Schüsse auf Synagoge

Regierung und Landtag: Kein Platz für Antisemitismus in NRW

Politiker verurteilen den Anschlag auf das Rabbinerhaus in Essen scharf. Die Sorge vor Gewalt gegen Juden wächst. So wollen Verantwortliche dagegen vorgehen.

Juden werden in Deutschland immer öfter bedroht. In Berlin und Essen wurden jüngst Schusslöcher an Synagogen entdeckt. | © Michael Matthey

23.11.2022 | 23.11.2022, 19:08

Düsseldorf (dpa). Der Landtag und die Landesregierung inNordrhein-Westfalen haben nach dem Angriff auf das frühereRabbinerhaus der Alten Synagoge in Essen ein deutliches Zeichen gegenAntisemitismus gesetzt. Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sagte amMittwoch in einer Sitzung des Landesparlaments: "Wir gehen nicht zurTagesordnung über. Wir schauen genau hin und wir erheben unsereStimme und wir rufen dem Täter oder den Tätern zu: Jüdisches Leben,Jüdinnen und Juden, gehören in unsere Mitte. Wir stehen an ihrerSeite."

Man lasse sich nicht einschüchtern. Und: "Wir schützenjüdisches Leben in unserem Land." Es gebe eine "erhöhte undverlässliche" Finanzierung für die Sicherheit jüdischerEinrichtungen.Wüst unterstrich bei der Aktuellen Stunde in Düsseldorf: "Wir inNordrhein-Westfalen nehmen die Schüsse sehr persönlich." Der Angriffhabe "unser gemeinsames Haus" getroffen und das Miteinander derReligionen. "Nach dem Menschheitsverbrechen des Holocaust haben wiruns geschworen: Nie wieder!"

Kein Angreifer könne etwas daran ändern,dass jüdisches Leben in seiner ganzen Breiten einen Platz in NRWhabe.Ermittler gehen bei dem Vorfall in der Nacht zum vergangenen Freitagvon einer "extremistisch und antisemitistisch motivierten Tat" aus.Zusätzlich waren am Metalldach der Neuen Synagoge in Essen am SamstagBeschädigungen entdeckt worden, die vor mindestens einem Monatentstanden sein sollen.

Newsletter
Update zum Mittag
Top-News, täglich aus der Chefredaktion zusammengestellt.

2021 Höchststand an antisemitischer Gewalt

Landtagspräsident André Kuper unterstrich: "Wir, die Abgeordneten,verurteilen den erneuten, offensichtlich antisemitisch motiviertenAnschlag zutiefst." Er begrüßte den Vorstand der JüdischenKultusgemeinde Essen, Schalwa Chemsuraschwili, und dieNRW-Antisemitismusbeauftragte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, diedie Sitzung von der Besuchertribüne aus verfolgten. "Der LandtagNordrhein-Westfalen steht fest an Ihrer Seite."

CDU-FRaktionschef Thorsten Schick kritisierte: "Jüdisches Leben, Jüdinnen und Juden, sind immer wieder Hass undGewalt ausgesetzt."NRW sei Heimat der größten jüdischen Gemeinschaft in derBundesrepublik. Die Schüsse hätten auch "auf das Herz desinterreligiösen Dialogs" gezielt. 2018 sei in NRW das Amt derAntisemitismus-Beauftragten geschaffen worden, im April 2022 dieMeldestelle Antisemitismus. Zudem sei in diesem Oktober eineDunkelfeldstudie in Auftrag gegeben worden.

Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer beklagte, 2021 habe diePolizei mit 437 Straftaten einen Höchststand antisemitischerKriminalität in NRW verzeichnet. "Wir werden durch mehr Aus- undFortbildung von Beschäftigten in Polizei, Justiz und Schule dieBekämpfung von Antisemitismus weiter vorantreiben, wir werdenLehrerinnen und Lehrer handlungssicherer im Umgang mit Antisemitismusmachen." Jeder müsse sich darauf verlassen können, dass dieStrafverfolgungsbehörden konsequent gegen Antisemitismus vorgehen.Antisemitismus reiche bis weit in die Mitte der Gesellschaft.

Tägliche antisemitische Straftaten

SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty sprach von einem Angriff aufJüdinnen und Juden und zugleich auf die Demokratie. Es sei eineSchande, dass Juden Anlass zur Angst hätten. In NRW gebe es "keinenMillimeter Platz" für Antisemitismus. Für die FDP warnte derVorsitzende Henning Höne, Vorurteile und Ressentiments gegenüberJuden seien erschreckend weit verbreitet. In Deutschland komme estäglich zu fünf antisemitischen Straftaten. Der AfD-AbgeordneteMarkus Wagner sagte: "Wer gegen Juden hetzt, der hetzt gegen uns."

Die Alte Synagoge gehört der Stadt und wird von der jüdischenGemeinde nicht mehr für Gottesdienste genutzt. Eine unbekannte Personhatte mehrere Schüsse auf eine Tür abgegeben. Ob es einenZusammenhang der Ereignisse an beiden Synagogen gibt, ist unklar.Verletzt wurde niemand. In Berlin war am Wochenende ebenfalls eineSynagoge beschädigt worden. Auch Bundespräsident Frank-WalterSteinmeier hatte sich erschüttert gezeigt.

In Deutschland zeige sich "Antisemitismus wieder viel unverhohlener und offener".Die Regierungsfraktionen von CDU und Grünen sowie dieOppositionsfraktionen SPD und FDP hatten nach dem Vorfall von Esseneinen gemeinsamen Antrag für die Aktuelle Stunde eingebracht. Darinheißt es, es sei eine "politische und gesamtgesellschaftliche Aufgabedafür zu sorgen, dass Jüdinnen und Juden ohne Angst in Deutschlandleben können".