Missstände im Klinikum Bielefeld: Neuer Pflegedirektor ist optimistisch

Herr Toremans, sie sind seit dem 1. August neuer Pflegedirektor im Klinikum Bielefeld und starten in turbulenten Zeiten. Der ärztliche Direktor Holger Sudhoff hat gekündigt - im Streit mit Geschäftsführer Michael Ackermann. Gleichzeitig berichten Insider von einem Sparkurs, der zu einer Überlastung des Personals und einer Verschlechterung der Patientenversorgung geführt haben soll. Wie liefen Ihre ersten Tage? Maik Toremans: Ich habe von dem Streit nichts mitbekommen und bin außen vor. Daher hat dieser Konflikt meinen Start auch nicht beeinflusst. Ich bin von meinen neuen Kollegen super aufgenommen worden. Das Team hat mir den Einstieg sehr leicht gemacht. In der Pflege gibt es zu dem Thema derzeit auch keinen Gesprächsbedarf. Sollte sich das ändern, werden wir darüber sprechen. Im Klinikum soll es täglich zu Überlastungsanzeigen kommen. Wie gehen Sie damit um? Grundsätzlich gehören Überlastungsanzeigen leider in jedem Krankenhaus mal mehr und mal weniger zum Alltag dazu. Im Klinikum werden alle Anzeigen sehr ernst genommen. Wir prüfen genau, ob strukturelle Probleme ursächlich sind, oder, ob es Momentaufnahmen sind, weil kurzfristig jemand ausgefallen ist. In solchen Fällen regeln wir die Nachbesetzung durch Poolmitarbeiter, die so flexibel sind, dass sie auf allen Stationen arbeiten können. Hier gibt es immer einen Puffer, um Ausfälle möglichst schnell ausgleichen zu können. Das gelingt aber natürlich nicht immer in allen Fällen. Im Klinikum mussten sogar Operationen von Tumorpatienten verschoben werden. Lässt sich das künftig verhindern? Wir müssen uns die Frage stellen, wie wir uns in Zukunft aufstellen, um das zu verhindern. Wichtig sind Innovationen, um unsere Mitarbeiter zu entlasten und somit Ausfälle zu minimieren. Das wollen wir im Klinikum unter anderem mit dem Angebot der Vier-Tage-Woche für Pflegekräfte oder unserer neuen pflegerischen Innovationsstation umsetzen. Entwickelt und umgesetzt werden können neue Ideen am besten mit den Mitarbeitern. Dann schaffen wir es auch, wieder mehr Pflegekräfte und Auszubildende für den Beruf zu begeistern. Pflege ist ein toller Job, der Spaß macht. Im Klinikum spüre ich diese Lust, die Pflege wieder attraktiv zu machen. Derzeit sind drei Stationen im Klinikum geschlossen. Woran liegt das? Das ist eine Folge des Personalmangels. Allerdings nicht, weil Pflegekräfte entlassen wurden, sondern aufgrund von Kündigungen wegen Überlastungen oder Umorientierung sowie einer deutlich gestiegenen Krankheitsquote. Vor der Corona-Pandemie lag die Quote bei sechs bis acht Prozent, inzwischen bei zehn bis zwölf Prozent, und zwar nicht nur im Klinikum, sondern überall. So ergibt sich eine Ausfallquote aufgrund von Krankheit sowie Urlaub von circa 20 Prozent. Bei 700 Vollzeitkräften in der Pflege im Klinikum fehlen bei drei bis vier Prozent gestiegener Krankheitsquote circa 20 bis 30 Vollzeitkräfte zusätzlich. Ist Überlastung der Grund für die so enorm gestiegene Ausfallquote? Ja, Überlastung ist ein Problem in der Pflege. Hinzu kommt, dass viele Pflegekräfte der Generation der Babyboomer angehören, die nun nach und nach in den Ruhestand gehen. Zudem fallen sie aufgrund ihres höheren Alters häufiger aus, als ihre jüngeren Kollegen. Turbulent sind die Zeiten aktuell auch, weil der Personalmangel in der Pflege auf eine Klinikreform