Skurriler Auftritt vor Gericht: Rechter Youtuber in Detmold verurteilt

Detmold. Als Tim Kellner das Detmolder Gerichtsgebäude verlässt, wird er jubelnd empfangen. Ein paar Hundert Anhänger sind dem Aufruf des rechten Youtubers (knapp 500.000 Fans) gefolgt. Sie kommen vor allem aus der rechten oder der sogenannten Querdenker-Szene. Kellner lächelt. Dabei wurde er wenige Minuten zuvor zu einer Geldstrafe verurteilt. Der Pullover rosa, die Hose passend dazu. An seinem Ärmel eine Regenbogenbinde. Selbst seine herzförmige Sonnenbrille passt farblich zu seinem Outfit. So betritt Kellner zunächst gegen kurz vor elf das Gerichtsgebäude. Er muss sich am Amtsgericht verantworten. Der Vorwurf: In vier Videos soll er Politikerinnen beleidigt oder verleumdet haben. Der 49-Jährige widmet sich auf seinem Youtube-Kanal immer wieder politischen Themen. Dabei hat er es zu einer großen Prominenz in der rechten Szene geschafft. Der NRW-Verfassungsschutz nennt ihn "einen der bedeutendsten Influencer innerhalb der Delegitimierungsszene" – also der Szene, die aus den Corona-Protesten entstanden ist und den deutschen Rechtsstaat ablehnt. Kellner ist zudem Präsident des Rocker-Clubs "Brothers Guard MC Salt City". Kellner und der "Love Priest" Seit ein paar Jahren tritt Kellner in seinen Videos als Kunstfigur "Love Priest" auf. Das Markenzeichen: pinke Kleidung, herzförmige Brille. Unter dem Deckmantel der Satire beschäftigt er sich regelmäßig beispielsweise mit der Bundesregierung oder der Flüchtlingsdiskussion. Vor einigen Jahren musste er sich bereits in Berlin vor Gericht verantworten, damals ging es um Aussagen gegen die SPD-Politikern Sawsan Chebli. Kellner wurde am Ende freigesprochen. Chebli spielt auch diesmal in Detmold eine zentrale Rolle. In eins seiner Videos schnitt Kellner nach einer Aussage der Politikerin einen Clip, in dem eine Frau beleidigende Dinge sagt. Den gleichen Clip schnitt er zudem in ein Video über die Grünen-Bundestagsabgeordnete Emilia Fester, die er zudem auch selbst beleidigte. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nannte Kellner in einem Video "aufgedunsene Dampfnudel". In einem Beitrag über Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) verwendete er einen Clip, der eine Aussage der Politikerin verfälscht – laut Staatsanwaltschaft wissentlich. "Ich halte Sie für denjenigen, der es ausgesprochen hat" Für Kellner ein "Witz", wie er mehrfach betont. Der Prozess sei ein "Zirkus". Beleidigungen erkennen Kellner und sein Anwalt Hendrik Schnelle darin nicht. Das sei Satire, betonen sie immer wieder – und ziehen Vergleiche zu anderen Satire-Formaten. Zudem seien die in manchen Videos eingespielten Clips, in denen beleidigende Äußerungen getätigt werden, nicht von Kellner selbst. "Das ist nicht mein Vokabular", sagt der 49-Jährige. Und in den Videos spreche ohnehin nicht Kellner – sondern die Kunstfigur "Love Priest". Für die Richterin spielt das allerdings kaum eine Rolle. Sie wertet die Aussagen und Videos von Kellner als Beleidigungen. Er habe zumindest billigend in Kauf genommen, dass sich die Personen beleidigt fühlen. Die beleidigenden Clips, die er in seine Videos geschnitten hat, habe er sich "zu eigen gemacht". "Ich halte Sie für denjenigen, der es ausgesprochen hat", sagt die Richterin zu Kellner. Einzig dass Kellner wissentlich den gefälschten Baerbock-Clip für sich genutzt hat, könne man nicht nachweisen. Das Urteil: 110 Tagessätze zu 100 Euro Geldstrafe – insgesamt also 11.000 Euro – für die Beleidigungen gegen Faeser, Chebli und Fester. Bekannte Rechtsextreme unter Unterstützern Der 49-Jährige, der den Prozess öffentlichkeitswirksam für sich zu nutzen scheint, und sein Anwalt zeigen für die Entscheidung nur wenig Verständnis. Schon wenige Sekunden nach Urteilsverkündung kündigt Anwalt Schnelle die Berufung an. Kellner sagt grinsend: "Ich ändere mich keinen Millimeter." Noch bevor er das Gericht verlässt, um in der Menge seiner Anhänger zu baden – darunter auch bekannte Rechtsextreme –, gibt Kellner auf dem Gerichtsflur dem rechten Fernsehsender "Auf1" ein Interview. Auf der Bühne vor dem Gerichtsgebäude, umringt von seinen Anhängern, wird er noch deutlicher. Man müsse von einem Urteil ausgehen, das schon vorher in der Schublade gelegen habe – so reimt er es sich zusammen. Dass seine Aussagen aber ganz offensichtlich nicht unter die Kunst- oder Meinungsfreiheit fallen; das will Kellner wohl nicht wahrhaben.

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