Neue Regeln für Windkraft: Welcher Abstand gilt in NRW denn nun?

Düsseldorf/Berlin. Der Abstand von Windrädern zu Wohnhäusern beschäftigt Politik und Bürger. Die Meinungen gehen auseinander. Sowohl der Deutsche Bundestag als auch die NRW-Landesregierung erleichtern jetzt den Bau der Anlagen in Wohnortnähe. Doch das ist kompliziert. Eine Einordnung. 1.500 Meter, 1.000 Meter, 300 Meter, 2H - aktuell kursieren viele Zahlen, wenn es um die Abstandsregeln der Windkraft geht. Da verlieren auch Experten den Überblick. Wie also ist der aktuelle Stand? In NRW gilt aktuell weiterhin eine Abstandsregel von 1.000 Metern von Windrädern zu Wohnhäusern. Die hatten CDU und FDP im Frühjahr 2021 auf den Weg gebracht. SPD und Grüne brachte das auf die Palme. Sie sind der Meinung, dass dadurch der Ausbau der Windkraft blockiert wird. Da die CDU seit Mai aber mit den Grünen regiert, und die sich in den Koalitionsverhandlungen an diesem Punkt durchsetzten, soll die 1.000 Meter-Abstandsregel in NRW künftig fallen. So steht es im Koalitionsvertrag. Wann genau, ist noch unklar. In den nächsten Monaten ist damit aber noch nicht zu rechnen. Die NRW-SPD wirft der Regierung deshalb vor, Wahlversprechen bislang nicht eingehalten zu haben. Wohl auch deshalb hat NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) vor wenigen Tagen angekündigt, dass die Abstandsregel zumindest beim Repowern noch in diesem Jahr fallen wird. Sprich: Wenn alte Anlagen in NRW durch neue, höhere und leistungsstärkere ersetzt, also repowert werden, ist künftig kein Mindestabstand von 1.000 Metern zu Wohnhäusern mehr nötig. Das ist zwar nur ein erster, aber kein unwichtiger Schritt, da die Landesregierung und vor allem die CDU dem Repowern eine große Bedeutung beimisst. Die Rede ist davon, dass eine neue Anlage leistungstechnisch rund drei alte Anlagen ersetzen kann. Das Wirtschaftsministerium will diese Änderung noch bis Jahreswechsel per Erlass auf den Weg bringen, so Neubaur. Abstandsregel von 2H bei "optisch bedrängender Wirkung" gilt ab Februar Seit wenigen Tagen kursieren noch zwei weitere Zahlen: 300 sowie der Begriff 2H. Was hat es damit auf sich? Der Deutsche Bundestag hat Anfang Dezember einem Gesetzesentwurf zugestimmt, der ebenfalls Auswirkungen auf die Abstandsregel hat. Die Festlegung besagt, dass eine "optisch bedrängende Wirkung" von Windkraftanlagen zu Wohnbauten bei einem Abstand von 2H vorliegt. 2H steht für die zweifache Höhe eines Windrads. Bei neuen Anlagen, die rund 250 Meter hoch sind, muss der Abstand also mindestens 500 Meter betragen, bei kleineren Anlagen entsprechend weniger. Eigentlich sollte bereits ein Abstand von 300 Metern als nicht mehr "optisch bedrängend" gelten. Der CDU war das aber zu wenig; sie hatte 3H gefordert, also die dreifache Höhe einer Anlage. Nun einigten sich die Fraktionen auf 2H. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Christian Haase aus Höxter kritisiert die Regelung als willkürlich und aufwändig: &bdquo;Eine Abstandsfestlegung auf 3H hätte für Rechtssicherheit gesorgt. Bei einem geringeren Abstand gibt es häufig berechtigte Klagen von Anwohnern und intensive Einzelfallprüfungen. Der Akzeptanz der Energiewende erweist man mit der neuen Abstandsregelung einen Bärendienst", so Haase. Auch dem FDP-Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler aus Bünde wären 3H "lieber gewesen". Schäffler verweist aber darauf, dass es sich bei der "optischen Bedrängung" um die letzte Prüfkategorie im Genehmigungsverfahren handelt. Vorher greife bereits das Emissionsschutzgesetz. Auch Landesrecht könne einen größeren Abstand festlegen. Die neue Vorgabe bedeute keineswegs, "dass nun Windräder immer bis auf 300 Meter an Wohnhäuser heranrücken dürfen, denn alle anderen Belange zum Anwohnerschutz bleiben uneingeschränkt erhalten", bestätigt Andreas Lahme vom Landesverband Erneuerbare Energien (LEE) in NRW. Mit anderen Worten: Der Abstand von Windrädern zu Wohnhäusern kann und wird auch weiterhin größer als die dreifache Höhe der Anlage betragen. Die neue Gesetzesnovelle diene aber dazu, die Genehmigungen zu vereinfachen und zu beschleunigen, da sie bisherige "recht aufwendige" Einzelfallprüfungen bei der Frage der "optisch bedrängenden Wirkung" durch klar festgelegte Regeln ersetzt, so der LEE. Das sei "uneingeschränkt" zu begrüßen. Grüne und SPD begrüßen die beschlossene Novelle Der SPD-Bundestagsabgeordnete Stefan Schwartze hält die beschlossene Abstandsregel für "notwendig", um die gesetzten Ziele mittelfristig "überhaupt erreichen" zu können. Die bisherigen Abstandsregeln seien dafür in keiner Weise ausreichend gewesen. Die neuen Regeln würden insbesondere den Kommunen die Möglichkeit geben, neue Flächen auszuweisen, die bisher nicht oder nur unzureichend in Betracht gezogen werden konnten. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Schahina Gambir bezeichnet die Novelle als wichtigen Beitrag, um schneller unabhängig von fossilen Energien zu werden. 2H sei eine "atmende" Abstandsregelung, die sie sich dynamisch der Höhenentwicklung von Windrädern anpasse. Neben der ohnehin bestehenden 600 Meter Abstandsvorgabe aus dem Immissionsschutzgesetz biete die neue Regelung einen ausreichenden Schutz für Wohngebiete, so Gambir. Der Erlass in NRW, der noch bis Ende des Jahres veröffentlicht werden soll, erleichtert zudem den Bau von Windrädern auf Kalamitätsflächen, also auf stark beschädigten Waldflächen. Die Regierung will künftig auch mehr Windräder in Industrie- und Gewerbegebieten und entlang von Autobahnen bauen. 2023 will das Land sechs Planungsregionen vorschlagen, auf denen die Anlagen gerecht verteilt werden sollen. NRW will als erstes Bundesland 1,8 Prozent der Landesfläche für Windkraftanlagen zur Verfügung stellen.

Meistgelesen