in NRW samt neuer Gesetze zur Stärkung der Pflege aus Berlin trifft. Wie ist die Lage für Pflegekräfte derzeit? Im Klinikum gibt es in der Pflege 20 Prozent mehr Eintritte als Austritte. Das ist für ein Krankenhaus nicht selbstverständlich, das habe ich in der Vergangenheit auch anders erlebt. Deshalb blicke ich positiv in die Zukunft, denn das Interesse ist weiterhin da. Zudem können wir alle Ausbildungsplätze besetzen und bieten natürlich allen Absolventen eine Übernahme an. Eines meiner Ziele ist, dass wir noch präsenter in der Schule werden und noch enger mit den Kollegen dort zusammenarbeiten, damit wir Schülern früh deutlich machen können, wie vielfältig die Karrieremöglichkeiten in der Pflege sind. Ich habe mich genau aus diesem Grund für die Pflege entschieden. Vielerorts, so auch im Klinikum, wird um Fachkräfte aus dem Ausland geworben. Ist das der richtige Weg im Kampf gegen die Personalnot? Die wichtigsten Bausteine zur Personalgewinnung sind Innovationen sowie die Gewinnung von Auszubildenden. Ein weiterer Baustein ist das Auslandsrecruiting, aber das kann nur ein Teil der Lösung sein. Im Klinikum sind wir da gut aufgestellt. Im September kommt die dritte Gruppe ausländischer Mitarbeiter. Eine Kollegin kümmert sich um die gesamte Organisation, denn die neuen Mitarbeiter müssen sich in Bielefeld sprachlich und fachlich weiter qualifizieren, damit ihre Ausbildung anerkannt werden kann. Parallel sind sie in der Praxis, um das Haus kennenzulernen. Zudem unterstützt eine ehemalige philippinische Mitarbeiterin diesen Prozess, damit die Kollegen auch in Bielefeld ankommen können. All das hat jedoch zur Folge, dass sie erst nach sechs bis zwölf Monaten als vollwertige Pflegekraft eingestellt werden können. Immer mehr Pflegekräfte arbeiten als Leiharbeiter. Sie verdienen deutlich mehr Geld und können sich ihre Arbeitszeiten aussuchen. Wie viele Leiharbeiter sind im Klinikum tätig und wie wirkt sich das auf die Stimmung der Stammbelegschaft aus? Wir können aufgrund der hohen Krankheitsquote aktuell nicht auf Leiharbeitskräfte verzichten. Wir beschäftigen bei 700 Vollzeitkräften derzeit aber lediglich zehn Leiharbeitskräfte auf den peripheren Stationen. Das ist eine gute Quote, denn zu viele können zu Problemen führen. Wir versuchen zudem immer, Leiharbeitskräfte längerfristig zu binden, damit sie gut eingearbeitet sind. Trotzdem kann die Beschäftigung auch die Stimmung in der Stammbelegschaft verschlechtern. Das gilt aber nicht für alle Kollegen, denn in den vergangenen zehn Jahren hat sich auch für Stammbelegschaften viel verbessert. Als Pflegekraft kann man heutzutage anständiges Geld verdienen. Das gilt für das Klinikum ebenso für andere Häuser, in denen nach Tarif bezahlt wird. In der Organisation von Pflege geht es oft nur noch um Mangelverwaltung. Warum haben Sie sich trotzdem für die Position des Pflegedirektors entschieden? Diese Frage habe ich mir erstmals vor zweieinhalb Jahren gestellt, als ich mich dazu entschieden habe, in die Pflegedienstleitung zu wechseln. Zu dieser Zeit und auch jetzt steht für mich fest, dass wir im Tal angekommen sind und es nur noch besser werden kann. Ich möchte Teil dieser Veränderungen sein. Zudem glaube ich, dass auch die Politik mit den Pflegepersonaluntergrenzen und der Klinikreform grundsätzlich auf dem richtigen Weg ist.

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