Bielefeld. Flüchtige Beobachter hätten die beiden Angeklagten vielleicht für tragische Opfer der eigenen Geschäftsidee gehalten. Denn den größten Schaden trugen sie am Ende selbst davon. Beide verloren ihre privaten Vermögen und ihre beruflichen Perspektiven. Sie waren ruiniert. Der erste, dessen Konten schon vor dem Prozess leer waren, war Walter A. aus dem münsterländischen Lüdinghausen - der Urheber des Betrugs.
In wenigen Jahren seien mehr als 4.400 Kleinanleger geschädigt worden, stellte die 1. große Strafkammer des Bielefelder Landgerichts unter Vorsitz von Richter Udo Schild fest. Die Anleger hatten den Versprechungen der Angeklagten geglaubt und mehr als 133 Millionen D-Mark für den Kauf zweifelhafter Campingplatz-Parzellen aufs Spiel gesetzt. Der Fall ist nun Thema in einer neuen Episode von OstwestFälle.
Es war einer der größten Fälle von Wirtschaftskriminalität in OWL: Die fünf in die Finanzierung verwickelten Kreditinstitute - auch einige Banker mussten sich später vor Gericht verantworten - blieben auf Verlusten von gut 120 Millionen Mark sitzen. Ein "immenser wirtschaftlicher Schaden", befanden die Richter (Az.: 1 KLs 6 JS 201/94 (L 1/96 I)).
Schneeballsystem auf maroden Campingplätzen - Alle Fakten im Überblick
- Walter A. hatte ab dem Ende der 1980er Jahre Campingplätze erworben, um die Plätze parzellenweise an Kleinanleger weiterzuverkaufen.
- Um die Käufe der Plätze kümmerte sich die Firma "Fundus" von A. Für den Vertrieb der Parzellen (Stellplätze) war die Firma CAS seines Partners Alfred O. verantwortlich.
- Es entstanden zunächst hohe Einnahmen durch die Kaufpreiszahlungen der Anleger. Im Gegenzug verpflichtete sich die Firma Fundus zu Pachtzahlungen und Aufwendungszuschüssen.
- Die Einnahmen aus dem Betrieb der Campingplätze reichten jedoch nicht aus, um die versprochenen Zahlungen an die Kleinanleger aufzubringen. A. und O. versuchten, das Geld durch immer neue Campingplatzverkäufe zu erwirtschaften.
- Da die Liquidität der Firma Fundus wegen der geringen Erlöse aus dem Betrieb der Campingplätze jedoch immer knapper wurde und die Drahtzieher des Schneeballsystems den Forderungen der Anleger immer nachlässiger nachkamen, flog das Ganze auf.
- Die Kleinanleger hatten die Parzellenkäufe meist mit Krediten finanziert und wurden so in Mitleidenschaft gezogen.
- Am 20. November 1997 wurden die beiden Hauptbeschuldigten zu Freiheitsstrafen von sechs und acht Jahren veruteilt.
Was ursprünglich als Win-Win-Situation geplant war, schlug fehl
Der gelernte Versicherungskaufmann Walter A., der sich als emsiger Arbeiter darstellte, der seine Pläne "mit penibler Genauigkeit" in die Tat umsetzt, hatte sich schon als junger Mann in den 60er Jahren selbstständig gemacht. Er vermittelte Versicherungen, Finanzierungen und Immobilien - mit bescheidenem Erfolg. Ende der 80er Jahre aber hatte er eine Geschäftsidee, die ihm als Ei des Kolumbus erschien.
A. wollte komplette Campingplätze kaufen, parzellieren und die einzelnen Stellplätze zu völlig überhöhten Preisen versilbern. Den Anlegern versprach er ein verblüffendes Geschäft: Der Angeklagte pachtete alle Parzellen zurück, um den Campingplatz selbst betreiben zu können, und er bot dafür einen Pachtzins, der Zins und Tilgung fast vollständig decken sollte.
Innerhalb von 15 Jahren sollten die Anleger so zu Eigentümern einer unbelasteten kleinen Immobilie werden, ohne dafür etwas gezahlt zu haben. Walter A. wollte das Geld für die Pacht aus dem Betrieb erwirtschaften. Die perfekte Win-win-Situation. Aber er hatte sich völlig verrechnet.
