Mit Pfannkuchen betäubt: Der rätselhafte Teppichmord von Paderborn

Paderborn. Was sich im April 1997 auf dem Hof der Paderborner Polizeibehörde abspielt, nimmt sich aus wie der Beginn eines skurrilen Kriminalfilms. Ein Polizist kontrolliert einen VW-Bulli. Der Wagen steht bereits seit drei Tagen auf dem Hof. Er wurde im Zusammenhang mit dem Einbruch in eine Postfiliale sichergestellt. Doch statt der Beute liegt in dem Transporter - eingerollt in einen Teppich - die Leiche eines Mannes. Eugen P., ein Familienvater aus Paderborn und seit 14 Tagen vermisst gemeldet, ist mit einem Kopfschuss getötet worden. Nun laufen nicht nur die Ermittlungen wegen eines spektakulären Einbruchs. Eine Diebesbande war in eine Postfiliale eingestiegen, hatte einen Tresor mitgenommen, diesen in einem Sportheim aufgebrochen und sich mit Bargeld und Briefmarken im Wert von 20.000 D-Mark aus dem Staub gemacht. Rasch nimmt eine 15-köpfige Mordkommission ihre Arbeit auf. Was hatte Eugen P. mit den Tresordieben zu tun? Musste der 36-Jährige sterben, weil er ihnen ins Gehege gekommen war? Doch nach 48 Stunden steht für die Fahnder fest: Es war alles ganz anders. Einfach ist der Fall nicht, auch wenn mit Franz M. aus Lichtenau rasch ein Verdächtiger festgenommen wird, der aus seiner Täterschaft kein Geheimnis macht. So vermelden Staatsanwaltschaft und Mordkommission, dass der 34-jährige Autoschlosser seinen ehemaligen Arbeitskollegen mit einer Pistole Kaliber 7,65 erschoss - auf einer abendlichen Fahrt in seinem Opel Senator. Für die Beseitigung des Opfers rief Franz M. seinen Nachbarn Ralf W. zu Hilfe. In dessen Schuppen wurde die Leiche deponiert, während der Opel erst angezündet und dann an einen Schrotthändler weitergegeben wurde. Die Einbrecher fahren mit der Leiche los Die Fahnder erfahren, dass die Beseitigung der Leiche nicht so reibungslos verlief. Nachdem die Täter den Toten in einem Teppich gewickelt und in den Bulli geladen hatten, ließen sie das Fahrzeug unverschlossen vor dem Haus von Ralf W. stehen. Der Zündschlüssel steckte. Für die Einbrecher, die des Weges kamen, eine Gelegenheit: Sie brausten davon, um in einer Borchener Postfiliale einen Tresor zu stehlen. Während diese Kriminellen auf Nimmerwiedersehen entschwinden, kommen im Mordfall Eugen P. immer mehr neue Details ans Tageslicht. Justine P., die Frau des Getöteten, gerät ins Visier der Ermittler. Sie gesteht, ihrem Mann ein Schlafmittel ins Essen gemischt zu haben, um ihren Gatten - immerhin über 1,90 Meter groß und mehr als 100 Kilo schwer - wehrlos zu machen. Eugen P. sei ein Tyrann gewesen, erzählt sie. Er habe sie drangsaliert und misshandelt, auch von sexueller Gewalt ist die Rede. Die Mutter zweier Kinder darf sogar noch ein paar Tage auf freiem Fuß bleiben, bis die Richter des Landgerichts Paderborn dann doch befürchten, die Frau könne sich einem anstehenden Strafverfahren durch Flucht entziehen. Kurz darauf gilt Ralf W. als dritter Mordverdächtiger. Franz M. wollte Justine P. in ihren Eheschwierigkeiten beistehen und hatte bei einem Sportstudiobesitzer eine Pistole beschafft. Der 28 Jahre alte Maler Ralf W. soll das Beruhigungsmittel besorgt und sogar den tödlichen Schuss abgegeben haben. Das Gericht braucht nur zwei Tage für das Urteil Mittlerweile sind die Ermittler davon überzeugt, dass Franz M. seinen ehemaligen Kollegen in seinen Wagen verfrachtete. Apathisch sei Eugen P. gewesen nach dem Genuss der Pfannkuchen, deren Teig Justine P. mit Betäubungspillen der Marke &bdquo;Lexotanil" versetzt hatte. Angekommen im Heimatdorf von Franz M. sei Ralf W. zugestiegen, um den 36-Jährigen mit einem Kopfschuss zu töten, so das Ergebnis der Mordkommission nach gut zwei Wochen Ermittlungen. Im Sommer kommt der Maler nochmals kurzzeitig auf freien Fuß, weil es die Strafverfolger eine Zeitlang für möglich halten, dass sich der 28-Jährige lediglich der Beihilfe schuldig gemacht haben könnte. Mitte Oktober aber muss sich das Trio gemeinsam vor dem Schwurgericht verantworten, sie sind wegen Mordes angeklagt. Nach nur zwei Verhandlungstagen sprechen die Richter für alle drei eine lebenslängliche Freiheitsstrafe aus. Zeugen und Gutachter offenbaren Justine P. als treibende Kraft des Geschehens. Sie sei nicht &bdquo;das arme und geknechtete Wesen", ihr Mann Eugen nicht das &bdquo;Monster" gewesen, lautet das Fazit am Ende der Beweisaufnahme. Die 31-Jährige sei in der Lage gewesen, &bdquo;Kontrolle und Macht auszuüben" und habe &bdquo;die bedingungslose Befriedigung ihrer Gefühle" gesucht, sagt eine psychiatrische Gutachterin. "Wie Wachs in den Armen der dominanten Frau" All das hatte die Hausfrau wohl bei Franz W. gefunden. Der &bdquo;weiche und schüchterne" Mann sei &bdquo;wie Wachs in den Armen einer dominanten Frau" gewesen, schreibt der NW-Gerichtsreporter. Beeinflusst von den Schilderungen der Justine P. habe sich Franz W.s Beschützerinstinkt gesteigert. Unter dem Eindruck, diese &bdquo;vor der Tyrannei" retten zu müssen, schmiedete der 34-Jährige zusammen mit seiner Geliebten den perfiden Mordplan - unter Einbeziehung seines Nachbarn Ralf W. Der hatte zwar mit dem Beziehungsgeflecht nichts zu tun, fühlte sich aber, wie sein Mitangeklagter beschrieb, gern als &bdquo;großer Zampano". Das Abdrücken aber überließ der 28-Jährige dann doch, anders als zunächst geplant, Franz M. Im Mai 2012 hatte das Täter-Trio die Mindestzeit von 15 Jahren abgesessen. Die Vollstreckung des Restes der lebenslangen Freiheitsstrafe wurde "wegen guter Führung und einer positiven Sozialprognose" zur Bewährung ausgesetzt. Die drei kamen frei.

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