Mordfall Karsten Gieseking: Warum musste der Petershäger sterben?

Kreis Minden-Lübbecke. Es ist der 5. August 2005 in Petershagen: Karsten Gieseking verabschiedet sich gegen 23 Uhr von seiner Freundin. Er müsse noch mal für eine Stunde weg. Es ist das letzte Lebenszeichen des 28-Jährigen. Zehn Tage später macht ein Sportbootfahrer im Schleusenkanal in Petershagen-Windheim einen grausigen Fund. Eine Leiche, eingewickelt in Maschendraht, treibt im Wasser. Es ist Karsten Gieseking. Mit zwei Kopfschüssen wurde der Mann getötet. Die Mordkommission &bdquo;Kanal" nimmt die Ermittlungen auf. Schnell zeigt sich: Eine weiße Weste hatte der Tote zu Lebzeiten nicht. Die Polizei findet eine Spur zu einer Diebesbande, die seit Juli 2004 aktiv ist. Eines der Mitglieder: Karsten Gieseking. Zusammen mit Dominic S. aus Bielefeld, Christoph W. aus Bad Oeynhausen und seinem 20-jährigen Halbbruder David H. aus Minden (alle Namen sind redaktionell geändert), soll er bis kurz vor seinem Tod Einbruchdiebstähle in Ostwestfalen, Hessen und Niedersachsen begangen haben. Der Fall ist nun Thema in einer neuen Episode von "OstwestFälle - dem True-Crime-Podcast der Neuen Westfälischen". Die Fakten zum Mord an Karsten Gieseking im Überblick: Karsten Gieseking wird am 5. August 2005 das letzte Mal lebend gesehen. Zehn Tage später wird seine Leiche im Weserkanal in Petershagen gefunden. Die Polizei findet auf der Suche nach dem Mörder heraus, dass Gieseking Mitglied einer Einbrecherbande war. Schnell fällt der Verdacht auf die Mitglieder Dominic S., Christoph W. und David H. 2006 werden die drei Bandenmitglieder wegen der zahlreichen Einbrüche verurteilt. Christoph W. erhält die höchste Strafe – sechs Jahre und neun Monate Haft. Nachdem ein Mithäftling W.s neue Details verrät, werden Christoph W. und Dominic S. 2008 schließlich wegen Mordes an Karsten Gieseking angeklagt. Dominic S. hat ein Alibi, Christoph W. nicht. Er wird wegen Mordes an Gieseking zu lebenslanger Haft verurteilt. Er beteuert bis heute seine Unschuld. Die Ermittler sind sich sicher: Der Mörder ist unter seinen Komplizen zu finden. Die sind schnell gefasst. Im September wird Christoph W. auf dem Parkplatz einer Apotheke in Bad Oeynhausen festgenommen, Dominic S. folgt wenige Tage später. Beide kommen in Untersuchungshaft. Auch den Halbbruder Giesekings machen die Beamten ausfindig. Besonders einer gerät wegen seiner Vergangenheit schnell ins Visier der Ermittler. Christoph W. gilt als &bdquo;intellektueller Kopf der Einbrecherbande". Der Ex-Reserveoffiziersanwärter beim Mindener Pionierbataillon 110 kennt sich bestens mit Waffen aus. Im Jahr 1986 hatte er nachts die Waffenkammer der Moritz-von-Nassau-Kaserne in Emmerich überfallen. 1990 wurde er deswegen zu fünf Jahren und vier Monaten Haft verurteilt. Einbrecherbande trickst: Die Angeklagten sind keine Amateure Doch zunächst soll es nicht um den Mordfall gehen. Im März 2006 wird den Einbrechern der Prozess gemacht: Ihnen werden insgesamt elf Einbruchdiebstähle vorgeworfen. Während der Verhandlungen wird klar, dass es sich bei den Angeklagten keinesfalls um Amateure handelt. Während der Einbrüche ließen sie ihre Handys eingeschaltet zu Hause, um ihre Alibis zu untermauern. Die Kommunikation verläuft über Walkie-Talkies. Die Fahrzeuge beschafft Gieseking aus seiner Autovermietung. Auch der Audi A4, mit dem er verschwunden ist und der drei Monate nach Auffinden der Leiche im Flussbett der Weser gefunden wird, ist ein Firmenwagen. Die vier brachen in Firmengebäude ein und stahlen unter anderem hochwertige Reitsportartikel, Motorsägen, Gartenmöbel und Autoreifen. Insgesamt erbeuteten sie Waren im Wert von 225.000 Euro. Gieseking sei es gewesen, der die Beute dann zu Geld machte. In den Zeugenaussagen werden die Charaktere der Angeklagten deutlich, was auch für den späteren Mordprozess entscheidend sein wird. So sei Gieseking ein redseliger Typ gewesen, was ihn möglicherweise das Leben gekostet habe. Auch seine Witwe, mit der er allerdings nicht mehr zusammenlebte, äußert sich später vor Gericht. Der Verdacht, dass ein Bandenmitglied Gieseking