NRW zieht Bilanz

Wie gut war das schlechte Sommerwetter?

Ein heißer Juni, ein nasser Juli, ein durchwachsener August - von allem etwas, nur keine Beständigkeit. Wie haben Förster, Biergartenbetreiber oder Landwirte das Sommerwetter in diesem Jahr erlebt?

Hat der Sommer 2023 seinen Namen verdient? NRW zieht Bilanz, denn es gibt auch Gewinner. | © Jens Kalaene

03.09.2023 | 03.09.2023, 13:52

Dortmund (dpa). Hitze, Trockenheit und Waldbrände verwandelten so manches Urlaubsparadies in den vergangenen Monaten in die Hölle, der Sommer daheim in NRW war wechselhafter als die oft heißen und trockenen Sommermonate der Vorjahre. Doch wirklich gut finden viele eher wechselhaftes Wetter im Sommer trotzdem noch lange nicht. Oder etwa doch? Eine Sommerbilanz aus mehreren Perspektiven:

Mit Daten und Vergleichsstatistiken weiß der Meteorologe den Sommer 2023 einzuordnen. Und siehe da: In NRW hat zwar seltener die Sonne geschienen als in anderen Bundesländern und es ist mit rund 320 Liter pro Quadratmeter mehr Regen gefallen als im langjährigen Mittel. Gleichzeitig war der Sommer mit durchschnittlich 18,4 Grad Celsius wieder wärmer als früher, genauer 2,1 Grad über dem Durchschnitt der Jahre 1961-1990. "Der Sommer war insgesamt sehr wechselhaft, was aber letztlich zum Wesen eines mitteleuropäischen Sommers dazugehört", fasst Thomas Kesseler-Lauterkorn, Diplom-Meteorologe beim Deutschen Wetterdienst in Essen, zusammen.

Tatsächlich hatten sich in den Sommermonaten die Verhältnisse umgekehrt: Nach einem hochsommerlichen Frühstart mit einem Rekord-Sonnenschein-Juni erlebten die Menschen in NRW ab der zweiten Juli- und Ferienhälfte einen "ungewöhnlich kühlen, trüben und regnerischen Witterungsabschnitt", erklärt der Meteorologe die gelegentlich lauten Klagen über den "miesen Sommer 2023". Hinzukommt: "Unser Wettergedächtnis ist kurz", so Kesseler-Lauterkorn. Manch einer erinnert die heißen und sehr trockenen Sommer der vergangenen Jahre besser als die in den Jahrzehnten davor. Vor allem in den 1970er und 1980er Jahren seien Sommer mit großen Schwankungen und wechselhaftem Wetter wie 2023 häufiger gewesen.

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"Ein Sommer zum Vergessen" wo es Wetterbeständigkeit braucht

Von einem "Sommer zum Vergessen" spricht Gastronomin Anna Heller. Sie ist Geschäftsführerin eines großen Biergartens mit 600 Plätzen im Kölner Volksgarten. "Der Sommer war einfach viel zu kurz zu Besuch", sagt sie. Ein sonniger Juni könne die Wochen der Unbeständigkeit nicht ausgleichen. Sie habe seltener öffnen können, und auch während der Öffnungszeiten sei weniger los gewesen.

"Ich brauche verlässlich gutes Wetter. Beständigkeit. Wir Menschen brauchen einfach ein bis zwei Tage Sommerwetter, damit wir uns überhaupt in den Biergarten trauen", sagt Heller. "Immer mal wieder ein paar Sonnenstunden - aber abends wieder Gewitter. Das nützt mir nichts", sagt sie.

So durchwachsen das Wetter, so durchwachsen auch die Bilanz, die die Freibäder ziehen: "Die Freibadsaison steht und fällt mit dem Wetter", sagt etwa der Bochumer Wasserwelten-Geschäftsführer Marcus Müller. Für die vier Freibäder der Stadt bedeutete das 79.000 Besucher weniger als noch im Vorjahr - ein Rückgang von knapp 40 Prozent.

Bäume genießen Regenschauer

Andere zählen sich klar zu den Gewinnern: Wer an so manchem Sommertag in den Wald gegangen sei und gelauscht habe, habe die Bäume frohlocken hören können, scherzt Mathias Niesar. Er ist beim Landesbetrieb Wald und Holz Teamleiter für die Themen Wald- und Klimaschutz.

"Die Niederschläge haben den Bäumen gutgetan", fasst er zusammen. Das sei erkennbar an üppiger Belaubung und kräftigerer Farbe der Blätter. Auch dort, wo nach dem großen Waldsterben nun schon neue Bäume gepflanzt worden seien, sei der Regen ebenfalls ein Segen gewesen.

Dass in den Wäldern kräftige Regenschauer statt nur Nieselregen gefallen seien, sei wichtig gewesen: Nur Wasser, dass auch am Boden ankommt, kann der Baum verwerten. Außerdem könnten sich Fichten, die mit ausreichend Wasser versorgt waren, besser gegen den Borkenkäfer zur Wehr setzen.

Verregnete Getreideernte, zufriedene Kohlköpfe

Was die Forstwirte freute, wurde für so manchen Landwirt in diesem Sommer zum echten Problem - insbesondere, wenn er im Juli noch Weizen oder anderes Brotgetreide auf den Feldern stehen hatte. Der Dauerregen ausrechnet zur Erntezeit im Hochsommer habe für erhebliche Qualitätseinbußen gesorgt, berichtet Jan-Malte Wichern, Sprecher der Landwirtschaftskammer NRW. Das nasse und damit nicht lagerfähige Getreide konnte auf vielen Felder nicht eingeholt werden. "Ein kurzes Zeitfenster von wenigen Tagen hätte gereicht, aber es hat ja einfach durchgeregnet", so Wichern.

Das Getreide keimte auf den Halmen oder fiel Pilzen zum Opfer. Im Extremfall konnten die Landwirte es nur noch in der Biogasanlage verbrennen. "Das ist natürlich sehr, sehr bitter für jeden Landwirt, zwingt aber einen gut aufgestellten Betrieb nicht in die Knie", so Wichern. Und auch unter Feldfrüchten gibt es durchaus Gewinner des durchwachsenen Sommers: Mais und Grünland und Kürbisse profitierten von "der guten Wasserversorgung", Kohlköpfe vom bedeckten Himmel bei gleichzeitiger Wärme - sie reagieren empfindlich auf direkte Sonneneinstrahlung, berichtet Wichern.