Medienbericht

Land will Kommunen in NRW mehr Geflüchtete direkt zuweisen

Grund: Der Ausbau der Landeseinrichtungen läuft laut Ministerium nicht so schnell wie erwartet. In vielen Rathäusern soll der Plan Verärgerung ausgelöst haben.

In vielen Rathäusern hat der Plan von NRW-Flüchtlingsministerin Josefine Paul (Grüne) Ärger ausgelöst. | © Roland Weihrauch

16.08.2023 | 16.08.2023, 11:52

Essen/Düsseldorf (epd). Die Kapazitäten der Erstaufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge in NRW sind ausgelastet und zum Teil überbelegt. Da der Ausbau der Landeseinrichtungen nicht schnell genug vorgeht, weist die NRW-Landesregierung vorzeitig Flüchtlinge mit „guter Bleibeperspektive“ den Kommunen zu.

„Die konstant hohe Zahl der Zuzüge stellen eine große Herausforderung für Länder und vor allem Kommunen dar“, sagte eine Sprecherin des Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration dem Evangelischen Pressedienst. „Um die Aufnahmefähigkeit des Landessystems zu erhalten, müssen wir schon zum jetzigen Zeitpunkt vorzeitige Zuweisungen von Geflüchteten aus den Landeseinrichtungen in die Kommunen vornehmen“, heißt es in einer E-Mail der zuständigen Fachabteilung, die dem epd vorliegt. Zunächst hatte die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ (Mittwoch) berichtet.

Konkret geht es dem Schreiben zufolge um rund 1.500 Geflüchtete, die dann in spätestens 14 Tagen von den Städten untergebracht werden müssten. Dabei handle es sich um Menschen, deren Antragstellung und Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits abgeschlossen sei. Vorzeitige Zuweisungen bezögen sich auf spezielle Gruppen, insbesondere Familien, aber auch Personen, deren gesetzliche Wohnsitzverpflichtung in der Landeseinrichtung abgelaufen sei, erklärte die Ministeriumssprecherin. „Darunter sind ausdrücklich keine Menschen, die hier keine Bleibeperspektive haben.“ Es geht der E-Mail zufolge nur um solche Menschen, die eine hohe Wahrscheinlichkeit haben, eine Anerkennung als Schutzberechtigte zu erlangen oder die eine „gute Bleibeperspektive“ haben.

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Das Ministerium habe bereits in der vergangenen Woche den Kommunalen Spitzenverbände (KSV) die genannten Schritte mündlich angekündigt, worauf dann die E-Mail von Fachebene zu Fachebene erfolgt sei, erklärte die Sprecherin. Die Spitzenverbände seien darum gebeten worden, diese Informationen ihren Mitgliedern weiterzugeben, um Transparenz herzustellen.

Verärgerung in den Rathäusern

In vielen Rathäusern hat der Plan laut WAZ Verärgerung ausgelöst. „Die Ankündigung der Landesregierung ist eine Bankrotterklärung mit Ansage“, sagte SPD-Fraktionsvize im Landtag, Lisa-Kristin Kapteinat, auf Anfrage der Zeitung. Zudem drücke sich darin eine „fehlende Wertschätzung gegenüber den Kommunen und auch den Bürgerinnen und Bürgern“ aus. Die Kommunen werfen dem Land ineffiziente Verfahren und geringe Flexibilität im Umgang mit Unterbringungsstandards für geflüchtete Personen vor.

Der Städte- und Gemeindebund in NRW erklärte: „Angesichts dieser sich zuspitzenden Lage werden die kommunalen Spitzenverbände gegenüber der Landesregierung den Erwartungen zum zügigen Ausbau der Landeseinrichtungen und einer deutlichen Verbesserung der Flüchtlingsfinanzierung insbesondere im Hinblick auf die Vorhaltekosten noch einmal mehr Nachdruck verleihen.“

NRW-Ministerium zeigt auf den Bund

Die Sprecherin des Ministeriums teilte mit, dass der Bund „nun endlich tätig werden“ müsse, wenn es um Unterstützung vor Ort und tragfähige Instrumente der Steuerung gehe: „Doch bisher verliert sich der Bund in Scheindebatten, während sich die Lage in Ländern und Kommunen zuspitzt.“

„Das Land ist bestrebt, die Kommunen weiter durch den Ausbau der Landesunterbringung zu entlasten, ist dabei gleichwohl auch bei der Schaffung weiterer Landeskapazitäten auf die Kooperation mit den Kommunen angewiesen“, betonte die Sprecherin. Dafür setze es auf einen „engen Austausch“ mit den Kommunalen Spitzenverbänden und den jeweiligen örtlichen Verantwortungsträgern. „Dabei nimmt das Land alle Möglichkeiten zur Schaffung weiterer Kapazitäten, also auch kleinere Liegenschaften oder Freiflächen in den Blick, um neue Plätze zu schaffen“, teilte die Sprecherin mit. Die Bezirksregierungen prüften zurzeit mehr als 40 Liegenschaften