Wolf im Schafspelz: Wie die Polizei einen Paderborner Frauenmörder jagte

Werner von H. ist ein anerkanntes Mitglied der Gesellschaft. Er ist ehrenamtlich beim Deutschen Roten Kreuz tätig und engagiertes Betriebsratsmitglied. Sein Geld verdient er als Werksanitäter in einem großen Unternehmen. Doch der Verler hat so manche Leiche im Keller. Im November 1999 verurteilt ihn das Paderborner Schwurgericht zu lebenslanger Haftstrafe und erkennt auf eine besondere Schwere der Schuld. Denn hinter der Maske des Biedermanns verbirgt sich ein &bdquo;abgrundtief böser und gewalttätiger Mensch“, wie der Gerichtsreporter der Neuen Westfälischen damals schreibt. Werner von H. tötete im Laufe seines Lebens drei Frauen. Es ist der 3. September 1997, 12.35 Uhr, als die Paderborner Feuerwehr gleich mit beiden Wachen ausrückt. Auf dem Gelände eines großen stahlverarbeitenden Unternehmens steht eine Lagerhalle in Flammen. &bdquo;Vermutlich noch eine Person im Gebäude“, heißt es bei der Alarmierung. Tatsächlich entdecken die Retter, die sich unter schwerem Atemschutz in der stark verrauchten Halle nur langsam vorarbeiten können, in einem kleinen Büroraum die Leiche einer Frau. Sie ist in dem seit mehreren Stunden schwelenden Feuer bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Trotzdem kann die junge Frau sehr schnell identifiziert werden - als Tochter des Ehepaares, das in dem Unternehmen die Kantine betreibt. Sie hatte während des Urlaubs ihrer Eltern die Geschäfte geleitet und sich an diesem Morgen um die Buchführung gekümmert. Sofort ist klar, dass Kerstin J. einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen ist. Die 29-Jährige wurde mit mehreren Stichen in die Brust getötet, ihr Leichnam mit einem Brandbeschleuniger übergossen und angesteckt. Am Tatort finden die Ermittler einen Elektroschocker. Sie glauben, dass mithilfe dieses Geräts Kerstin J. gezwungen wurde, den Tresor zu öffnen, aus dem 10.000 DM verschwunden sind. Doch bis der Täter ausgemacht und festgenommen wird, dauert es anderthalb Jahre. Das Bild bekommt Risse Kein Wunder, denn Werner von H. ist das, was man einen Wolf im Schafspelz nennt. Er ist beliebt in der großen Firma, auf deren Gelände Kerstin J.s Leben ein grausames Ende fand. Er arbeitet dort als Sanitäter, ist Mitglied des Betriebsrates und engagiert sich darüber hinaus als Schwerbehindertenbeauftragter. Im März 1999 bekommt das Bild Risse. Der Familienvater gerät ins Visier der Polizei, er wird verdächtigt, über einen längeren Zeitraum seinem Arbeitgeber immer wieder Computerteile gestohlen zu haben. Als Kripo-Beamte sein Zuhause in Verl durchsuchen, werden sie schnell misstrauisch, weil sich Werner von H. erleichtert zeigt, dass es bei der polizeilichen Maßnahme nur um Diebstähle geht. Selbst das Alibi bröckelt Nach und nach fügen sich viele Details zusammen. Die Ermittler finden eine Quittung über den Kauf eines Elektroschockers - just eines solchen Gerätes, wie es benutzt worden war, um Kerstin J. zum Öffnen des Tresors zu zwingen. Und auch der Brandbeschleuniger, mit dem der Leichnam übergossen wurde, kann dem damals 61-Jährigen zugeordnet werden. Als Werkssanitäter hat er an seinem Arbeitsplatz stets Zugriff auf sogenanntes Wundbenzin, das nach Ansicht der Brandsachverständigen bei der Tat benutzt wurde. Zu guter Letzt erweist sich zudem sein Alibi als brüchig. Während von H. behauptet, am 3. September 1997 um 8 Uhr morgens zu einem Seminar nach Gelsenkirchen aufgebrochen zu sein, hat seine Frau eine ganz andere Erinnerung. Ihr Mann sei um 6 Uhr nach Paderborn gefahren, um einen Kollegen abzuholen, ist sie sicher. Von H. tötete bereits zuvor Sieben Monate später wird Werner von H. vor dem Schwurgericht Paderborn der Prozess gemacht - aber nicht nur wegen Mordes an Kerstin J., er soll bereits 1993 eine junge Frau in