Der Mörder des Diskokönigs will nach 36 Jahren im Gefängnis sterben

Geldern/Enger. Die JVA in Geldern ist ein Ungetüm aus Beton. Fast 500 Menschen sind hier inhaftiert, viele schwere Jungs, Langzeithäftlinge. Einer von ihnen ist Kurt K. Er will Rechtsgeschichte schreiben. K., zu zweimal lebenslänglich verurteilt, möchte von der Anstaltsleitung Medikamente bekommen, um sich das Leben zu nehmen, wenn er keine Chance hat, in absehbarer Zeit in Freiheit zu gelangen. Suizide sind in Gefängnissen keine Seltenheit. Im vergangenen Jahr nahmen sich in NRW 23 Häftlinge das Leben. Einer hungerte sich zu Tode. Niemand griff ein. Landesjustizminister Peter Biesenbach rechtfertigte das mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. &bdquo;Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst als Ausdruck persönlicher Autonomie ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben", heißt es in den Leitsätzen zum Urteil. Auf dieses Urteil beruft sich auch Kurt K. In den Leitsätzen steht: &bdquo;Die Freiheit, sich das Leben zu nehmen, umfasst auch die Freiheit, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und Hilfe, soweit sie angeboten wird, in Anspruch zu nehmen." Sein Vater verstümmelt die Mutter Kurt K., 59, sitzt seit 36 Jahren ununterbrochen im Gefängnis. Der Mann hat ein schmales Gesicht, graue, kurze Haare, grau-blaue, wache Augen. Seine Finger spielen mit der Corona-Maske, während er erzählt. Von den Taten, die ihn hierhergebracht haben. Seine ersten Kindheitserinnerungen sind die von der Mutter, wie sie gefesselt am Küchentisch in Welstorf bei Lemgo sitzt und der Vater ihr die Kniekehlen durchschneidet, damit sie nicht wegläuft. Der Sohn landet für sieben Jahre in einem Pflegeheim in Höxter, kehrt zur Mutter zurück, der Stiefvater ist ein gewalttätiger Alkoholiker. Die Schule verlässt er ohne Abschluss, ein halber Analphabet. Die Maurerlehre bricht er ab. Er ist voller Wut. &bdquo;Ich habe mich als Ausgestoßener gefühlt und mich als Krimineller identifiziert." Seine Verbrecher-Karriere beginnt mit Einbrüchen. Mit 18 Jahren wird er das erste Mal verurteilt. 33 Monate im Jugendgefängnis in Herford, die er bis zum letzten Tag absitzen muss, weil er so renitent ist. Danach noch einmal 14 Monate. Er lernt Manfred H. kennen, die beiden wollen was Großes durchziehen, besorgen sich Waffen. &bdquo;Bedauerlicherweise haben wir die auch benutzt." Am 26. August 1985 ermorden sie bei einem Raubüberfall auf einem Reiterhof in Enger drei Menschen: den Diskokönig Hans-Günther Eickhof, dessen Freundin und einen Mitarbeiter. K. wird in Spanien festgenommen und ausgeliefert. Er erhält 1987 eine lebenslange Haftstrafe, wird im Gefängnis in Werl eingesperrt. "Ich war Mitte 20 und habe den Knast als Endstation gesehen" &bdquo;Ich war Mitte 20 und habe den Knast als Endstation gesehen. In Werl habe ich Lebenslängliche und Sicherungsverwahrte kennengelernt, die nur noch vor sich hinvegetiert haben. Da ist meine Frustrationsschwelle noch mal gesunken." In der JVA Werl sitzt auch Schwerverbrecher Michael H. ein. Am 30. Juni 1992 nehmen die beiden in der Krankenstation sechs Menschen als Geiseln. Sie fordern eine Million D-Mark und einen Fluchtwagen. &bdquo;Uns war klar, dass das wahrscheinlich im Wahnsinn enden wird. Der finale Rettungsschuss wäre das Angenehmste gewesen." SEK-Beamte schießen H. in Schulter und Lunge, als er den Fluchtwagen inspiziert. K. überschüttet