Sicherheitsbehörden trauen mehr als 600 Personen einen Anschlag zu

Bielefeld. Die Sicherheitsbehörden beobachten in Deutschland mehr als 600 Personen, denen Anschläge zugetraut werden – sogenannte Gefährder. Das berichtet eine Sprecherin des Bundeskriminalamtes (BKA) auf Anfrage dieser Redaktion. Ein Experte warnt jedoch gerade vor den Personen, die die Behörden nicht auf dem Radar haben. Exakt 608 sogenannte Gefährder zählt das BKA mit Stand Februar 2023. Unter der Bezeichnung versteht man Personen, zu denen bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen werden, also beispielsweise terroristische Anschläge. 505 Gefährder werden im Bereich der "religiösen Ideologie" verortet, also vor allem Islamisten. Von diesen erfassten Personen seien aktuell 92 in Haft, 203 weitere befinden sich nach Kenntnis der Sicherheitsbehörden im Ausland. 210 Gefährder aus dem Bereich der "religiösen Ideologie" sind also aktuell in Deutschland und in Freiheit. 72 Rechtsextremisten könnten Anschlag begehen Zudem zählen die Behörden 72 Gefährder im Bereich des Rechtsextremismus, neun im Bereich des Linksextremismus und 22 im Bereich der "ausländischen Ideologie". Hierzu zählen etwa Anhänger der "Grauen Wölfe" (türkische Rechtsextremisten) oder der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Neben sogenannten Gefährdern erfassen die Behörden auch "relevante Personen". Darunter fallen Extremisten, die innerhalb der Szene die Rolle einer Führungsperson, eines Unterstützers oder eines Akteurs einnehmen und zu denen Hinweise vorliegen, dass sie politisch motivierte Straftaten oder Anschläge unterstützt oder sich daran beteiligt. Auch Kontakt- oder Begleitperson eines Gefährders oder von Verdächtigen einer terroristischen Tat werden als "Relevante" eingestuft. Im Spektrum des Rechtsextremismus trifft das laut BKA auf 186 Personen zu, in der linksextremen Szene auf 73, im Bereich der religiösen Ideologie auf 504 und im Feld der ausländischen Ideologie auf 45. Terrorismus-Experte Peter Neumann sieht die größte terroristische Gefahr aktuell im Feld des Islamismus und Rechtsextremismus. "Generell ist die Gefahr durch Dschihadisten im Vergleich zu vor einigen Jahren zurückgegangen", sagt der Experte. "Die bestehende Gefahr geht aber vor allem durch Personen aus, die nicht unbedingt von organisierten Gruppen wie dem Islamischen Staat (IS) ausgebildet wurden oder für diesen gekämpft haben, sondern von 'einsamen Wölfen'." Man habe in den vergangenen Jahren mehrfach gesehen, dass diese Personen auch in der Lage sind, tödliche Anschläge zu begehen. "Aber mit durchaus weniger Opfern", sagt Neumann. "Gefahr nicht durch Zahl der Gefährder ableiten" Solche "einsamen Wölfe" seien den Behörden nicht oder nur kaum bekannt. "Sie fliegen unter dem Radar der Behörden, werden beispielsweise nicht als Gefährder erfasst." Solche Personen gebe es neben dem Dschihadismus auch beispielsweise im Rechtsextremismus. "Häufig gab es bei den Personen in der Vergangenheit schon Schnittstellen zur extremistischen Szene, die aber nur temporär waren und teils schon lange zurückliegen. Hinzu kommen häufig psychische Auffälligkeiten", analysiert Neumann. Die Gefahr durch rechtsextreme Anschläge befinde sich laut Neumann derweil auf einem konstanten Niveau. "Das Risiko ist aktuell höher als im islamistischen Bereich", sagt er und betont: "Diese Gefahr lässt sich nicht von der Zahl der Gefährder ableiten." Zudem könne sich die Situation schnell wieder ändern, je nach Ereignislage. "Das Thema Flüchtlinge wird aktuell wieder prominenter, in manchen Regionen ist die Situation brenzlig. Dort kann es zu schweren rechten Gewalttaten kommen." Neumann könne sich zudem auch vorstellen, dass es durch das Milieu der sogenannten Staatsdelegitimierer – die Szene entstand aus den Corona-Protesten – auch zu Anschlägen kommen könne.

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