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Femizid in Preußisch Oldendorf: Evelina S. verlässt ihren Mann - er beschließt ihren Tod

Eine Frau wird im Januar 2020 vom eigenen Mann erschossen. In der aktuellen Podcast-Folge geht es um den Mord am ZOB, der die Reaktion auf eine Trennung war.

Der Tatort am ZOB in Preußisch Oldendorf blieb stundenlang abgesperrt. Dort, wo sich das Opfer befand, wurde ein Sichtschutzzelt errichtet. | © Heike von Schulz

Matthias Reiprich
15.02.2024 | 16.02.2024, 10:49

Preußisch Oldendorf. Am 5. Januar 2020 ist Evelina S. auf dem Weg von ihrer Arbeit in Nettelstedt nach Hause in Preußisch Oldendorf. Doch dort kommt sie niemals an. Einige Monate zuvor hat sie sich von ihrem Mann, Albert S., getrennt. Weil dieser die Trennung nicht überwunden hat, erschießt er sie an diesem Tag am ZOB in Preußisch Oldendorf auf offener Straße.

Zwar überwältigen Passanten Albert S. direkt vor Ort, für Evelina S. kommt jedoch jede Hilfe zu spät. Im Prozess behauptet Albert S. später, es sei ein Unfall gewesen. Was ist genau vorgefallen und wie lautet das abschließende Urteil gegen den damals 58-Jährigen? „NW"-Redakteurin Sandra Spieker hat alle Informationen zum Fall mitbekommen, war selbst vor Ort im Gerichtsprozess und ist nun zu Gast in der aktuellen Podcast-Folge.

Der Femizid von Preußisch Oldendorf - Alle Fakten im Überblick

  • Die 54-Jährige Evelina S. arbeitet am Sonntag, 5. Januar 2020, in Nettelstedt. Nach dem Dienst setzt sie sich ins Auto, um nach Hause zu fahren. Sie wohnt in Preußisch Oldendorf.
  • Ihr Ex-Mann Albert S. steigt an diesem Tag auf dem Rückweg mit zu ihr ins Auto. Sie hat ihn im November 2019 verlassen, trotzdem haben die beiden regelmäßig Kontakt.
  • Albert S. zwingt sie, am ZOB in Preußisch Oldendorf auszusteigen und schießt auf sie. Er probiert es noch ein zweites Mal, doch der Schuss löst sich nicht. Evelina S. stirbt am Tatort, ihr Ex-Mann wird von Passanten überwältigt.
  • Ursächlich für die Ermordung scheint zu sein, dass Albert S. die Trennung nie verkraftet hat. Einen Selbstmordversuch verhindert zuvor sein Schwiegersohn. Innerhalb der Familie gilt der 58-Jährige als narzisstisch und cholerisch.
  • Im Juni 2020 behauptet Albert S. vor Gericht, dass die schlimme Tat ein Unfall gewesen sei. Trotzdem wird er wegen Mord aus niedrigen Beweggründen zu lebenslanger Haft verurteilt.

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Ein Mord in Preußisch Oldendorf am Sonntagnachmittag

Die 54-jährige Evelina S. ist Altenpflegerin und arbeitet regelmäßig sonntags. So auch am 5. Januar 2020. Als ihre Schicht beendet ist, will sie in Nettelstedt in ihr Auto steigen und nach Hause fahren. Auf dem Parkplatz wartet ihr Ex-Mann auf sie und steigt mit ins Auto. Evelina S. hat sich im November 2019 von ihm getrennt, trotzdem bleiben beide in Kontakt. Entsprechend denkt sie sich nichts dabei und lässt ihn einsteigen.

Doch an diesem Tag hat Albert S. eine Waffe bei sich. Am ZOB in Preußisch Oldendorf zwingt er die Altenpflegerin, auszusteigen, und schießt dann. Mit dem ersten Schuss trifft er sie, ein zweiter Schuss - er zielt auf den Kopf - löst sich nicht. Passanten bekommen den schrecklichen Vorfall mit und überwältigen den Schützen.

Der Einsatz am Tatort an der Mindener Straße im Zentrum von Preußisch Oldendorf dauerte bis in die Abenstunden an. - © Heike von Schulz
Der Einsatz am Tatort an der Mindener Straße im Zentrum von Preußisch Oldendorf dauerte bis in die Abenstunden an. | © Heike von Schulz

Auch Cihan Batmaz ist schnell am Tatort, ihm gehört ein Schnellimbiss in der Nähe des ZOBs. Er kennt den Täter, identifiziert ihn als einen Stammkunden, der stets höflich zu ihm war. „Warum hast du das getan?" fragt Batmaz an diesem Tag. Als Reaktion bekommt er nur ein „Frag meine Frau" vom Täter. Doch das ist nicht mehr möglich, Evelina S. stirbt noch an Ort und Stelle.

Auch die Familie ist schnell am ZOB in Preußisch Oldendorf

Schnell treffen auch die Familienangehörigen am ZOB ein. Weil Evelina S. nicht pünktlich nach Hause kommt, machen sie sich Sorgen und suchen sie. Ebenso wie die Feuerwehrleute, die vor Ort unterstützen, bekommen sie im Nachgang psychologische Unterstützung, um die Situation verarbeiten zu können. Doch was sind die Hintergründe der schrecklichen Tat?

Albert und Evelina S. heiraten in den 1980er-Jahren. Anfang der 1990er-Jahre kommen die beiden aus Russland nach Deutschland. Gemeinsam haben die Eheleute drei erwachsene Kinder. Auch in seiner ursprünglichen Heimat wird Albert S. angeblich strafrechtlich auffällig, es geht um einen Gewaltdelikt. Innerhalb der Familie gilt er als narzisstisch und cholerisch. Außerdem spricht er oft von Selbstmord, vermutlich um Druck auf die Familie auszuüben.

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Größere Streitigkeiten zwischen beiden gibt es laut Albert S. nicht. Trotzdem findet er am 19. November 2019 einen Zettel, den Evelina S. ihm geschrieben hat. „Ich kann nicht mehr, ich bin weg", steht auf diesem. Im Vorfeld hat sie sich heimlich nach Wohnungen umgeschaut. Als sie ihren Mann verlässt, steigt bei diesem der Wunsch nach dem Selbstmord. Dem Schwiegersohn gelingt es jedoch, Albert S. davon abzuhalten.

Albert S. spricht vor Gericht von einem Unfall

Ein halbes Jahr nach der Tat beginnt der Prozess gegen Albert S. am Bielefelder Landgericht. Er spricht im Gerichtssaal davon, dass alles ein Unfall gewesen sei. Das sieht der Richter anders. Er erkennt keine glaubwürdige Reue und verurteilt Albert S. zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen. „Auch seine Reaktion auf das Urteil war regungslos und weitgehend unbeeindruckt", sagt Sandra Spieker über den Straftäter.

Albert S. aus Preußisch Oldendorf wurde vom Landgericht Bielefeld zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt, nachdem er seine Frau Evelina S. erschossen hatte. - © Wolfgang Rudolf
Albert S. aus Preußisch Oldendorf wurde vom Landgericht Bielefeld zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt, nachdem er seine Frau Evelina S. erschossen hatte. | © Wolfgang Rudolf

Fälle wie dieser, bei denen der eine Ehepartner den anderen umbringt, sind bei weitem kein Einzelfall. Meist sind die Betroffenen Frauen. Von 460 Menschen, die im Jahr der Tat von Mord oder Totschlag innerhalb der Partnerschaft betroffen waren, sind 359 weiblich. Das sind etwa 78 Prozent aller Opfer von partnerschaftlicher Gewalt.