Magenverkleinerung: Patienten aus OWL machen sich auf gefährliche Reise

Bielefeld/Ankara. Volles Haar, glatte Stirn oder ein praller Po: Jährlich reisen Hunderttausende Menschen aus aller Welt für Schönheitseingriffe in die Türkei. Zwei Milliarden Euro bringt der sogenannte Gesundheitstourismus dem Land jedes Jahr ein – und der Markt wächst. Inzwischen reisen Männer und Frauen allerdings auch für Magenverkleinerungen dorthin. Anbieter werben mit All-inclusive-Paketen ab 2.000 Euro, die zur Wunschfigur führen sollen. Doch die Angebote bergen Risiken. In der Adipositas Klinik im Klinikum Bielefeld stellen sich nach Operationen in der Türkei immer mehr Patienten mit schweren gesundheitlichen Problemen vor. &bdquo;Viele leiden an schwerwiegenden Mangelerscheinungen und müssen dringend behandelt werden“, erklärt Carolina Pape-Köhler. Sie ist neben Beate Herbig eine der beiden Chefärztinnen. In ihrer Sprechstunde erleben sie diese Fälle inzwischen wöchentlich. Auch in der Notaufnahme landen Patienten nach Operationen in der Türkei. &bdquo;Wir mussten gerade eine Patientin stationär aufnehmen, weil sie sich immer wieder erbrechen musste und nichts zu sich nehmen konnte.“ Auch psychisch ging es der Patientin nach Angaben Pape-Köhlers sehr schlecht. &bdquo;Weil ihr Hausarzt sie nicht behandeln wollte und die Ärzte in der Türkei sagten, dass sie zurückkommen soll. Dazu war sie aber gar nicht mehr in der Lage.“ Dieses Beispiel zeigt nach Angaben der Ärztinnen exemplarisch, wie gefährlich Eingriffe im Ausland sein können. &bdquo;Eine Magenverkleinerung kann Teil einer Adipositas-Behandlung sein, die dazu aus Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie besteht, damit Patienten Gewicht verlieren und ihr erreichtes Gewicht langfristig halten“, erklärt Pape-Köhler. Dafür seien jedoch eine gute Vorbereitung und eine dauerhafte Betreuung nach dem Eingriff nötig. In Deutschland fehlen Betroffenen nach der OP in der Türkei die Anlaufstellen &bdquo;Zudem müssen sich Adipositas-Patienten intensiv damit auseinandersetzen, dass sie an einer chronischen Krankheit leiden, die nicht heilbar ist und selbst nach einer Operation lebenslang mit ausgewogener Ernährung und ausreichend Bewegung in Schach gehalten werden muss.“ In der Türkei ist all das laut Pape-Köhler jedoch in den meisten Fällen nicht gegeben, denn die All-inclusive-Angebote umfassten oft nicht mal eine Woche Aufenthalt in der Türkei. So bleibe keine Zeit für eine ausreichende Vorbereitung und Betreuung auf dem langen Weg nach einer Magenverkleinerung. In Deutschland treffen die sogenannten Gesundheitstouristen aus der Türkei nach Angaben Herbigs dann auf ein Gesundheitssystem, das nicht auf sie vorbereitet ist. &bdquo;Es fehlt an ambulanten Anlaufstellen und nicht immer wissen Hausärzte mit diesen spezifischen Problemen umzugehen. Manchmal finden sich auch heute noch Unwissenheit und Vorurteile, denn übergewichtige Menschen gelten oft auch bei Ärzten noch hauptsächlich als willensschwach.“ Viele Hausärzte schicken Patienten laut Herbig deshalb in Fachkliniken, die wiederum für die ambulante Versorgung gar nicht zuständig und zugelassen sind. &bdquo;Wir helfen den Patienten dann, doch oft kommen sie erst, wenn es ihnen bereits sehr schlecht geht.“ Das Fehlen fester Ansprechpartner führe dazu, dass Patienten nicht ausreichend überwacht und bei Problemen nicht rechtzeitig versorgt werden. Trotz dieser Risiken entscheiden sich immer mehr Übergewichtige für Magenverkleinerungen in der Türkei, obwohl die Kosten dafür in Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen von den Krankenkassen getragen werden. &bdquo;Es sind vor allem junge Frauen aus türkischen Familien, die stark durch die Schönheitsideale in sozialen Netzwerken wie Instagram beeinflusst sind“, erklärt Herbig. Anders als in Deutschland, dürfen Ärzte in der Türkei für Operationen aller Art werben, auch mit Vorher-Nachher-Bildern, die angeblich Adipositas-Patienten zeigen, die nach Magenverkleinerungen extrem an Gewicht verloren haben. Magenverkleinerungen gelten inzwischen als Schönheitseingriff &bdquo;Es geht dabei um Schönheit und nicht um Gesundheit, obwohl eine Magenverkleinerung keine Schönheitsoperation ist, sondern Teil einer Therapie, um Adipositas zu behandeln, Folgeerkrankungen wie Diabetes zu verhindern und die Lebenserwartung zu steigern“, sagt Herbig. Da Magenverkleinerungen jedoch inzwischen vielfach als Schönheitseingriff gelten, reisen nach Angaben der Chirurgin auch Menschen in die Türkei, die in Deutschland aufgrund ihres zu geringen Körpergewichts nicht operiert werden würden. &bdquo;In Deutschland gibt es klare Vorgaben, wann Ärzte Adipositas-Patienten eine Operation empfehlen und wann die Krankenkassen die Kosten dafür tragen“, erklärt Pape-Köhler. Patienten müssen eine sechsmonatige Basistherapie absolvieren. Zudem muss der Body-Mass-Index (BMI), der sich aus dem Verhältnis von Körpergröße zum Körpergewicht errechnet, mindestens bei 40 liegen. &bdquo;Möglich sind Operationen auch schon bei einem BMI von 35, wenn bereits Folgeerkrankungen wie Diabetes bestehen.“ In der Türkei werden nach Angaben der Chirurgin jedoch auch Patienten mit deutlich geringerem Übergewicht operiert. Die Voraussetzungen für Magenverkleinerungen in Deutschland sowie die Kostenübernahme sind nach der Erfahrung der Ärztinnen vielen Patienten jedoch nicht bekannt. &bdquo;Sie wissen nicht, dass es in Deutschland inzwischen flächendeckend Fachkliniken gibt, die helfen können. Auch in OWL“, sagt Pape-Köhler. &bdquo;Es ist also gar nicht nötig, die Risiken und die Kosten für einen Eingriff in der Türkei auf sich zu nehmen.“ Doch es gibt auch informierte Patienten, die sich trotzdem für die Türkei entscheiden. &bdquo;Es herrscht der Irrglaube, dass die Krankenkassen die Eingriffe reihenweise ablehnen, doch das ist nicht mehr der Fall. Wenn eine Operation medizinisch korrekt begründet ist, werden die Kosten von den Krankenkassen übernommen."

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