Tarifstreit

Warnstreik bei Bussen und Bahnen in Bielefeld und Gütersloh beendet

Die Gewerkschaft Verdi will den Druck in den Tarifverhandlungen erhöhen. Beim vierten Warnstreik standen Bahnen und Busse auch in OWL zwei Tage lang still.

Streik bei Mobiel in Bielefeld: An der Stadtbahn-Station Hauptbahnhof herrschte Leere. | © Andreas Zobe

Bielefeld/Gütersloh. Der Warnstreik im Nahverkehr in Bielefeld und Gütersloh ist am frühen Donnerstagmorgen (7. März) beendet worden. Die Gewerkschaft Verdi hatte die Beschäftigten für Dienstag und Mittwoch abermals zu Arbeitsniederlegungen aufgerufen.

Davon betroffen waren Beschäftigte in rund 30 kommunalen Verkehrsbetrieben. Bestreikt wurden wieder nahezu alle großen kommunalen Nahverkehrsbetriebe in NRW. In OWL waren die Stadtwerke Gütersloh und Mobiel in Bielefeld aufgerufen.

So war Bielefeld vom Streik betroffen

Bis Donnerstag, 7. März, 4 Uhr, fuhren in Bielefeld keine Stadtbahnen und keine Mobiel-Busse. Beeinträchtigt war auch der Busverkehr von Bielefeld nach Herford.

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Nicht vom Streik betroffen waren Busse und Linien, die von Fremdunternehmen bedient werden.

So war Gütersloh vom Streik betroffen

Am 5. und am 6. März fuhr kein Stadtbus in Gütersloh. Betroffen waren jeweils ganztags der reguläre Linien- und Schulbusverkehr sowie alle weiteren Angebote des Stadtbusses.

Darum wurde gestreikt

Hintergrund des Warnstreiks sind die laufenden Tarifverhandlungen für die rund 30.000 Mitarbeiter im kommunalen Nahverkehr in NRW sowie weiteren Bundesländern. In den Tarifverhandlungen geht es nach Angaben von Verdi um Verbesserungen der Arbeitsbedingungen und eine Entlastung der Mitarbeiter.

In NRW fordert die Gewerkschaft Entlastungstage für alle Beschäftigten im Nahverkehr, identische Orte für Arbeitsbeginn und -ende, Zulagen ab dem ersten Tag bei vorübergehender Übertragung höherwertiger Tätigkeiten, Schicht- und Wechselschichtzulage für den Fahrdienst, 100 Prozent Jahressonderzahlung, Überstunden ab der ersten Minute und in der individuellen Stufe ohne Abzug sowie Zulagen für Vorhandwerker, Gruppenführer und Teamleiter nach individueller Stufe.

In OWL waren die 860 Mitarbeiter des Bielefelder Unternehmens Mobiel sowie die 86 Mitarbeiter des Stadtbusses in Gütersloh (Stadtwerke Gütersloh) zum Streik aufgerufen. „Die Belastung der Beschäftigten hat ein Ausmaß erreicht, das nicht mehr zu akzeptieren ist. Der durchschnittliche Mitarbeiter von Mobiel in Bielefeld hat 400 Überstunden“, hatte Verdi-Gewerkschaftssekretär Sebastian Schulze erklärt. „Diese Belastung gefährdet die Gesundheit der Beschäftigten und damit die Sicherheit der Fahrgäste. Wenn ein Busfahrer aufgrund von Sekundenschlaf einen Unfall verursacht, kann das lebensgefährliche Folgen haben.“

Zweite Tarifrunde endete ergebnislos

Am 16. Februar waren die Manteltarifverhandlungen für die Mitarbeiter des kommunalen Nahverkehrs in Bochum in die zweite Runde gegangen, jedoch ergebnislos geblieben. „Die Arbeitgeber haben die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Statt für attraktive Arbeitsbedingungen im ÖPNV zu sorgen, um auch zukünftig ausreichend Personal zu finden, sollen die Arbeitsbedingungen – unter anderem durch Arbeitszeitverlängerungen – noch verschlechtert werden“, moniert Verdi-Fachbereichsleiterin Andrea Becker.

Dieses Verhalten sei verantwortungslos und ein Schlag ins Gesicht aller Kollegen, die durch Schichtarbeit und Überstunden ihre Gesundheit aufs Spiel setzten. „Aktuell liegen unsere Positionen daher noch sehr weit auseinander, die Arbeitgeber haben bisher nicht einmal ein Angebot vorgelegt.“

Nach Angaben Beckers herrschen im Nahverkehr ein dramatischer Arbeitskräftemangel sowie ein starker Druck auf die Mitarbeiter, weshalb täglich Busse und Bahnen ausfallen, was vor allem Pendler belastet. „Bundesweit muss sich die Zahl der Beschäftigten verdoppeln. Es fehlen genauso viele Menschen, wie aktuell im kommunalen Nahverkehr beschäftigt sind“, erklärt Becker.

