Bahntrassen-Streit in OWL: Heftige Kritik am Investitionsstau

Bielefeld. Seit gut drei Jahren wird in Ostwestfalen-Lippe und dem angrenzenden Schaumburger Land heftig über die Ertüchtigung der Bahnstrecke zwischen Bielefeld und Hannover gestritten. Es geht vor allem um die Frage, ob die Realisierung des Deutschlandtakts, der vom Bund als Fahrplan der Zukunft angestrebt wird, einen weitgehenden Neubau einer Trasse nötig macht. Oder ob es mehr Sinn ergibt, auf einen weitgehenden Ausbau der jetzigen Bestandsstrecke zu setzen, was viele der Anrainer für die bessere Variante halten. &bdquo;Endgültig gestorben“ sei nun die Neubauvariante, sagte der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler und OWL-Bezirksvorsitzender der FDP (wir berichteten). Diese Position sei &bdquo;Wunschdenken ohne Sachkenntnis“, sagt Rainer Engel, der für die Initiative Deutschlandtakt das Planungsverfahren der Deutschen Bahn zum Trassenprojekt Hannover-Bielefeld begleitet, dieser Redaktion. Der Vorsitzende des Fahrgastverbandes Pro Bahn in OWL fügt hinzu: &bdquo;Das Einzige, was Abgeordnete des Bundestages erreichen können, ist, dass gar nichts gebaut wird - und damit würden sie den Standort Ostwestfalen-Lippe nachhaltig schädigen, weil entweder in anderen Bundesländern gebaut wird oder die Bahn überhaupt nicht mehr ausgebaut wird.“ Der Bundestag habe gar keinen Einfluss darauf, wie die DB das Geld ausgebe, das ihr nach dem Haushalt zugebilligt werde, sagt Engel. Im Fall des Neubaus sei der Bundestag nur insoweit beteiligt, &bdquo;dass er eine Planung an sich billigt. Dafür muss eine Vorzugstrasse feststehen und eine Nutzen-Kosten-Rechnung vorliegen.“ Wenn der Bundestag die Planung billige, &bdquo;dürfe“ finanziert werden - es müsse aber noch lange nicht. &bdquo;Diese Befassung“, so Engel, &bdquo;ist für Bielefeld-Hannover noch in weiter Ferne“. Bahnprojekte werden als Paket vorgelegt Voraussichtlich werde das Verkehrsministerium alle Bahnprojekte von Dortmund bis Berlin als Paket vorlegen, das sei im Bundesschienenwegegesetz so vorgesehen. Anschließend treffe das Ministerium mit der DB eine Finanzierungsvereinbarung, die Details regele. &bdquo;Daran ist der Bundestag nicht beteiligt“, so erläutert Engel. Zurzeit hole das Bundesverkehrsministerium ein Gutachten ein, wie die verschiedenen Bauvorhaben unter fachlichen Gesichtspunkten zu ordnen seien. &bdquo;Dieses wird im Frühjahr 2025 vorliegen. Damit haben politische Einzelwünsche so gut wie keine Chance mehr“, meint Engel. &bdquo;Bei aller gemeinsamen und bleibenden Kritik im Sinne unserer Region an den Vorgaben des Bundesverkehrsministers für die Trassenplanung ist es wichtig, bei den Fakten zu bleiben“, mahnt Robin Wagener, Bundestagsabgeordneter (Bündnis 90/Die Grünen) aus Lippe. Er fügt hinzu: &bdquo;Im Bundeshaushalt 2024 steht eine Rekordsumme von 16,3 Milliarden Euro für Investitionen in die Schiene zur Verfügung.“ Leider gebe es aber ab 2025 Finanzierungslücken im Etat des Bundesverkehrsministeriums, die auch die Schiene treffen. Bislang wurde kein Projekt gestoppt Darum sei, so Wagener weiter, aktuell eine Priorisierung auf das Bestandsnetz notwendig. &bdquo;Welche Auswirkungen die Finanzsituation auf die Ausbau- und Neubaupläne der Bahn hat, ist aktuell noch nicht absehbar. Fest steht aber, dass bislang kein Projekt gestoppt wurde, auch nicht die ICE-Trasse durch OWL.“ Ende März werde der Aufsichtsrat der Bahn beraten. &bdquo;Frühestens dann sind Vorentscheidungen zur Planung oder möglichen Streichung von Projekten zu erwarten.“ Kerstin Haarmann, Bundesvorsitzende des ökologischen Verkehrsclubs VCD, hält einen Bahnausbau auf der Strecke Hannover-Bielefeld für &bdquo;unausweichlich“. Diese gehöre &bdquo;zu den Top 12 der wichtigsten Engpass-auflösenden Vorhaben im deutschen Bahnnetz“, erläutert die Paderbornerin. &bdquo;In welcher Streckenvariante, ob als Neubau, Mischung von Neu- und Ausbau oder als reiner Ausbau im Bestand - der auch geprüft werden sollte - wird sich nach Präsentation, Diskussion und Entscheid über die vorzugswürdige Variante zeigen, die die DB für Februar/März 2024 angekündigt hat“, fügt Haarmann hinzu. Letztlich gelte: &bdquo;Über die Kosten von Aus- oder Neubau kann jedoch erst dann seriös diskutiert werden, wenn konkrete Strecken- und Ausbauvarianten und belastbare Kostenschätzungen dazu vorliegen.“ Sanierungsstau gefährdet Ziele der Bahn Wenn dieses Beteiligungsverfahren gestoppt oder langfristig vertagt würde, bliebe nach Haarmanns Analyse &bdquo;nur noch die Sanierung des Teilstücks Minden-Wunstorf übrig, die unter die Sanierung der Hochleistungskorridore fällt und derzeit für 2030 angekündigt ist“. Vor einer Entwicklung, wie man sie derzeit beobachte, habe der VCD seit Jahren gewarnt, betont Haarmann. &bdquo;Der Sanierungsstau der Bahn-Infrastruktur gefährdet den rechtzeitigen und notwendigen Ausbau von Bahnstrecken sowie die Digitalisierung des Netzes – weil das Geld nicht reicht.“ So lasse sich die Zahl der Bahnfahrgäste bis 2030 nicht verdoppeln, &bdquo;und es werden auch keine 25 Prozent der Güter auf der Schiene fahren, wie es der Koalitionsvertrag verspricht“. Diese Situation zeige, &bdquo;dass wir dringend eine überjährige, verbindliche Finanzierung der deutschen Verkehrsinfrastruktur für Sanierung und notwendigen Ausbau brauchen, damit diese wichtigen Infrastrukturinvestitionen nicht dem ,Hü und hott’ der jährlichen Haushaltsverhandlungen unterliegen“, argumentiert Haarmann. Dies gelte sowohl für den &bdquo;immensen Sanierungsstau“ bei der Bahn, für alle Bahn- und Autobahn-Brückenbauwerke, als auch für die Bundeswasserstraßen. Deshalb fordere der VCD einen gesetzlich zu verankernden Verkehrsinfrastruktur-Finanzierungsfonds im Bundesmobilitätsgesetz. &bdquo;Die Alpenländer zeigen übrigens, wie es geht: In Österreich gibt es ein Zielnetz 2040 für den Bahnausbau, der mit einer mittleren zweistelligen Milliardensumme an Finanzmitteln hinterlegt wird“, erläutert Haarmann.

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