Kiesgrube in Erftstadt Gutachten zu Erdrutsch: Fehlender Hochwasserschutz führte zu Katastrophe

Bei der Flutkatastrophe im Sommer 2021 kam es am Tagebau in Erftstadt-Blessem zu massiven Erdrutschen, mehrere Häuser wurden mitgerissen. Zwei Gutachten, die dem WDR vorliegen, kommen zu dem Schluss, dass der vorgeschriebene Hochwasserschutz an der Südseite der Kiesgrube fehlte. Im Gutachten für die Stadt Erftstadt kommt der Ingenieurgeologe Professor Lutz-Heinrich Benner laut WDR in einem bislang unter Verschluss gehaltenen Bericht zu diesem Ergebnis: Die Totalschäden an den mehr als zehn Häusern seien "einzig und allein dem Tagebau nördlich von Blessem geschuldet". Dies sei eindeutig angesichts "der absolut fehlerhaften Konstruktion des Hochwasserschutzwalles gegründet auf lose angeschüttetem Material". Diese Aufschüttung habe zum Zeitpunkt der Katastrophe "nicht den Anforderungen an ein technisches Hochwasserschutzbauwerk nach dem Stand der Technik" entsprochen, schreibt nach Angaben des WDR der Bergbau-Gutachter Michael Clostermann im Gutachten für die für Bergbau zuständige Bezirksregierung Arnsberg. Ebenfalls für die Bezirksregierung komme der Sachverständige Burkhard Lisiecki zu dem Ergebnis, dass "der vermutliche Hochwasserdamm" im Süden des Tagebaus "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht den Anforderungen" entsprach, formulierte er nach Informationen des WDR in einer E-Mail. "Mängelfrei abgenommen" Die zuständige Genehmigungsbehörde hatte den Hochwasserschutzwall an der Südseite im Sommer 2015 "mängelfrei abgenommen". Das teilte RWE, Mutterkonzern des Kiesgrubenbetreibers RBS, dem Sender in einer Stellungnahme mit. "Der Hochwasserschutzwall entsprach nachweislich und behördlich abgenommen den Auflagen", erklärte das Unternehmen auf die WDR-Anfrage. Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt gegen mehrere Verdächtige: gegen den Eigentümer und Verpächter des Tagebaus in Erftstadt, gegen fünf Beschuldigte des Betreibers sowie vier Beschuldigte der Bezirksregierung Arnsberg, die die zuständige Aufsichts- und Genehmigungsbehörde ist. Im Januar hatte es Durchsuchungen an 20 Anschriften gegeben, vor allem in Bergheim, Erftstadt, Köln und Dortmund. "Es besteht der Verdacht, dass die Beschuldigten die Zustände an dem Hochwasserschutzwall und den Grubenböschungen aufgrund ihrer beruflichen Befassung mit der Kiesgrube hätten erkennen und für Abhilfe hätten sorgen können und müssen", hatte der Kölner Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer Anfang Januar zu den Vorwürfen an die Verdächtigen gesagt.Pinkwarts Ministerium war früh im Bild Relativ früh nach der Katastrophe sei laut WDR-Angaben auch im NRW-Wirtschafts- und Energieministerium klar gewesen, dass der Hochwasserschutz der Blessemer Kiesgrube fehlerhaft war. Laut WDR formulierte ein Ministerialrat am 25. August 2021 in einem Schreiben, es gebe Zweifel, ob die "vorgeschriebene Hochwasserschutzeinrichtung am Südrand des Tagebau-Altbereichs [] vorhanden war oder im Falle, dass sie vorhanden war, ausreichend bemessen war und ihre Funktion hinreichend erfüllen konnte". In Unterrichtungen des Ministeriums an den Landtag wurden diese erheblichen Bedenken laut WDR nicht berücksichtigt. Auf Anfrage des Senders erklärt das Wirtschafts- und Energieministerium, das Parlament "zeitnah" über "den Stand der Erkenntnisse" informiert zu haben – und verweist darauf, dass der Gutachter der Bezirksregierung in der Ausschusssitzung im September seine Erkenntnisse zum Hochwasserschutz vorgetragen habe. Stefan Kämmerling, Obmann der SPD im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Hochwasserkatastrophe, kündigte gegenüber dem WDR Konsequenzen an: Man brauche jetzt "ganz dringend die Akten aus dem Wirtschaftsministerium", darüber hinaus solle Minister Pinkwart (FDP) im Untersuchungsausschuss vorgeladen werden.

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