Verdi fordert Entlastung der Mitarbeiter

Zudem müssten die Mitarbeiter entlastet werden, fordert Becker. „Die Arbeitgeber fahren auf Verschleiß, das ist kein sinnvolles Vorgehen. Wir erhöhen den Druck jetzt, damit die Arbeitgeber unsere Botschaft verstehen und wir endlich zu einem fairen Tarifergebnis kommen. Denn obwohl eine Attraktivitätssteigerung unumgänglich ist, sind die Arbeitgeber nach wie vor nicht bereit, den Beschäftigten entgegenzukommen.“ Schulze kritisiert, dass die Arbeitgeber die Forderungen nach Entlastung ohne Gegenangebot abgelehnt haben. „Stattdessen fordern die Arbeitgeber weiterhin eine 43-Stunden-Woche, obwohl die Mitarbeiter bereits jetzt überlastet sind.“

Verdi bedauert, dass die Folgen des Streiks vor allem Pendler treffen. „Wir kündigen die Einschränkungen aber extra früh an, damit alle Betroffenen umplanen kommen“, sagt Schulze. Der Gewerkschaftssekretär wirbt um Verständnis: „Wir hoffen sehr, dass die Bevölkerung im Kampf für einen sicheren und guten Nahverkehr weiter hinter uns steht. Doch sie muss auch damit rechnen, dass es in den nächsten Wochen noch härter wird.“

Bereits drei Warnstreiks im Februar

Bereits am 2. Februar, am 15. Februar sowie am 29. Februar und 1. März hatten Streiks den Nahverkehr in Bielefeld und Gütersloh lahmgelegt. Einschränkungen gab es beim jüngsten Streik auch im Handel. Rund 200 Bielefelderinnen und Bielefelder zeigten sich am Freitag auf dem Jahnplatz solidarisch mit den Streikenden von Mobiel.

Andere Anbieter des öffentlichen Nahverkehrs in OWL, etwa in den Kreisen Minden-Lübbecke, Lippe oder dem Hochstift, haben bereits Haustarifverträge abgeschlossen. Daher wurde dort nicht gestreikt. Dennoch waren auch dort die Auswirkungen des Streiks zu spüren, denn bestimmte Linien pendeln über Kreisgrenzen hinweg.

Die Verhandlungen werden am 11. und 12. März in Dortmund in dritter Runde fortgesetzt.

Warnung vor schwindender Unterstützung

Der SPD-Fraktionsvorsitzende im NRW-Landtag, Jochen Ott, hat angesichts der andauernden Streiks im Nahverkehr, bei der Bahn und an Flughäfen vor einer schwindenden Unterstützung der Öffentlichkeit gewarnt. Jeder Gewerkschaftsführer müsse sich gut überlegen, wann der Punkt komme, wo er die breite Unterstützung der Öffentlichkeit verliere, sagte der Oppositionsführer im Landtag am Dienstag in Düsseldorf. Die Zersplitterung von Gewerkschaften führe am Ende dazu, „dass für den Bürger dann immer wieder einer streikt und man gar nicht mehr weiß, wer macht das eigentlich?“, sagte Ott.

Der SPD-Politiker vermutete bei der Lokführergewerkschaft GDL und der Bahn mangelnden Einigungswillen. Es bestehe der Eindruck, dass die Verhandlungen sich über Monate zögen und „dass scheinbar auf beiden Seiten - bei der Bahn auch - eben kein Einigungswille da ist“. Das sei bei der vereinten Dienstleistungsgewerkschaft Verdi anders. Er sei überzeugt, dass in den Tarifkonflikten im öffentlichen Nahverkehr und an den Flughäfen die Einigungsbereitschaft deutlich höher ausgeprägt sei. „Und ich hoffe auch, dass die jetzt bald zum Tragen kommt“, sagte Ott.

INFORMATION


Was Pendler, Schüler und Co. wissen müssen

Berufstätige dürfen nicht einfach zu spät zur Arbeit kommen. Sie tragen das sogenannte Wegerisiko und sind selbst dafür verantwortlich, rechtzeitig im Betrieb zu erscheinen. Andernfalls können Gehaltseinbußen oder Sanktionen drohen. „Wenn ich nicht zur Arbeit komme, gilt der Grundsatz: ohne Arbeit kein Geld“, so Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Berlin. Arbeitgeber können Beschäftigte auch abmahnen, wenn diese zu spät oder gar nicht im Unternehmen erscheinen. Das ist zumindest immer dann möglich, wenn der Streik - wie in diesem Fall - rechtzeitig vorher angekündigt worden ist.

Der Schulbus oder die Bahn fährt nicht? Ärgerlich, aber keine Ausrede für einen freien Tag. „Der Streik im Nahverkehr ändert nichts an der Schulpflicht“, sagt Wilhelm Achelpöhler, Anwalt für Verwaltungsrecht aus Münster. Der Rat des Juristen an Eltern: Da sie von der Streiksituation nicht alleine betroffen sind, würde er als Erstes in der Schule nachfragen, ob dort nicht vielleicht schon etwas organisiert wurde - etwa Sammeltaxis.

Bei kurzfristigen Termin-Absagen verlangen Ärztinnen und Therapeuten mitunter Ausfallhonorare. Deshalb so früh wie möglich absagen und um eine Verschiebung bitten, wenn man befürchtet, wegen des ÖPNV-Warnstreiks den Termin nicht wahrnehmen zu können. Was dabei nicht schaden kann: den Warnstreik als Grund für die Absage offenzulegen. Gut möglich, dass die Praxis dann ein Auge zudrückt.