OWL Crime - Podcast

Kindesmissbrauch in Lüdge: Das Grauen auf dem Campingplatz

Es ist ein schockierender Fall von sexuellem Missbrauch und Behördenversagen, der ganz Deutschland erschütterte. In der aktuellen Podcastfolge geht es um den Kriminalfall aus Lügde.

Der Missbrauchskomplex Lügde hat in NRW ein Erdbeben verursacht. Im Podcast spricht Redakteurin Janet König über den Fall und den Gerichtsprozess, den sie als Reporterin begleitet hat. | © dpa

Anna Lena Hinder
02.11.2023 | 28.02.2024, 15:11

Kreis Lippe. Es ist einer der schwersten Missbrauchsfälle, der im Januar 2019 ganz Deutschland schockiert: Über Jahre hinweg haben sich Männer auf einem Campingplatz im beschaulichen Lügde-Elbrinxen im Kreis Lippe an Dutzenden Kindern vergangen.

Andreas V. aus Lügde und Mario S. aus Steinheim bei Höxter haben etliche Kinder um sich geschart, sexuell missbraucht und kinderpornografisches Material produziert - ein dritter Mann, Heiko V., er verfolgt die Taten via Livestream, kommt aus Stade in Niedersachsen. Er soll der Auftraggeber gewesen sein. Der Missbrauch wird gefilmt und ins Internet gestellt.

Der Untersuchungsausschuss will Fragen zum langjährigen Kindesmissbrauchsfall von Lügde aufklären. Doch die Aufklärungsarbeit ist schwierig. - © dpa
Der Untersuchungsausschuss will Fragen zum langjährigen Kindesmissbrauchsfall von Lügde aufklären. Doch die Aufklärungsarbeit ist schwierig. | © dpa

Die Polizei findet riesige Mengen an Datenträgern mit Beweismitteln, bei den Ermittlungen kommt es dann zu zahlreichen Pannen und zu vielen Fragen.

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Missbrauchsfälle in Lügde - Alle Fakten im Überblick

Auf dem Campingplatz "Eichenwald" in Lügde-Elbrinxen im Kreis Lippe wurden über einen Zeitraum von zehn Jahren mehr als 30 Kinder im Alter von 4 bis 13 Jahren sexuell missbraucht.

Haupttäter waren drei Männer: Der damals 56-jährige Hauptverdächtige Andreas V. aus Lügde, der 33-jährige Tatverdächtige Mario S. aus Steinheim sowie der 48-jährige Heiko S aus Stade.

2016 ist der Hauptverdächtige Pflegevater eines damals sechsjährigen Mädchens geworden. Er nutzte das Mädchen als Köder und stellte dadurch Kontakt zu anderen Kindern her.

Die Behörde sollen auf zahlreiche Hinweise nicht reagiert haben. Dezember 2018 flog der Missbrauchskomplex in Lügde auf und die Ermittler fanden Hunderte Videoaufnahmen, die den Missbrauch dokumentierten.

Im Herbst 2019 verurteilte das Landgericht Detmold die zwei Tatverdächtigen zu langjährigen Haftstrafen mit Sicherheitsverwahrung. Auch gegen die Polizei und Jugendämter im Kreis Lippe und Hameln-Bad Pyrmont wird vermittelt.

Haupttäter von Lüdge erhält Pfegekind

Hinter einem Zaun und Polizeiabsperrband ist ein Lampion und ein Windspiel auf dem Campingplatz Eichwald zu sehen. Auf dem Campingplatz in Lügde-Elbrinxen im Kreis Lippe wurden Kinder hundertfach missbraucht. - © dpa
Hinter einem Zaun und Polizeiabsperrband ist ein Lampion und ein Windspiel auf dem Campingplatz Eichwald zu sehen. Auf dem Campingplatz in Lügde-Elbrinxen im Kreis Lippe wurden Kinder hundertfach missbraucht. | © dpa

Der Haupttäter von Lügde ist ein alleinstehender Mann, der auf einem Campingplatz als Dauercamper lebt und eine verwahrloste Parzelle bewohnt. Obwohl er angibt, arbeitslos und alleinstehend zu sein, erhält er 2016 ein Pflegekind - Schon damals gibt es Hinweise, die seine pädophile Neigung betreffen.

Mehrere Male missbraucht er das Pflegekind im Kindergartenalter und nutzt es als Köder, um weitere Kinder zum Spielen einzuladen. Es gibt weitere Hinweise an das Jugendamt - von einem besorgten Vater, einer Mitarbeiterin des Jobcenters und einer Erzieherin - doch niemand schreitet ein.

Erst als die Mutter eines betroffenen Mädchens den Mann wegen wiederholten Missbrauchs ihrer Tochter anzeigt, wird der Fall aufgedeckt. Nachdem sich immer mehr Familien melden, kommt es verhäuft zu Ermittlungsfehlern, die bis heute nicht vollständig aufgeklärt sind. Zunächst seien laut Ermittlungen 31 Opfer im Alter von 4 bis 13 Jahren bekannt, insgesamt mehr als 1.000 Einzeltaten soll es gegeben haben. Im April 2019 stieg die Zahl auf mindestens 40 Kinder.

Langjährige Haftstrafe und Sicherheitsverwahrung

Am 27. Juni 2019 beginnt der Prozess gegen die drei Haupttäter vor dem Detmolder Landgericht und endet knapp zwei Monate später mit der Verurteilung der Angeklagten. Zwei Täter werden verurteilt und verbüßen eine langjährige Haftstrafe, gefolgt von Sicherheitsverwahrung. Gegen den dritten Angeklagten verhängte das Landgericht eine Bewährungsstrafe.

Ein Beamter des Landeskriminalamtes steht vor einem Wohnwagen auf dem Campingplatz. Im Skandal um verschwundene Beweisstücke sind Sonderermittler im Einsatz. - © dpa
Ein Beamter des Landeskriminalamtes steht vor einem Wohnwagen auf dem Campingplatz. Im Skandal um verschwundene Beweisstücke sind Sonderermittler im Einsatz. | © dpa

Seit 2019 bemüht sich ein Untersuchungsausschuss im Düsseldorfer Landtag, die Verantwortung der Behörden zu klären. Wie kann es dazu kommen, dass Beweismaterial in einem Koffer aus einer Polizeidienststelle verschwindet und Spuren am Tatort nicht gesichert werden?

Es gibt auch die Vermutung eines Netzwerks und die Ermittlungen könnten sich zu sehr auf die drei Haupttäter konzentriert haben. Der Fall Lügde zieht sich weiterhin hin, insbesondere für die betroffenen Kinder. Bis heute sind nicht alle Opfer entschädigt. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) gab an, dass in NRW 34 Anträge eingereicht worden sein sollen. Insgesamt 16 von ihnen wurden bewilligt.