Feinde oder Freunde? Wenn Rocker und Clans in NRW gemeinsame Sache machen

Bielefeld/Duisburg. Schock in Duisburg: Bei einer Auseinandersetzung zwischen Dutzenden Personen fallen Schüsse, vier Menschen werden verletzt. Die Beteiligten stammen aus dem Rocker- und Clanmilieu. Schon früher hat sich gezeigt, dass Rocker und Clans in NRW freundschaftliche Beziehungen führen - aber auch blutige Revierkämpfe führen. Hamborner Altmarkt, Mittwochabend um 20.40 Uhr. 80 bis 100 Menschen sind an einer Auseinandersetzung beteiligt, es fallen "eine Vielzahl von Schüssen", heißt es von der Staatsanwaltschaft Duisburg. Etwa 20 sollen es gewesen sein. Vier Beteiligte werden verletzt, 15 Personen werden in Gewahrsam genommen, die dem Rocker- (konkret den Hells Angels) und Clanmilieu zugeordnet werden. Weitere Hintergründe sind noch unklar. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sprach von einem Konflikt zwischen Rockern und Clans."Bild.de" berichtet derweil von einer Auseinandersetzung im Milieu: Ein Libanese soll demnach erst vor Kurzem aus dem Duisburger Charter (Ortsgruppe, bei anderen Clubs heißen diese Chapter) der Hells Angels geflogen sein. Eigentlich sollte es laut Bericht zur Aussprache kommen, doch die Situation sei eskaliert. "Der Übergang von Clans und Rockern ist fließend. Nicht nur in Duisburg - das haben wir fast überall", kommentiert Erich Rettinghaus, NRW-Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. "Und auf der anderen Seite verfolgen Rocker und Clans durchaus gleiche Geschäftsziele. Es ist klar, dass man sich dabei in die Quere kommt." Die Situation in Duisburg war nicht der erste Streit zwischen Personen aus dem Clan- und Rockermilieu. So kam es in den vergangenen Jahren immer wieder zu blutigen Auseinandersetzungen in Dortmund zwischen dem Miri-Clan und den Rockern der Bandidos. 2018 stechen zwei Mitglieder des mittlerweile in Westdeutschland verbotenen Motorradclubs eine Clan-Größe in der Dortmunder Innenstadt nieder. Eine Notoperation rettet ihm das Leben. Wenig später wird einem der Bandidos ins Bein geschossen. Offenbar ein Racheakt. Zuletzt überfallen etwa zwei Dutzend maskierte Männer ein Tattoostudio, das den Bandidos zugerechnet werden kann."Macht-Vakuum" entstanden Später berichten Sicherheitsbehörden, dass die Angreifer aus dem Clanmilieu stammen. Unter anderem mit Baseballschlägern bewaffnet haben sie drei Bandidos in dem Studio angegriffen. Doch die ebenfalls bewaffneten Rocker setzen sich zur Wehr, wieder fallen Schüsse. Eine Person aus dem Clanmilieu wird verletzt.Der Dortmunder Polizeipräsident berichtet Ende des vergangenen Jahres zu den Hintergründen der Taten: "Mehrere Personen aus den Führungsebenen beider Milieus befinden sich nach Ermittlungen, Anklagen und Urteilen in Strafhaft oder auf der Flucht. Das führte in den vergangenen Monaten und Jahren immer wieder zu einem Macht-Vakuum und als Reaktion darauf wiederholt zu Macht-Ansprüchen." Doch es geht auch anders - denn Clans und Rocker können auch gemeinsame Sache machen. Ein gutes Beispiel: Bereits vor mehreren Jahren gründet sich ein Chapter des US-Rockerclubs Mongols in Bremen, deren sogenannte Member zu einem großen Teil aus Clan-Mitgliedern bestehen. Der Club ist mittlerweile verboten."Erweiterung der Einflussmöglichkeiten" Aus Ermittlerkreisen heißt es, dass man solche Überschneidungen auch bei den Hells Angels und beim Gremium MC sehen könne. So berichtet vor geraumer Zeit ein ehemaliger V-Mann in einer "Bild"-Dokumentation von einem Chapter des Gremium MC in dem Bundesland, bei dem vor allem in der Gründungszeit der El-Zein-Clan tonangebend gewesen sei. Das Landeskriminalamt NRW urteilt in einem aktuellen Lagebild zu Clankriminalität: "Für kriminelle Angehörige türkisch-arabischer Großfamilien dient die Betätigung im Rockermilieu überwiegend der Erweiterung von Einflussmöglichkeiten und als Mittel zur Durchsetzung eigener Geschäftsinteressen."Zudem heißt es auch aus Ermittlerkreisen, in ähnlichen Tätigkeitsbereichen von Rocker und Clans könne man neben Konfliktpotenzial auch die Möglichkeit der Verbrüderung sehen, was letztendlich zu Freundschaftsverhältnissen und Überschneidungen führen könne - und dazu, dass Personen aus dem Clanmilieu gar prominente Rollen in Motorradclubs einnehmen. Zudem passe das durchaus extrovertierte Auftreten von Clan-Mitgliedern in die Rockerszene.Den Sicherheitsbehörden sind zudem auch Freundschaften zwischen Rockern und Clans bekannt. In sozialen Medien tauchen immer wieder Fotos von Clan-Größen und Rockern auf, zum Beispiel eines mittlerweile untergetauchten Rockerbosses aus dem Raum Köln, der für einen Mord verantwortlich sein soll, sowie einem bedeutenden Miri-Clan-Mitglied aus dem Ruhrgebiet. Skurril: Auch die Clan-Größe ist mittlerweile abgetaucht. Die Sicherheitsbehörden fahnden nach ihm. Und: Das Clan-Mitglied war das Opfer, das 2018 von Bandidos in Dortmund niedergestochen wurde.

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