Lippstadt umgebracht haben. Elke H. wurde in der Küche ihres Hauses getötet. Ihr Mann fand die Leiche seiner Frau, als er mittags zum Essen heimkehrte. Die Gerichtsmediziner stellten bei der Untersuchung des Leichnams fest, dass die 31-Jährige erdrosselt und im Halsbereich mit einem stilettähnlichen Gegenstand traktiert worden war. Obschon die Fahnder, die einen Raubmord ebenso für möglich hielten wie auch ein Sexualverbrechen, in alle Richtungen ermittelten, über 500 Männer zwischen 14 und 45 Jahren überprüften und frühzeitig eine Belohnung ausgesetzt wurde, bleibt der Fall ungeklärt, bis im Oktober 1999 die Staatsanwaltschaft Paderborn einen Erfolg vermeldet. Welches Motiv hatte er? Werner von H. habe vermutlich aus gekränkter Eitelkeit die junge Geschäftsfrau getötet, sagt Oberstaatsanwalt Franz-Josef Richter in einer Pressekonferenz. Demnach gehörte der Betriebssanitäter zum entfernten Bekanntenkreis von Elke H. und ihrem Mann sowie zur Stammkundschaft im Geschäft des Lippstädter Paares. Für einen Raub - wie im Mordfall Kerstin J. - gebe es keine Indizien, trotzdem hätten die Fahnder &bdquo;Übereinstimmungen in der Machart“ festgestellt, erfahren die Medien. Ausschlaggebend waren aber Hautpartikel, die sechs Jahre zuvor unter den Fingernägeln von Elke H. gesichert werden konnten. Eine DNA-Analyse weist diese Werner von H. zu - mit einer Wahrscheinlichkeit von eins zu 5,8 Millionen. Er bestreitet die Vorwürfe Vor Gericht bestreitet der mittlerweile 62-Jährige alle Vorwürfe. &bdquo;Ich habe sie nicht umgebracht“, sagt er zu dem zweifachen Mordvorwurf der Staatsanwaltschaft. Kerstin J. sei für ihn wie eine Tochter gewesen, behauptet Werner von H. Seine Frau, die sein Alibi für den Tattag ins Wanken gebracht hatte, müsse sich irren. Und Elke H. habe er einen Tag vor ihrem Tod bei einem Besuch im Geschäft der Lippstädterin &bdquo;spaßeshalber“ hochgehoben, &bdquo;um das Gewicht der Hobby-Reiterin“ zu prüfen, glaubt er, die DNA-Spur erklären zu können. Werner von H. bleibt bei seiner Darstellung - selbst dann noch als ein Ortstermin des Schwurgerichts genau dort stattfindet, wo Kerstin J. mit elf Messerstichen getötet und ihr Leichnam angezündet wurde. Im ehemaligen Kantinenbüro auf dem Betriebsgelände des großen Paderborner Unternehmens sind noch immer Ruß- und Brandspuren zu erkennen. Richter sind sich sicher: Von H. ist schuldig Am vierten Verhandlungstag verhängen die Richter gegen den Verler eine lebenslange Freiheitsstrafe. Sie sind nach der umfänglichen Beweisaufnahme davon überzeugt, dass Werner von H., dem der psychiatrische Gutachter eine überdurchschnittliche Intelligenz und volle Schuldfähigkeit bescheinigt hat, beide Frauen tötete, und verhängen eine lebenslange Freiheitsstrafe. Während sie im Fall der Kerstin J. auf Mord erkennen, gilt ihnen das Verbrechen an Elke H. als Totschlag. Ein Motiv für die Tat könne dem Angeklagten nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden, sagt der Vorsitzende Richter Dieter Siepmann. Trotzdem bejaht das Schwurgericht die besondere Schwere der Schuld, die eine vorzeitige Haftentlassung auf Bewährung nach 15 Jahren unmöglich macht. Werner von H., der Mann, der in seinem Umfeld als sozial engagiert wahrgenommen wurde, habe &bdquo;Leichen im Keller“, hat Richter Siepmann im Verlauf der Urteilsverkündung gesagt. Wohl auch eine Anspielung auf die Jugend des Mannes. Werner von H. hatte 1955 als 17-Jähriger seine Pflegemutter die Kellertreppe heruntergestoßen und anschließend erdrosselt - aus Wut, weil sie ihm nicht sofort ein Päckchen seiner leiblichen Eltern geben wollte. Von der wegen Mordes verhängten zehnjährigen Jugendstrafe saß er die Hälfte ab, um danach über seine Vergangenheit zu schweigen und das Leben eines Biedermannes zu führen.

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