ermordet hat, erhärtet sich. Sie lässt durchblicken, dass sie Christoph W. für gefährlich hält. So antwortet sie auf die Frage: &bdquo;Meinen Sie, dass Herr W. jemand ist, dessen Unmut man sich nicht zuziehen sollte?", mit: &bdquo;Richtig." Den entscheidenden Hinweis zum Mordfall liefert ein Mithäftling Nach einem dreimonatigen Prozess werden die drei Angeklagten verurteilt, zwei von ihnen zu Haftstrafen. David H. erhält für zehn Einbrüche eine zweijährige Jugendstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Er hat ein umfassendes Geständnis abgelegt und seine Mittäter erheblich belastet. Dem Bielefelder Dominic S. werden drei Einbrüche zur Last gelegt. Er wird zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Da er nur bei zwei Einbrüchen zugibt, dabei gewesen zu sein, steht eine Bewährungsstrafe nicht zur Debatte, sagt der Vorsitzende. Christoph W. trifft es am härtesten. Wegen schweren Bandendiebstahls in zehn Fällen, von denen er ebenfalls nur zwei zugibt, erhält er eine Haftstrafe von sechs Jahren und neun Monaten. Außerdem steht er nach wie vor unter dringendem Tatverdacht, seinen Komplizen Gieseking ermordet zu haben. Die Mordkommission hat in der Zwischenzeit 800 Spuren verfolgt und 1.200 Zeugen vernommen. Wer hat Karsten Gieseking erschossen? Das letzte entscheidende Puzzleteil liefert ein Mithäftling von Christoph W. Im Gefängnis soll dieser sich Jürgen L. (Name geändert) anvertraut haben. Offenbar hat er den Mord vor seinem Mithäftling gestanden. Zwei Jahre nach ihrer Verurteilung wegen der Einbruchsserie werden Christoph W. und Dominic S. schließlich wegen Mordes an Karsten Gieseking angeklagt. Ein Angeklagter hat ein Alibi für den Tatabend Laut Jürgen L. hat sich der Mordfall wie folgt zugetragen: Das Opfer habe Geld verlangt, um seine Schulden bezahlen zu können. Andernfalls drohe er auszupacken. Dieses &bdquo;Sicherheitsrisiko" hätten seine Komplizen am 5. August schließlich beseitigt. Dominic S. soll Gieseking unter dem Vorwand eines weiteren Einbruchs zu einem Schießstand in Petershagen-Windheim gelockt haben. Dort soll Christoph W. ihn mit einer Pistole erschossen haben. &bdquo;Ich habe den Nichtsnutz hingerichtet", habe W. zu L. gesagt. Das Gericht glaubt dem Gefängnisinsassen, denn er weiß Details, die bis dahin nie an die Öffentlichkeit gelangt waren. Aber haben die Mitglieder der Diebesbande ihren Komplizen wirklich ermordet? Dominic S. hat ein Alibi für den Tatabend, welches nicht zu widerlegen ist. Seine Anklage wird fallen gelassen. Auch Christoph W. beteuert seine Unschuld, verliest sogar eine 50-seitige Erklärung. Ws. Verteidiger stellt viele neue Beweisanträge, jedoch ohne Erfolg. Nach 24 Verhandlungstagen wird W. wegen Mordes unter Feststellung der besonderen Schwere der Schuld zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Danach wird es still um den Mordfall, bis Ex-Polizeikommissar und Autor Tim K. aus dem Kreis Lippe eine steile These aufstellt. Er denkt, dass ein Unschuldiger wegen Mordes verurteilt wurde. Tim K. ist in OWL kein Unbekannter. Der Rocker-Chef der Gruppe Brothers Guard MC in Horn-Bad Meinberg wird von den Behörden der rechtsextremistischen Szene zugeordnet. Anonymes Schreiben macht Andeutungen Wegen seiner Verbindungen zu den Hells Angels verlor er seinen Job, ging sogar ins Gefängnis. Seitdem schrieb er mehrere Bücher, teils autobiografisch, und hetzt auf seinem eigenen Youtube-Kanal gegen Geflüchtete, Politiker und die Medien. In seinem 2015 erschienenen Werk "Vergeltung - Rache verjährt nicht” behauptet K., dass der wahre Mörder bei der Polizei zu finden ist und nennt sogar einen Namen. Ein anonymes Schreiben an die Polizei zum Mordfall deutet darauf hin, dass dieser Polizist ebenfalls Mitglied dieser Diebesbande gewesen sei. Der habe kein Alibi für die Tatnacht und sei für seine Kaltblütigkeit bekannt. Doch die Bielefelder Staatsanwaltschaft setzt keine neuen Ermittlungen an. Christoph W. aus Bad Oeynhausen bleibt in Haft. Er hat die Tat bis heute nicht gestanden und sitzt seine Haftstrafe ab.

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