Mehr als 850 Mitglieder Ermittler warnen: NRW-Rocker wagen sich in neues Milieu vor

Bielefeld. Die Sicherheitsbehörden in NRW warnen davor, dass Konflikte in der Rocker-Szene jederzeit eskalieren können. Die Ermittler besorgt dabei eine neue Entwicklung: Rocker fassen immer öfter Fuß im Kampfsportmilieu. Das berichtet Achim Schmitz, Leiter der Abteilung für Organisierte Kriminalität beim Landeskriminalamt (LKA) in NRW, im Gespräch mit dieser Redaktion. "Wir stellen Rockergruppen mittlerweile auch verstärkt im Kampfsportmilieu fest", sagt Schmitz. "Beispiele dafür sind eigene Kampfsportstudios oder Präsenz bei Kampfsportveranstaltungen." Ein Umstand, der durchaus für Gefahr sorgen kann: Immerhin können Rocker dabei auch für Konfrontationssituationen mit Gegnern oder der Polizei trainieren. Bei entsprechenden Kampfsportevents seien neben Rockern auch weitere Personen aus der Organisierten Kriminalität festzustellen, darunter auch kriminelle Clan-Angehörige. "Die Rocker treten bei Kampfsportveranstaltungen oft als Kämpfer an, begleitet von einem entsprechend großen Rückhalt aus ihren Clubs", so Schmitz weiter. Teilweise kam es bereits zu wüsten Auseinandersetzungen bei solchen Events. Dass Streitereien zwischen Rockerclubs oder anderen Gruppen im Ring bereits geklärt wurden, ist Schmitz nicht bekannt, wie er sagt. "Das ist aber durchaus ein realistisches Szenario." Mehr als 850 Rocker in NRW Nach Informationen der Redaktion, zählen die Sicherheitsbehörden aktuell mehr als 850 Rocker in NRW, organisiert in insgesamt 71 Ortsgruppen der polizeilich relevanten Motorradclubs. Konkret sind das die Hells Angels, die Freeway Riders, der Gremium MC, die Outlaws, der Brothers MC sowie der Brothers Guard MC. Die Zahl der Rocker kann aber enorm schwanken - immer wieder kommt es zu Auflösungen oder Neugründungen von sogenannten Chaptern oder Chartern. "Insgesamt gibt es im Langzeitvergleich keine signifikanten Veränderungen", äußert sich Schmitz dazu. Und das, obwohl durchaus Expansionsbestrebungen einzelner Clubs festzustellen sind. Allen voran: Die Freeway Riders. So gaben die Rocker, die ihren Schwerpunkt im Ruhrgebiet haben, Ende 2022 beispielsweise die Gründung von vier neuen Chaptern bekannt. Unter anderem in Wülfrath, Beckum - und Detmold. Mit dem bestehenden Chapter in Bad Salzuflen gibt es mittlerweile zwei Chapter der Freeway Riders in OWL. Rocker werden sichtbarer Zuletzt, so berichtet Achim Schmitz, sei die Rocker-Szene in NRW wieder deutlich sichtbarer geworden, etwa durch Treffen, Ausfahrten, Neugründungen oder Veranstaltungen. "Bei Ausfahrten zum Beispiel geht es den Rocker-Clubs nicht um Konfrontationen, sondern darum, die eigene Stärke zu präsentieren", sagt der Ermittler. "Insgesamt hat das öffentliche Auftreten der Rocker durch Ausfahrten oder Partys ungefähr das Niveau erreicht, was wir vor der Pandemie und den Einschränkungen erfasst haben." Wenngleich der Winter "saisonbedingt" ruhiger sei. Rocker geraten immer wieder in die Schlagzeilen - meistens dann, wenn es zu Straftaten kommt. Dabei, so Schmitz, erfasse man in NRW vor allem Straftaten wie Gewaltdelikte, Drogenhandel oder Waffenbesitz. "Typische Felder von Rockern sind nach wie vor die Türsteher-Szene und das Rotlichtmilieu", so Schmitz. Experten warnen vor Waffeneinsatz Mitte der 2000er Jahre entfachte in Deutschland darüber hinaus ein sogenannter Rockerkrieg, der die Sicherheitsbehörden jahrelang beschäftigte. Bei dem Konflikt zwischen Hells Angels und Bandidos gab es mehrere Tote, auch in NRW. So wurden in Ibbenbüren und Duisburg zwei Anhänger der Clubs erschossen. Zuletzt gerieten die Bandidos und Freeway Riders im Ruhrgebiet aneinander. Trauriger Höhepunkt: 2018 erstach ein Bandido einen Rocker des verfeindeten Clubs. Zustände, von denen man aktuell weit entfernt zu sein scheint. Schmitz warnt allerdings: "Auseinandersetzungen zwischen verfeindeten Rockerclubs sind nicht auszuschließen und können immer auftreten. Wenn es zu solchen Konflikten kommt, werden diese mit entsprechender Härte und Brutalität geführt. Dabei kann es auch zum Einsatz von Schusswaffen kommen." So steht es um die Szene in OWL Doch nicht nur unter Rockerclubs drohen Konflikte. Vor einigen Monaten eskalierte in Duisburg ein Streit zwischen den Hells Angels und kriminellen Clan-Mitgliedern. Es kam zu einem Schusswechsel auf offener Straße, als dutzende Rocker und Mitglieder der Großfamilie aufeinandertrafen. "Wir merken immer wieder, dass es zu solchen Auseinandersetzungen kommt - nämlich dann, wenn sich zwei oder mehrere Gruppen in einer Region die Geschäfte teilen müssen", warnt Schmitz - und betont zugleich: "Ostwestfalen gehört nicht zu diesen Regionen." Hier war die Rocker-Szene in den vergangenen Jahren in Sachen Straftaten eher ruhig, wenngleich es mehrere ansässige Rocker-Clubs gibt, die auch für öffentlichkeitswirksame Treffen oder Veranstaltungen sorgen. Allen voran die Hells Angels, die laut eigenen Angaben über zwei Charter in Bielefeld verfügen. Zwei weitere Chapter haben die Freeway Riders im Kreis Lippe (Bad Salzuflen und Detmold), der Brothers Guard MC hat ebenfalls ein Chapter im Kreis Lippe. In Delbrück (Kreis Paderborn) wurde vor mehr als zwei Jahren ein Chapter der Bandidos verboten. Das Personenpotenzial in OWL liegt schätzungsweise bei etwa 60 Rockern.

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