Drahtzieher benötigte zunächst einen Geschäftspartner
Für seine Immobiliengeschäfte hatte Walter A. bereits 1983 die Firma Fundus gegründet, die auch die Campingplätze übernahm. Doch jetzt brauchte er noch Partner, die Tausende Campingplatz-Parzellen für ihn vertreiben könnten. Er selbst hielt sich nicht für einen Verkäufertypen.
Ein zunächst eingeschalteter Geschäftspartner, den er noch aus den 70er Jahren kannte, erzielte nur mäßige Erfolge. Überzeugende Verkaufszahlen verbuchte erst der Gütersloher Alfred O., der seine Firma CAS (Capital Anlage-Service) einsetzte - eine damals bereits etablierte Vertriebsfirma mit mehr als 1.000 Mitarbeitern.
Preise bis zu 27.000 D-Mark für Camping-Parzellen
Ein typischer Verkauf sah so aus: 1989 hatte die Firma Fundus etwa einen Campingplatz an der Schlei in Schleswig-Holstein für rund 1,9 Millionen D-Mark erworben. Dann wurden auf dem 47.390 Quadratmeter großen Gelände 271 Parzellen eingeplant. Zu Preisen von 22.000 bis 27.000 D-Mark (bei Ertragswerten von nur rund 10.000 D-Mark) konnten die Anleger nun das exklusive Nutzungsrecht an einer der Parzellen sowie Miteigentumsanteile erwerben, die zur Nutzung von Sanitäranlagen, Gastronomie und anderen Einrichtungen berechtigten.
Für 201 verkaufte Anteile kamen bis April 1992 Erlöse in Höhe von 4,75 Millionen D-Mark zusammen. Im Gegenzug verpflichtete die Firma Fundus sich gegenüber den Kleinanlegern zu Pachtzahlungen plus "Aufwendungszuschüssen": Für den kompletten Campingplatz musste Fundus so monatlich 57.000 D-Mark zahlen - also 684.000 D-Mark pro Jahr.
Die Haupttäter A. und O. hatten unterschiedliche Lebensstile
Während Walter A. sich im Prozess als Mann mit einem "normal-durchschnittlichen Lebensbedarf" zeigte, der fast all sein Geld in seine Geschäfte investierte, lebte Alfred O. nicht ganz so bescheiden. Anfang der 90er Jahre habe der Gütersloher Jahreseinkommen von rund drei Millionen Mark erzielt und einen "vergleichsweise aufwendigen Lebensstil" gepflegt, fanden die Richter heraus. Der studierte Architekt hatte sich nach dem Examen zudem zum Baufinanzierungsexperten ausbilden lassen - O. war in Immobilienfragen höchst qualifiziert.
Die im Laufe der Zeit zunehmenden Warnungen auch aus der eigenen Belegschaft, dass das Campingplatzmodell nicht lange funktionieren könne, hätte er leichthin prüfen können. Doch mit seiner Autorität als Chef von CAS kehrte er alle Bedenken unter den Teppich. Sein Unternehmen, das - wie bei sogenannten Strukturvertrieben üblich - auf hierarchisch abgestufte Provisionen setzte, von denen die ranghöchsten Mitarbeiter am stärksten profitierten, machte gute Umsätze mit den Fundus-Campingplätzen. Die Mitarbeiter hatten in Schulungen gelernt, wie man Interessenten "suggestiv überrumpelt", und sie waren trainiert worden, die Einwände zögernder Anleger zu entkräften.
Ganz ähnlich versicherte Alfred O. den eigenen Leuten, dass die Investitionen profitabel, risikolos und von ihm selbst geprüft seien. In Wahrheit hatte O. vom Fundus-Chef A. nur magere Informationen etwa über die Wirtschaftlichkeit der Campingplätze bekommen. A. hatte sich die Zahlen, die er nannte, nur ausgedacht - er wusste selbst über die Ertragslage der Ferienanlagen nicht Bescheid.
