetragen worden war, warf ihm die Staatsanwaltschaft zusätzlich noch Prozessbetrug vor. Zweites Schmerzensgeld für schwerbehinderte Bielefelderin Nun stand nach dem Zivilverfahren mit der Schmerzensgeldzahlung von mehr als 300.000 Euro im Jahre 2023 das Strafverfahren an. Doch das Amtsgericht Bielefeld stellte jetzt überraschend das Verfahren wegen geringer Schuld ein. Das bestätigte der Rechtsanwalt von Janina G., der Bielefelder Medizinrechtsexperte Hartmut Geil. Allerdings geschah die Einstellung unter der Auflage, eine weitere Geldsumme an die Mutter in Höhe von 29.000 Euro zu zahlen. Dieses Geld ist laut Geil als weitere Schadensregulierung zu verstehen. Zum Thema: Mutter nach Geburt dauerhaft inkontinent: Bielefelder Klinik zahlt 300.000 Euro &bdquo;Meine Mandantin ist über diese Entscheidung nicht ganz glücklich. Sie hätte gerne ein Urteil erwirkt“, sagt der Anwalt. Aber im Strafverfahren müsse der Arzt nicht – wie im Zivilprozess – beweisen, dass er die vorgeworfenen schweren Behandlungsfehler nicht begangen habe, sondern hier gelte der Grundsatz: &bdquo;im Zweifel für den Angeklagten“. Bielefelder Experte sieht Geld als Wiedergutmachung Unter dieser Voraussetzung hätte die Aufklärung der drei strittigen Punkte (Überdosierung der Narkose, ausgebliebene Blasenentleerung und Prozessbetrug) sehr aufwendig werden können, sagt der Jurist. Prozesstaktisch sei es daher ratsam gewesen, hier nicht auf ein Urteil zu pochen. Die 29.000 Euro sieht Hartmut Geil als Wiedergutmachung für das erlittene Leid durch den mutmaßlichen Prozessbetrug. &bdquo;So kann man das verstehen“, sagt er zur Einordnung. Damit ist also auch das Strafverfahren ohne Feststellung einer Schuld zu Ende gegangen. Der Gynäkologe bleibt damit streng genommen straffrei. News direkt aufs Smartphone: Hier finden Sie den kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW Bielefeld

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