Krankenfahrten: Unternehmer in OWL formieren sich gegen Krankenkassen

Bielefeld. In der Krankenbeförderung droht nach Angaben von Unternehmen in OWL eine Insolvenzwelle. Um das zu verhindern und damit die Versorgung Hilfsbedürftiger weiter gewährleisten zu können, haben sich Krankenfahrten-Anbieter aus den Kreisen Herford, Minden-Lübbecke, Gütersloh sowie der Stadt Bielefeld zusammengeschlossen. Sie kämpfen als Interessengemeinschaft Krankenfahrten OWL ab sofort gemeinsam für eine bessere Bezahlung. Ihre Forderung, ein Plus von 20 Prozent, liegt allen Krankenkassen in NRW vor. Immer dann, wenn Menschen aufgrund von Krankheit, Behinderung oder Alter nicht mehr selber zum Arzt, in die Klinik oder ins Pflegeheim fahren können, verordnen Ärzte und Psychotherapeuten ihren Patienten diese Fahrten als Kassenleistung. Auch soziale Teilhabe wird immobilen Menschen mit solchen Fahrten ermöglicht. &bdquo;Diese Arbeit ist systemrelevant, weil sie Teil der Daseinsvorsorge ist, und muss dementsprechend bezahlt werden“, fordert Wilhelm Kuhlmann, Geschäftsführer von Kuhlmann Krankenfahrten in Enger. Doch das passiert nach Angaben Kuhlmanns und seinen Mitstreitern aktuell nicht. &bdquo;Die extrem steigenden Kosten, insbesondere in den Bereichen Energie und Lohn, werden in den Angeboten der Krankenkassen nicht berücksichtigt.“ Während die Mehrbelastungen in vielen Branchen an die Verbraucher weitergegeben werden, ist das für Krankenfahrten-Anbieter nicht möglich, da die Krankenkassen die Fahrten finanzieren. &bdquo;Wir erhalten für Fahrten Pauschalen, mit denen wir bereits seit Langem nicht mehr kostendeckend arbeiten können“, sagt Kuhlmann. &bdquo;So können wir nicht länger arbeiten, weil wir damit nicht unsere Unternehmen über Wasser halten, die Arbeitsplätze sichern und die Versorgung der Bevölkerung sicherstellen können.“ Bislang erhalten die Unternehmen etwa 49 Euro pro Fahrt Viele Patienten werden im Tragestuhl oder auf der Liege transportiert, betreut werden sie dabei von zwei Mitarbeitern. Die AOK Nordwest, die größte Krankenkasse in OWL, zahlt Kuhlmann für Transporte dieser Art einen Festpreis von 49 Euro sowie 2,10 Euro ab dem sechsten Kilometer. Die Bezahlung anderer Krankenkassen ist ähnlich, da sie sich an der AOK Nordwest orientieren. Die Angebote für die neuen Verträge zwischen Krankenfahrten-Anbietern und Kassen bezeichnet Kuhlmann als Frechheit. &bdquo;Die AOK Nordwest und die IKK bieten beispielsweise ein Plus von 0,80 Euro pro Fahrt-Pauschale und ein Plus von 0,03 Euro ab dem sechsten Kilometer.“ Alle Zahlungen sind vertraglich geregelt und mit jeder Kasse einzeln vereinbart. Das bedeutet, dass jedes Unternehmen mit jeder Kasse eigene Verträge abschließen muss. Auch diese Praxis will die Interessengemeinschaft beenden, sie fordert eine faire und einheitliche Bezahlung. &bdquo;Aktuell unterscheidet sich die Bezahlung sogar innerhalb eines Kreises. So kann es passieren, dass für die gleichen Leistungen im Kreis Herford Unternehmen in Bünde anders bezahlt werden, als in der Nachbarstadt Enger“, moniert Stephan Häfner, Inhaber von &bdquo;Kerstins Rollstuhl Mobil“ in Bünde. &bdquo;So spielen uns die Krankenkassen gegeneinander aus. Das lassen wir nicht länger zu“, erklärt André Münk, Inhaber von &bdquo;pfd Patiententransport Minden-Lübbecke“ in Bad Oeynhausen. Elf Unternehmen mit 120 Fahrzeugen dabei Die Interessengemeinschaft, die bislang aus elf Unternehmen mit insgesamt 120 Fahrzeugen besteht, fordert zudem von allen Krankenkassen in NRW ab dem 1. September eine Preiserhöhung: 60 Euro für Fahrten mit Liege oder Tragestuhl sowie 2,30 Euro ab dem sechsten Kilometer. 29,50 Euro für Rollstuhlfahrten sowie 1,96 Euro ab dem sechsten Kilometer. Zudem für alle Fahrten einen einheitlichen Zuschlag von 50 Prozent an Sonn- und Feiertagen sowie als Nachtzuschlag ab 22 Uhr. &bdquo;Wir haben den Kassen eine Frist von zwei Wochen gesetzt“, erklärt Kuhlmann. &bdquo;Wir werden alles dafür tun, um unsere Forderungen durchzusetzen und schließen auch Streiks nicht aus.“ Zudem steht für die Interessengemeinschaft fest: &bdquo;Das sind Mindestforderungen. Angebote, die diese Forderungen nicht erfüllen, werden nicht akzeptiert“, erklärt Andreas Victor, Inhaber von Victor Krankenfahrten in Bünde. &bdquo;Die Energiekosten sind extrem hoch und wir wissen nicht, wie sich die Preise nach dem Auslaufen des Tankrabatts entwickeln werden.“ Unternehmen wollen Mitarbeiter besser bezahlen Zudem steigt im Oktober der Mindestlohn auf zwölf Euro. &bdquo;Wir würden unseren Mitarbeitern gerne deutlich mehr als den vorgeschriebenen Mindestlohn zahlen, weil ihre Arbeit hart ist und sie eine hohe Verantwortung tragen, doch solange die Krankenkassen uns nicht fair bezahlen, ist das nicht möglich“, sagt Victor. Die Interessengemeinschaft hofft, dass die Wertschätzung für ihre Arbeit durch den Zusammenschluss steigen wird. &bdquo;Die Kassen sagen uns, dass sie aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht mehr zahlen können, unabhängig davon, ob wir als Unternehmer nicht mehr wirtschaftlich arbeiten können. Bleibt es dabei, dann muss die Politik einschreiten“, fordert Kuhlmann.

Meistgelesen