Umsatzzahlen waren Walter A. nicht bekannt
Im Prozess bekannte Walter A., dass er von keinem der insgesamt 22 parzellierten Campingplätze genaue Umsatzzahlen kannte. Und er fragte auch nie nach. Er hoffte zwar, dass die Einnahmen aus dem Betrieb der Plätze ausreichen würden, um die wachsenden Verpflichtungen zu Pachtzahlungen an die Anleger aufzubringen - aber er spürte auch "Zweifel" und "Beklemmungen". Er hatte das flaue Gefühl, "sich aufs Glatteis zu begeben", wie er den Richtern gestand.
Allerdings gab es schon früh Hinweise für aufkommende Probleme: Die Campingplätze brachten nach Abzug der Kosten nur einen Bruchteil dessen ein, was zur Zahlung der Verpflichtungen nötig gewesen wäre. Ein Grund war, dass die Attraktivität der Campingplätze nicht stimmte und fällige Investitionen für die Firma Fundus nicht bezahlbar waren.
Gleich den ersten, 1988 in Bad Bentheim erworbenen Platz hatte Walter A. selbst als "nicht tragbar" mit seinen "miesen" Sanitäranlagen bezeichnet. Es gab Plätze mit Erweiterungsflächen, die über das Stadium von Kuhweiden kaum hinauskamen. Und auf dem Platz "Heidwinkel" haperte es an Einnahmen, weil der Betrieb längst eingestellt worden war.
Das Geld wurde immer knapper
Ob die Angeklagten die Katastrophe kommen sahen? Auf den Konten von Walter A. und seiner Firma Fundus wurde das Geld immer knapper. Der Angeklagte A. war auf immer neue Einnahmen aus Parzellenverkäufen angewiesen, um seine Firma vor dem Zusammenbruch zu bewahren. Alle Beteiligten mussten wissen, dass sie ein Schneeballsystem geschaffen hatten: Der Angeklagte A. ebenso wie CAS-Chef O..
Aber auch die beteiligten Banken, unter denen die Dresdner Bank eine zentrale Rolle spielte, schöpften Verdacht - doch sie hielten still. CAS-Mitarbeiter beschwerten sich zwar über Zahlungsverzögerungen, über die sich die Kleinanleger ihnen gegenüber beklagten. Einen zeitweiligen Stopp der Verkaufsbemühungen gab es aber erst Ende 1993.
Am Ende konnten selbst Neuverkäufe nicht mehr genügend Geld hereinspülen. Als auch das Finanzamt Forderungen stellte, platzte das System. Fundus stellte seine Zahlungen an die Anleger im August 1994 endgültig ein. A. wurde im September verhaftet, nachdem seine Partner von CAS selbst eine Strafanzeige erstattet hatten - aber für CAS war dies nicht die Rettung. Im Oktober meldete Fundus Konkurs an, im November 1994 wurde auch CAS-Chef O. in Haft genommen.
Freiheitsstrafen für die Angeklagten verzeichneten das Ende
Am 20. November 1997 wurden die beiden Hauptbeschuldigten zu Freiheitsstrafen von acht und sechs Jahren verurteilt. Die meisten Kunden kamen jeweils mit Verlusten von einigen tausend D-Mark davon, während die fünf beteiligten Banken nach Vergleichsverhandlungen den Löwenanteil des Schadens - über 120 Millionen D-Mark - tragen mussten. Und die Campingplätze? Viele sind noch am Markt. Einige machen auf ihren Webseiten einen tadellosen Eindruck.
INFORMATION
Ein Campingplatz an der Schlei
Ein typischer Verkauf sah so aus: 1989 hatte die Firma Fundus etwa einen Campingplatz an der Schlei in Schleswig-Holstein für rund 1,9 Millionen D-Mark erworben. Dann wurden auf dem 47.390 Quadratmeter großen Gelände 271 Parzellen eingeplant. Zu Preisen von 22.000 bis 27.000 D-Mark - dem Doppelten und Dreifachen des Ertragswertes - konnten die Anleger nun eine der Parzellen und das Recht zur Nutzung von Sanitäranlagen und anderen Einrichtungen erwerben. Für 201 verkaufte Miteigentumsanteile kamen bis April 1992 Erlöse von 4,75 Millionen D-Mark zusammen. Im Gegenzug verpflichtete die Firma Fundus sich gegenüber den Kleinanlegern zu Pachtzahlungen plus "Aufwendungszuschüssen": Für den kompletten Campingplatz musste Fundus so 684.000 D-Mark pro Jahr zahlen.