Dürre in OWL vorerst beendet: Was Meteorologen für die Zukunft erwarten

Bielefeld. Die Dürre ist beendet. Zumindest vorerst, und zumindest in OWL: Bis Ende August ist in weiten Teilen der Region mehr Regen gefallen als im gesamten Vorjahr, und wenn bis zum Jahresende keine völlige Trockenheit hereinbricht, dann wird das Jahr 2023 für Ostwestfalen-Lippe das niederschlagreichste seit dem überdurchschnittlich feuchten Jahr 2017. Vielleicht wird es auch das regenreichste Jahr seit dem klatschnassen 2007, als übers Jahr rund um Bielefeld mehr als 1.200 Liter pro Quadratmeter auf die Erde fielen. Anders als noch im Mai und Juni befürchtet, als für 2023 ein weiteres Dürrejahr prognostiziert wurde, haben vor allem die Sommermonate der Region reichlich Niederschlag beschert. Dabei gab es Regenfälle aller Art, nicht nur den ungeliebten schauerartigen Starkregen, dessen Wasser allzu schnell davonfließen, sondern auch den alles durchweichenden Dauerregen, der geeignet ist, die Böden bis in große Tiefen zu durchfeuchten. So zeigt der Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung in Leipzig derzeit für ganz NRW keinerlei Hinweise einer Dürre im Oberboden (bis 25 Zentimeter Tiefe) an. Im Gesamtboden bis 1,80 Meter Tiefe gibt es nur noch im Norden des Kreises Minden-Lübbecke Spuren einer großen Trockenheit. "Für den aktuellen Moment sind die Böden gut gesättigt durch die niederschlagsreichen letzten Wochen", sagt der Klimatologe Carsten Schaller vom Institut für Landschaftsökologie der Uni Münster. Der Meteorologe Thomas Kesseler-Lauterkorn vom Essener Büro des Deutschen Wetterdienstes liefert die passenden Zahlen: So seien an der Wetterstation Sennestadt allein in den Sommermonaten von Juni bis August 366,8 Millimeter (also 366,8 Liter pro Quadratmeter) Regen gemessen worden – das waren 51 Prozent mehr als im langjährigen Mittel von 1991 bis 2020. Niederschlagsdefizit noch immer nicht ganz ausgeglichen Und in Bielefeld-Deppendorf, also östlich vom Kamm des Teutoburger Waldes, fielen in diesem Sommer 383,6 Millimeter Niederschlag, mehr als dreimal so viel wie im trockenen Sommer 2022 und fast das Vierfache der Regenmenge im Dürresommer 2018. Im laufenden Jahr sind in Deppendorf bereits 836 Liter Wasser pro Quadratmeter gefallen, der durchschnittliche jährliche Gesamtniederschlag von 863 Millimetern wurde hier also schon fast erreicht. Es hat geschüttet und genieselt, geprasselt und getröpfelt, und mancherorts war es offenbar zu viel des Guten: Berichte über schlammige Felder, in denen das Erntegerät versackte, und über verdorbenen Sommerweizen, der schon an den Halmen keimte, sorgten für Unruhe. Unter dem Strich aber dürfte die Gesamternte von Getreide, Ölsaaten und Kartoffeln nur wenig unter der ordentlichen Ernte des Jahres 2022 liegen, wie Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir Ende August in Aussicht stellte. Die Defizite im nassen Hochsommer werden ausgeglichen durch die überdurchschnittlich gute Winterweizen-Ernte im trockenen Frühsommer, wie Matthias Kowalski vom NRW-Landwirtschaftsministerium sagt. Vorerst keine Probleme für die Versorgungslage also, auch wenn die Landwirte schwere Arbeit hatten. Die bange Frage aber ist die nach der zukünftigen Entwicklung. Drohen tendenziell immer mehr Dürren, auch wenn es gelegentlich regenreichere Jahre gibt? Meteorologe Kesseler-Lauterkorn verweist zunächst darauf, dass das Regendefizit seit dem Dürrejahr 2018 auf einen kompletten Jahresniederschlag angewachsen sei und auch 2023 nicht ganz ausgeglichen werde. Grundsätzlich sei mit steigenden Temperaturen und stabileren Wetterlagen mit längeren Trockenperioden zu rechnen. Ein Grund dafür sei, dass die Polargebiete sich im Zuge des Klimawandels nach gegenwärtigem Forschungsstand schneller erwärmen als südliche Breiten, die Temperaturgefälle mithin flacher werden. Die Bewegung von Hoch- und Tiefdruckgebieten werde daher langsamer, auch der Höhenwind "Jetstream" schwäche sich ab. Pflanzen fangen früher an, dem Boden Wasser zu entziehen Die Agrarmeteorologin Bianca Plückhahn vom Deutschen Wetterdienst sieht es ähnlich: Selbst wenn die Niederschlagsmengen sich absolut nicht verringerten, sei durch Wetterlagen, die im Einzelfall wie festgenagelt erscheinen könnten, abwechselnd mit längeren Trockenzeiten und dann mit Starkregen zu rechnen. Starkregen könne vom Boden jedoch schlecht aufgenommen werde und fließe zu großen Teilen schnell ab, es dringt weniger Wasser in den Boden ein. In den trockenen Phasen wiederum drohe der Boden wegen der steigenden Temperaturen stärker auszutrocknen als in der Vergangenheit. "Zudem entfaltet sich die Vegetation jahreszeitlich immer früher, die Pflanzen entziehen dem Boden früher und damit für längere Zeit das Wasser", so Plückhahn. Auch wenn derzeit die Bodenfeuchte bis in zwei Meter Tiefe hoch sei, erlaube dies zudem keine Aussage über die Grundwasserlage. Aber muss die Folge steigender Temperaturen nicht auch eine Zunahme der Verdunstung sowie im Verlauf des Kreislaufs eine Zunahme der Niederschläge sein? Der Meteorologe Kesseler-Lauterkorn bezweifelt dies und verweist darauf, dass mit jedem Grad Erwärmung die Luft etwa sieben Prozent mehr Wasserdampf aufnehmen könne. Der Klimatologe Schaller sagt, die erhöhte Verdunstung "führt durch die gleichzeitig steigende Wasserdampfkapazität der Luft zu keiner wesentlichen Veränderung der relativen Luftfeuchte". Häufigere Niederschläge seien daher nicht zu erwarten. Weil durch die Verdunstung jedoch mehr Energie in die Atmosphäre gelange, seien intensivere Niederschläge die Folge, sprich: Starkregen.

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