Hilfe in der Energiekrise? Was für und gegen mehr Biogas spricht

Düsseldorf. Rainer Meyer ist sich sicher: Die Landwirte in OWL könnten innerhalb weniger Tage bis zu 30 Prozent mehr Biogas produzieren – wenn sie es denn dürften. Rechtliche Hürden seitens der Politik stehen ihnen im Weg. Doch in den Augen des Bad Oeynhausener Landwirts Meyer drängt die Zeit. Die Anlagen Meyer betreibt gemeinsam mit einem Berufskollegen eine Biogasanlage. Sie werde zu 65 Prozent mit Mais betrieben und zu 35 Prozent mit &bdquo;tierischen Reststoffen“ wie Mist und Gülle. Das sei rechtlich so vorgeschrieben – und gelte für einen Großteil der rund 1.400 Biogasanlagen in NRW. Mit den Anlagen betreiben Meyer und seine Kollegen meist Blockkraftheizwerke, in denen die Energie zu Strom und Wärme umgewandelt werde. Im Regierungsbezirk Detmold stehen rund 55 größere Biogasanlagen, die rein rechnerisch 45.000 Haushalte mit Strom versorgen könnten. Meyer betont: &bdquo;Wenn die rechtlichen Hürden gelockert werden, könnten wir unsere Produktion in ein paar Tagen um bis zu 30 Prozent ausweiten.“ Folgen für den Markt Doch was würde das effektiv bringen? Bundesweit wurden 2021 rund 30 Terawattstunden Strom durch Biogasanlagen bereitgestellt. Das entspricht einem Anteil von rund fünf Prozent am bundesweiten Strombedarf oder einer rechnerischen Versorgung von rund sechs Millionen Haushalten. Bei einer bundesweit angenommenen Kapazitätserhöhung von 20 Prozent der Anlagen könnten so rund fünf bis sechs Terawattstunden zusätzlich bereitgestellt werden. Dies entspricht einem zusätzlichen Anteil von rund einem Prozent am bundesweiten Strombedarf – oder dem Strombedarf von rund 1,2 Millionen Haushalten. Mit anderen Worten: Der Anteil ist überschaubar. Doch sollten in diesen Zeiten nicht alle Möglichkeiten zur Energieerzeugung im eigenen Land genutzt werden? Vorteile von Biogas Bauernpräsident Antonius Tillmann sieht in Biogasanlagen &bdquo;kein Allheilmittel“, aber: "Sie sorgen ein Stück weit für Stabilität, da sie im Gegensatz zu Sonne und Wind immer laufen". Tillmann begrüßt eine erweiterte Produktion. Die aktuell starren Vorgaben des Bundes seien derzeit ebenso ein Problem wie der Unmut anderer Energielieferanten, die über eine Ausweitung der Biogasproduktion &bdquo;nicht glücklich“ seien, so Tillmann. Rechtliche Hürden Doch wo liegt rechtlich das Problem? Damit die Betreiber ihre Produktion um bis zu 30 Prozent ausdehnen können, bedarf es nach der Rechtslage &bdquo;einer Bauleitplanung“, erklärt das NRW-Bauministerium auf Anfrage. Heißt: Es handelt sich um bundesrechtliche Regeln, die seitens des Landes NRW nicht geändert werden könnten. Konkret müsste eine Begrenzung aufgehoben werden, die eine Gaserzeugung von 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr vorschreibt. Zudem müsste unter anderem die Begrenzung der vergütungsfähigen Strommenge im Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG) ausgesetzt werden, heißt es vom NRW-Wirtschaftsministerium. Der Bundestag will sich noch in dieser Woche mit dem Thema befassen. Bereits im Sommer hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Lockerungen angedeutet, diese seien aber &bdquo;auf halber Strecke“ stehengeblieben, so Christian Mildenberger, Geschäftsführer des Landesverbands Erneuerbarer Energien (LEE). Kritische Stimmen Ein häufiger Vorwurf lautet, dass Biogasanlagen zu Monokulturen in der Landwirtschaft führen, da sie vor allem mit Mais betrieben werden. Diese Kritik will Landwirt Meyer nicht grundsätzlich zurückweisen, aber: Im Raum Ostwestfalen-Lippe liege der Maisanteil in der Fruchtfolge derzeit lediglich bei 15 bis 20 Prozent. &bdquo;Damit sind wir weiter von einer Monokultur entfernt“, so Meyer im Gespräch mit dieser Zeitung. Eine weitere Argumentation: Den Biogasbetreibern gehe es angesichts des anstehenden Winters und den Energieengpässen darum, jetzt kurzfristig mehr Biogas zu produzieren. &bdquo;Dafür bauen wir ja keine neuen Maisfelder an, sondern würden auf den Mais zurückgreifen, der aktuell geerntet wird oder es bereits wurde.“ Es gehe vor allem darum, das &bdquo;Energieloch“ in den kommenden Wochen zu stopfen. Deshalb sei auch eine zeitnahe Entscheidung der Politik nötig, so Meyer. Eine Entscheidung im Dezember komme zu spät. Einschätzungen NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen (CDU) sieht in Biogasanlagen Potenziale, um &bdquo;gerade in der aktuellen Situation für mehr Energiesicherheit zu sorgen“. Dazu könne auch eine &bdquo;konsequente Verwertung“ von Gülle und von weiteren Reststoffen gehören. Das Landwirtschaftsministerium unterstütze daher Planungen, wie Anlagenbetreiber bei einer entsprechenden Umstellung unterstützt werden können. Das Ministerium begrüßt gegenüber dieser Zeitung zudem die Pläne, die Produktion kurzfristig zu erweitern. CDU und Grüne in NRW setzen in ihrem Koalitionsvertrag auf den &bdquo;vermehrten Einsatz von Reststoffen, Bioabfällen und Gülle“, erklärt die stellvertretende CDU-Fraktionschefin Bianca Winkelmann gegenüber dieser Zeitung. Biogasanlagen leisteten einen &bdquo;entscheidenden Beitrag“ zum Gelingen der Energiewende, so die Politikerin aus Minden-Lübbecke. In ihrer Idealvorstellung habe irgendwann jeder größere tierhaltende Betrieb eine &bdquo;Mini-Biogasanlage“ auf seinem Hof, die Energie aus Gülle und Mist produziere. Dadurch bliebe wertvoller organischer Dünger erhalten, so Winkelmann, die von einem landwirtschaftlichen Betrieb stammt. Laut NRW-Wirtschaftsministerium hat sich in 2021 die elektrische Leistung der 1.400 Anlagen in NRW auf 536 Megawatt summiert.

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