Streit um Hausbesuche: Warum Ärzte seltener kommen

Berlin/Beverungen. Patientenschützer in Deutschland sind besorgt: Innerhalb von zehn Jahren sei die Zahl von Hausbesuchen um 25 Prozent zurückgegangen. Viele Ärzte seien schlicht nicht mehr zu Hausbesuchen bereit, beklagt die Deutsche Stiftung Patientenschutz. Das gefährde alte und immobile Patienten. Stiftungsvorstand Eugen Brysch fordert deshalb ein Einschreiten von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Ärzte wehren sich gegen die Kritik und verweisen auf die lückenhafte Statistik. Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) bestätigt, dass die Zahl der Hausbesuche seit Jahren kontinuierlich sinkt. &bdquo;Das bedeutet aber nicht, dass sich die Versorgung der Patienten verschlechtert hat“, erklärt eine Sprecherin der KBV. &bdquo;Zum einen bieten immer mehr Ärzte auch telemedizinische Beratungen an. Zum anderen fehlen in der Statistik alle Hausbesuche bei Patienten, die Teil der hausarztzentrierten Versorgung sind und einen Hausärztevertrag unterschrieben haben.“ Auch die Hausbesuche von nicht-ärztlichen Praxisassistenten seien nicht Teil der Statistik. So investieren nach Angaben der KBV immer mehr Ärzte in die Weiterbildung ihrer Praxisteams. Am bekanntesten sind die Weiterbildungsangebote für medizinische Fachangestellte zu entlastenden Versorgungsassistentinnen (Eva) oder zu Versorgungsassistentinnen in Hausarztpraxen (Verah), die unter Anleitung unter anderem Hausbesuche von Ärzten übernehmen. Ärzte delegieren Hausbesuche an Mitarbeiterinnen Trotz dieser Unterstützung sind Hausbesuche nach Angaben des Hausärzteverbands Westfalen-Lippe für Mediziner weiterhin selbstverständlich. &bdquo;Darauf können sich Patienten verlassen. Ich kenne niemanden, der immobilen oder kranken Patienten Hausbesuche verweigert“, erklärt der dritte Vorsitzende des Verbands, Jens Grothues. &bdquo;Doch in unserer älter werdenden Gesellschaft, mit steigendem Patientenaufkommen und begrenzten Ressourcen, müssen Ärzte Aufgaben an qualifizierte Mitarbeiter delegieren.“ Anfangs habe das Patienten irritiert, sagt der Hausarzt aus Beverungen im Kreis Höxter. &bdquo;Doch inzwischen sind die Patienten froh, dass sie nicht nur regelmäßig den Arzt sehen, sondern auch die qualifizierten Mitarbeiterinnen, die in der Regel auch mehr Zeit für die Patienten haben.“ In den meisten Fällen übernehmen die Mitarbeiterinnen laut Grothues Routinebesuche. &bdquo;Dabei geht es häufig nicht um akute medizinische Probleme, sondern um das Überprüfen von Werten, aber auch des sozialen Umfeldes und der Wohnsituation sowie Beratung.“ Und jeder Hausbesuch seiner Mitarbeiterinnen werde besprochen. &bdquo;Ich weiß als Arzt also immer, wie es meinen Patienten geht.“ Die Vorwürfe der Patientenschützer bewertet der Allgemeinmediziner als Frechheit. &bdquo;Es ist richtig, dass Ärzte seltener Hausbesuche anbieten, aber wir haben Alternativen geschaffen.“ Zudem sei ein Hausbesuch nicht immer das beste Mittel der Wahl. &bdquo;In der Praxis kann ich auf deutlich mehr Technik für eine bestmögliche Diagnostik zurückgreifen.“ Patienten haben einen gesetzlichen Anspruch auf Hausbesuche In Deutschland regelt das Sozialgesetzbuch, dass Patienten Anspruch auf einen Hausbesuch haben, wenn sie ihren Arzt aus gesundheitlichen Gründen nicht aufsuchen können, eine medizinische Behandlung aber nötig ist. Grothues erlebt in seiner Praxis jedoch immer wieder Patienten, die anrufen, ihr Problem schildern und einen Hausbesuch verlangen. &bdquo;Und das, obwohl ein Hausbesuch in den meisten Fällen gar nicht nötig ist.“ Der Hausarzt kritisiert dieses gestiegene Anspruchsdenken. &bdquo;Das ist die Folge, wenn die Politik Bürgern suggeriert, dass sie 24 Stunden am Tag Anspruch auf alle Leistungen im Gesundheitssystem haben, obwohl das System das nicht leisten kann.“ Grothues kritisiert zudem, dass Hausbesuche schlecht vergütet werden. Die KBV fordert bereits seit Jahren eine Anpassung. &bdquo;Aktuell können Ärzte für Hausbesuche nur etwa 23 Euro zusätzlich abrechnen. Das ist zu wenig“, moniert die KBV-Sprecherin. Gesundheitsexperten sehen jedoch auch die Kassenärztlichen Vereinigungen in der Pflicht, da es immer wieder vorkommt, dass Mediziner Rückzahlungen in Höhe von bis zu sechsstelligen Summen leisten müssen, wenn sie im Vergleich zum Landesdurchschnitt zu viele Hausbesuche machen. So müssen die Kassenärztlichen Vereinigungen sowie die Krankenkassen die Wirtschaftlichkeit ärztlicher Leistungen nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums zwar prüfen, doch die konkrete Ausgestaltung obliegt der alleinigen Verantwortung der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung mit den Krankenkassen.

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