Gute Noten nur noch mit Nachhilfe? Das Schulsystem wird immer ungerechter

Bielefeld. Pandemie, Lehrermangel, Unterrichtsausfall: Viele Schüler bezahlen die Krisen dieser Zeit mit gravierenden Lernrückständen, die das Schulsystem derzeit kaum auffangen kann. Entsprechend hoch ist die Nachfrage bei Nachhilfe-Anbietern – und die lassen sich ihre Dienste gut bezahlen. Viele beklagen einen enormen Anstieg der Preise. Doch das eigentliche Problem werden nach Ansicht von Experten jene kriegen, für die das Angebot von vornherein finanziell nicht in Frage kommt. Der Nachhilfeverband VNN teilt auf Nachfrage mit, die Kosten variierten je nach Region. "Im Schnitt sollte man mit 28 bis 40 Euro für eine Stunde Einzelunterricht rechnen und mit 10 bis 15 Euro für Gruppenunterricht, jeweils 45 Minuten", sagt Sprecherin Marion Steinbach. Online-Unterricht sei etwas preiswerter als Präsenz-Einzelunterricht. Der bekannte Anbieter Studienkreis hat nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr seine Preise um etwa zehn Prozent erhöht. "Das lag an den stark gestiegenen laufenden Kosten", so Sprecher Thomas Momotow. Aktuell zahlen Schüler hier bei einem Vertrag ohne Mindestlaufzeit 11,23 für eine 45-minütige Gruppenstunde, bei einem Vertrag mit sechs Monaten Laufzeit 10,23 Euro und bei einem Vertrag mit 24 Monaten Laufzeit 8,23 Euro. Einzelstunden kosten 31,40 Euro. Bis zu 370 Euro monatlich für Nachhilfe auch in NRW Damit liegt das Institut noch nicht einmal im höherpreisigen Segment. Trotzdem müssten Eltern hier zuzüglich einmaliger Anmeldegebühren zwischen 140 Euro und knapp 200 Euro für Gruppenunterricht und bis zu 367 Euro für Einzelunterricht bezahlen. Damit geschieht, was Experten massiv kritisieren: Wer schulische Probleme hat und sich das nicht leisten kann, verliert den Anschluss. "Denn das bedeutet, dass es eine Frage des Geldes ist, ob man mithalten kann oder nicht", kritisiert Christian Beckmann von der Landeselternkonferenz NRW. Auch Ayla Celik von der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft beklagt die "soziale Ungerechtigkeit" dieses Systems. Dass die Lernlücken bei einem großen Teil der Schülerinnen und Schülern groß sind, zeigen nicht nur Bildungsstudien, das merken auch die Nachhilfeinstitute. "Wir haben es hier mit gravierenden Lernrückständen zu tun, die nicht in kurzer Zeit aufgeholt werden können", sagt Thomas Momotow vom Studienkreis. "Viele Unterrichtsausfälle aufgrund von Lehrermangel werden uns auch vonseiten der Eltern berichtet und als ein Grund angegeben, Nachhilfe in Anspruch zu nehmen." Experten sehen Verschlechterungen im Lernverhalten Marion Steinbach vom VNN bestätigt das. Sie spricht aber nicht nur von "großen Lernrückständen und Wissenslücken. Tatsächlich hat sich auch das Lernverhalten sehr verändert: Die Schülerinnen und Schüler haben beispielsweise deutlich größere Schwierigkeiten sich zu konzentrieren." Auch die Lese- und Schreibfähigkeit sei im Vergleich zu Zeiten vor der Pandemie nochmals deutlich schlechter geworden. Steinbach: "Wir erwarten, dass weitere Stundenausfälle aufgrund des Lehrermangels dazu führen werden, dass die bestehenden Lücken und Defizite sich weiter verstärken." Ayla Celik, Vorsitzende der GEW NRW, sieht ebenfalls vorrangig den Lehrermangel als Ursache. &bdquo;Auch wenn die Lehrkräfte, die im System sind, jeden Tag über ihre Grenzen gehen, können damit nicht 8.000 fehlende Lehrerstellen in NRW ausgeglichen werden. Das oberste Ziel sollte es aber sein, das öffentliche Schulsystem so zu stärken, dass man nicht auf private Nachhilfeinstitute angewiesen ist. Die hohe Nachfrage nach privater Nachhilfe ist ein Symptom eines chronisch unterfinanzierten Systems." Auch die Nachhilfeinstitute sehen sich eigentlich nicht als Teil des Schulsystems - "aber in der Praxis geraten wir seit Jahren in die Situation, die Ausfälle in Schule kompensieren zu müssen", sagt Patrick Nadler, Bundesvorsitzender des VNN. Er kritisiert vor allem das Vorgehen der Landesregierungen, die Lücken beim Personal mit unqualifizierten Kräften zu stopfen. "Da werden Abiturienten in die Schulen geschickt, Alltagshelfer, die keine Ahnung von Didaktik haben. Das kann nicht sein." Neu sind die Probleme nicht. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung ergab 2016, dass rund 14 Prozent aller Schüler zwischen sechs und 16 Jahren an allgemeinbildenden Schulen Nachhilfeunterricht erhielten – nahezu 1,2 Millionen der knapp 8,3 Millionen Schulkinder. Jährlich gaben Eltern zu diesem Zeitpunkt 879 Millionen Euro dafür aus. Eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2017 kam zu noch gravierenden Zahlen – sowohl, was die Kosten als auch, was den Bedarf angeht. Lesen Sie hier, wie die Situation in ganz OWL ist: Diese Förderkonzepte bieten Schulen in Paderborn Diese Förderkonzepte bieten Schulen in Paderborn Schulleiter im Kreis Höxter kritisiert Lernkultur Nachhilfe-Projekt in Bad Oeynhausen hat sich zur Schülerfirma gemausert Diese Nachhilfeangebote gibt es im Lübbecker Land Schlechte Zeugnisse? So können Herforder ihre Kinder unterstützen Besonderes Konzept an Schule im Kreis Gütersloh

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