"Wie alt sind Sie eigentlich? 13?" – Streit über Haushaltschaos in NRW

Düsseldorf. Die Verabschiedung des Haushalts gilt als Königsdisziplin der Politik. Doch majestätisch wirkt das, was die schwarz-grüne Landesregierung aktuell auf die Beine stellt, nicht. Mehrere Kehrtwenden in wenigen Tagen haben zu viel Verunsicherung geführt. Die Opposition rechnete am Dienstag in der Plenardebatte mit dem finanzpolitischen Kurs der neuen Regierung ab. Die CDU zeigte sich in Teilen einsichtig. Ministerpräsident Hendrik Wüst bezog Stellung. Was bedeutet das alles für Bürger, Vereine und Unternehmen? Die aktuelle Debatte in NRW ist deshalb so wichtig, weil sie die Weichen für Energiehilfen des Landes stellt. Die Regierung will ein eigenes Krisenpaket von 1,6 Milliarden Euro schnüren, um Bürger, Vereine und Unternehmen in der aktuellen Phase finanziell zu unterstützen. Dabei tut sich die Regierung auffallend schwer. Sie muss Schulden aufnehmen und dafür eine Notlage ausrufen. Das hat sie bereits vor zwei Wochen getan. Doch da am Wochenende eine überraschend positive Steuerprognose ins Haus flatterte, ist das jetzt nicht mehr möglich. Die Folge: Die Notlage ruft die Regierung erst ab Januar aus, sodass die Schulden – also ein Sondervermögen – und die Energiehilfen für die Menschen ebenfalls erst ab Januar auf den Weg gebracht werden, und nicht schon zum 20. Dezember. Aufregung während Kutschatys Rede SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty warf der Regierung vor, seit Monaten an einem eigenen Hilfspaket zu scheitern, während die Ampel-Koalition in Berlin 400 Milliarden Euro für die Menschen in der Krise auf den Weg bringe. Und in NRW? "Kein einziger Cent kommt bei den Menschen in diesem Jahr an", sagte Kutschaty. Das mache Vertrauen kaputt. Der Landesrechnungshof hatte das Vorgehen der Landesregierung in den vergangenen Tagen gleich zweimal als verfassungswidrig eingestuft, weshalb die Regierung jeweils spontan nachgebessert hatte. Mit Blick auf den aktuellen Plan sagte Kutschaty: "Sie gehen in die nächste Verfassungswidrigkeit hinein. Auch die 1,6 Milliarden Euro sind eine Mogelpackung." Die Opposition wirft der Regierung konkret vor, dass sie durch das Krisenpaket Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag finanzieren will, die nichts mit der aktuellen Energiekrise zu tun haben. Für Aufregung während der Debatte sorgten Teile von Kutschatys Auftritt. Einige Kabinettsmitglieder auf der Regierungsbank zeigten sich während der Rede bewusst unterkühlt – und beschäftigten sich anderweitig. So, als ginge sie das alles nicht an. "Frau Ministerin, wie alt sind Sie eigentlich? 13?", schnaubte Kutschaty in Richtung von Bauministerin Ina Scharrenbach, die während seiner Rede plauderte. Der SPD-Politiker warf auch Ministerpräsident Hendrik Wüst vor, "schon seit zehn Minuten" nicht zuzuhören, sondern in Akten zu blättern. CDU-Abgeordnete werteten Kutschatys Aussagen als "Unverschämtheit". FDP bezeichnet Wüst als Schönwetter-Ministerpräsidenten FDP-Fraktionschef Henning Höne fand ebenfalls deutliche Worte. Er warf Wüst vor, ein "Schönwetter-Ministerpräsident" zu sein. Wenn es in den Maschinenraum gehe, kneife Wüst, so Höne. Das Vertrauen sei unwiderruflich gestört. Schuld an dem aktuellen Chaos sei nicht der Krieg. Andere Länder hätten längst Hilfen auf den Weg gebracht, sagte Höne. Die Verantwortung trage die Landesregierung, ebenso die Fraktionen von CDU und Grünen. "Stehen Sie endlich dazu", forderte Höne. Er warf der Regierung vor, sich keine Mühe gemacht zu haben, um Sparpotenziale im Haushalt zu identifizieren. Das sei Arbeitsverweigerung. Mit Blick auf Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) sagte Höne, dass dessen guter Ruf innerhalb weniger Tage fast vollständig "versaut" wurde. Wüst ging in seiner Rede nur am Rande auf die Kritik der Opposition ein. Es sei wichtig, Vorsorge für die anstehenden "Unabwägbarkeiten" zu treffen und den Menschen "ein Stück Sicherheit" zu geben. Die Hilfen des Landes kämen insbesondere denen zu Gute, "denen es schon jetzt nicht gut geht", sagte Wüst. Das Wesentliche sei, "die Menschen gut durch die Krise zu bringen." Die 1,6 Milliarden Euro seien eine "erste Tranche". Das alles geschehe aktuell unter hohem zeitlichen Druck, sagte Wüst. "Uns fällt kein Zacken aus der Krone, wenn wir auf Hinweise von Experten reagieren und Veränderungen vornehmen." Die Regierung werde im Landtag auch weiter das Miteinander mit der Opposition suchen. Wüst verwies darauf, dass sich NRW jedes Jahr mit vier Milliarden Euro an den Hilfen des Bundes beteilige. Der Chef der CDU-Fraktion, Thorsten Schick, zeigte sich in seiner Rede in Ansätzen selbstkritisch. Er selbst habe sich einiges "anders gewünscht"; mit den Informationen von heute "hätten wir das ein oder andere auch anders gemacht", sagte Schick. "Ich verstehe, dass das gesamte Haushaltsverfahren für uns alle eine Herausforderung ist." Doch die Lage sei dynamisch; Politik müsse reagieren, manchmal auch tagesaktuell. Das Sondervermögen – also Schulden – brauche man nicht für sich, sondern um für das, was in Zukunft auf das Land noch zukomme, "bestmöglich" gerüstet zu sein, sagte Schick. Grüne und CDU verteidigen die Landesregierung Der CDU-Politiker nahm Optendrenk in Schutz. Kein Finanzminister habe bislang einen Haushalt mit so vielen Krisen auflegen müssen. Der Haushalt gebe in schwierigen Zeiten Orientierung und bringe NRW gut durch die Krise, sagte Schick. Kutschaty warf er vor, dass es ihm und der SPD weniger um das Land und um Hilfen für die Menschen gehe, sondern eher um "parteipolitische Geländegewinne". Grünen-Fraktionschefin Wibke Brems sagte, dass der Haushalt und das Sondervermögen einen "erkennbaren und dauerhaften" Unterschied machten. "Einen Unterschied, der bei den Menschen in NRW ankommt. Wir gehen sorgsam mit den Landesfinanzen um. Und wir gestalten die Zukunft Nordrhein-Westfalens sicher, krisenfest, nachhaltig und gerecht", betonte sie. Zur Opposition sagte Brems: "Es ist einfach nicht klar, was sie, außer zu meckern, hier eigentlich wollen."

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