Knapp bei Kasse: Müssen Krankenkassen Leistungen wie Kuren und Homöopathie streichen?

Die gesetzliche Krankenversicherung schreibt tiefrote Zahlen, weil die Ausgaben deutlich schneller steigen als die Einnahmen. Angesichts der Milliardendefizite ist jetzt die Debatte um mögliche Leistungskürzungen neu entbrannt. Der Anstoß kam von Kassenärzte-Chef Andreas Gassen: &bdquo;Man muss sich den Leistungskatalog genau anschauen: Was gehört zu einer relevanten Gesundheitsversorgung, die nicht gefährdet werden darf, und was ist nice-to-have“, hatte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) am Mittwoch in Berlin gesagt. Von solchen Kassenleistungen, die &bdquo;einfach nur nett“ seien, gebe es einen &bdquo;ganzen Bereich“. Auf Nachfrage, was er konkret streichen würde, nannte Gassen Mutter-Kind-Kuren. &bdquo;Es gibt viele Leistungen, die die Krankenkassen finanzieren, die eigentlich mit der Versorgung von Kranken nichts zu tun haben“, so Gassen. &bdquo;Da gibt es erhebliche Einsparpotenziale.“ Krankenkassen kritisieren Kassenärzte-Chef Gassen Hintergrund: Die Finanznot der Krankenkassen ist groß. Ohne weitere Steuerzuschüsse müssen die Krankenkassenbeiträge auch 2026 deutlich angehoben werden, nachdem es bereits zum Jahreswechsel einen Rekordanstieg gegeben hatte. Trotzdem sehen die Kassen Gassens Vorstoß kritisch. &bdquo;Wir müssen vielmehr darüber diskutieren, wie wir das vorhandene Geld besser und zielgenauer einsetzen”, sagte der Vorstandsvorsitzende der Techniker Krankenkasse (TK), Jens Baas, dieser Redaktion. &bdquo;Dafür brauchen wir endlich echte Reformen im Gesundheitssystem.“ Die TK ist die größte gesetzliche Krankenkasse. Um die gesetzlichen Krankenkassen kurzfristig zu entlasten, sollten bekannte Vorschläge wie die Senkung der Mehrwertsteuer auf Arznei- und Hilfsmittel oder die Anhebung des Herstellerrabatts umgesetzt werden, fordert Baas. Den Herstellerrabatt zahlen pharmazeutische Unternehmen auf Arzneimittel. Laut TK würde die Erhöhung dieses Rabatts auf patentgeschützte Arzneimittel von 7 auf 12 Prozent die gesetzliche Krankenversicherung um rund zwei Milliarden Euro jährlich entlasten. Eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Arznei- und Hilfsmittel würde bis zu sieben Milliarden Euro jährlich einsparen. Auch interessant: Homöopathie bald keine Kassenleistung mehr: Kassenchefs in OWL kritisieren Pläne scharf .responsive23-bt9ceLFRMRfOw6Qs-ttc-linechart-leistungsausgaben-der-gkv { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-bt9ceLFRMRfOw6Qs-ttc-linechart-leistungsausgaben-der-gkv { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-bt9ceLFRMRfOw6Qs-ttc-linechart-leistungsausgaben-der-gkv { padding-top: 142.86%; } } Krankenkassen-Chef fordert Hilfe vom Staat ein TK-Chef Baas fordert aber auch zusätzliche Staatshilfen: &bdquo;Der Staat muss endlich seiner finanziellen Verantwortung nachkommen und kostendeckende Beiträge für Empfängerinnen und Empfänger von Bürgergeld zahlen.“ Die aktuellen Kosten dafür belaufen sich auf rund zehn Milliarden Euro pro Jahr. Darauf pocht auch die AOK – und will zuerst über Effizienz und bessere Struktur diskutieren, ehe es um Kürzungen geht. &bdquo;Die Beitragszahler stellten im Jahr 2024 mehr als 312 Milliarden Euro für Leistungen zur Verfügung“, sagte Kai Behrens, Sprecher des AOK-Bundesverbandes, der Redaktion. &bdquo;In diesem Jahr werden es voraussichtlich mehr als 340 Milliarden Euro sein. Warum für diese Mega-Summen keine qualitativ exzellente und bedarfsgerechte stationäre und ambulante Versorgung sichergestellt wird, kann niemand plausibel erklären.“ So sehen es auch mehrere Gesundheitsexperten im Bundestag. Statt der Streichung von Leistungen brauche es einen &bdquo;entschlossenen Umbau” und &bdquo;mutige Strukturreformen“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen, Janosch Dahmen, der Redaktion. &bdquo;Wer die sozialen Schutzfunktionen der gesetzlichen Krankenversicherung aushöhlt, verschärft am Ende nicht nur die sozialen Ungleichheiten, sondern treibt auch die Kosten langfristig in die Höhe.“ Gute Gesundheitspolitik setze auf Vorsorge, nicht auf Verzicht. Lesen Sie mehr: Krankenkassen immer teurer: So sparen Sie mit Zusatzleistungen viel Geld .responsive23-9fBdSXThnjQelyNZ-donut-ausgaben-der-gkv-fuer-einzelne { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-9fBdSXThnjQelyNZ-donut-ausgaben-der-gkv-fuer-einzelne { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-9fBdSXThnjQelyNZ-donut-ausgaben-der-gkv-fuer-einzelne { padding-top: 142.86%; } } Reaktionen aus der Politik Die Bundesregierung hält sich mit Lösungsvorschlägen zurück. Erst in seiner Sommerpressekonferenz hatte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) erneut auf eine Kommission verwiesen, die im Herbst mit Lösungsideen beauftragt werden soll. Dass Schwarz-Rot im Zuge dessen Kuren oder Globuli aus den Katalogen der Gesetzlichen verbannen könnte, weisen Union und SPD von sich. Zwar sei es &bdquo;legitim”, die Wirksamkeit einzelner Leistungsbereiche von Zeit zu Zeit wissenschaftlich zu überprüfen, sagte die Gesundheitsexpertin der Unionsfraktion, Simone Borchardt, dieser Redaktion. Allerdings hätten die gesetzlichen Kassen kein Einnahme-, sondern ein strukturelles Ausgabenproblem: &bdquo;Wer angesichts dessen pauschale Leistungskürzungen fordert, verkennt nicht nur den Versorgungsauftrag der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern gefährdet auch das Vertrauen der Menschen in das Solidarsystem.“ Stattdessen sollte mehr auf Effizienz gesetzt werden – etwa durch Einführung eines Primärarztsystems. SPD fordert: Der Bund soll seine Rechnungen zahlen Die SPD-Fraktion schließt sich vor allem den Rufen nach Staatsgeld an, die von den Kassen kommen: &bdquo;Anstatt medizinisch notwendige Leistungen auf dem Rücken von Eltern und Kinder zu streichen, sollte der Bund zunächst seine Rechnungen zahlen“, sagt ihr gesundheitspolitischer Sprecher Christos Pantazis. Die Krankenversicherung dürfe nicht für Leistungen zahlen, für die sie nicht zuständig sei.

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