Geiseln mit Alkohol. &bdquo;Ich habe dem Psychologen, der die Verhandlungen geführt hat, gesagt, dass ich die anzünden werde." Er macht eine Pause. &bdquo;Das habe ich dann leider auch gemacht." Er stürmt auf die Polizisten zu. &bdquo;Ich habe gehofft, dass die mich erschießen." Er überlebt mit sechs Kugeln im Bein. Seine Opfer erleiden schweren Brandverletzungen. Danach verbringt Kurt K. achteinhalb Jahre in Isolation, erst im Gefängnis in Bielefeld, dann in Bochum. Kein Kontakt zu anderen Menschen. Er beginnt zu lesen. Bücher über Psychologie, Philosophie. Er berichtet von Hungerstreiks und Suizidversuchen, sagt aber auch: &bdquo;Ich brauchte nichts mehr. Ich fühlte mich wohl, hatte mich von allem Menschlichen und Gesellschaftlichen freigemacht." Die ersten Menschen, mit denen er ausführlich redet, sind ein Pfarrer und eine Pädagogin. &bdquo;Ich habe denen erst in Gedanken geantwortet, weil ich ja immer in Gedanken mit mir selbst gesprochen hatte. Ich musste neu sprechen lernen." Die Diagnose der Psychologin ist eindeutig K. legt Wert darauf, dass er sich seit 1992 nichts mehr zuschulden hat kommen lassen. &bdquo;Ich habe einen Entwicklungsprozess durchlaufen. Mein bockiges Verhalten von früher ist weg, die alten Strukturen sindaufgebrochen." Nach Zwischenstationen in Wuppertal und Hagen landet er wieder in Bochum. Er spricht immer wieder mit einer Psychologin. Eine nette Frau, wie er sagt. Bis sie die Diagnose stellt. Sie: &bdquo;Sie sind überdurchschnittlich psychopathisch." Als er das erzählt, spielen seine Finger nicht mehr mit der Maske. Sie kneten sie. &bdquo;Seine psychologische Diagnose ist schwierig", sagt Andreas Schüller. Er ist Leiter der Haftanstalt in Geldern, in der K. seit 2012 sitzt. K. habe sich stets &bdquo;hausordnungskonform" verhalten, sagt Schüller. Ein ruhiger Häftling, dem die Verantwortung der Bibliothek obliegt. Das macht er gut, die Zahl der ausgeliehenen Bücher ist unter ihm gestiegen. Er ist auch einer, der viele Anträge auf gerichtliche Entscheidungen stellt. &bdquo;Ich habe mich juristisch weitergebildet",sagt K. Kurt K. ist stolz auf seine juristischen Erfolge. &bdquo;Die Gefangenen dürfen jetzt eine Playstation 2 in ihren Hafträumen haben. Das habe ich eingeklagt. Sie glauben nicht, wie gut die ihre Zeit damit rumkriegen." Er referiert über das Strafrecht und sagt Sätze wie: &bdquo;Auch ich als gebeutelter Mensch habe ein Rechtsempfinden" oder &bdquo;ich habefrüher den Strafvollzug nicht als generell feindlich erlebt, er war eben notwendig" oder &bdquo;wir als Gesellschaft haben einen Resozialisierungsauftrag gegeben und der Vollzug hat das umzusetzen". Die Privilegien für Lebenslängliche gibt es nicht mehr Der Strafvollzug habe sich verändert, klagt K. Frühere Privilegien für Lebenslängliche gebe es nicht mehr. &bdquo;Vor 2026 bin ich auf gar keinen Fall raus. Dann bin ich 64. Das akzeptiere ich. Aber ich muss eine Chance haben herauszukommen." Deswegen hat er &bdquo;vollzugsöffnende Maßnahmen" beantragt. Die sind ihm nicht gewährt worden. In der Begründung, sagt er, sei darauf verwiesen worden, dass er persönlichkeitsgestört sei. Er will das jetzt gerichtlich durchfechten. Gleichzeitig hat er beantragt, Medikamente zu bekommen, mit denen er sein Leben zu beenden kann. &bdquo;Wenn das Bundesverfassungsgericht mir bestätigt, dass ich nie wieder rauskomme, will ich die Pille. Meine weitere Existenz hätte dann keinen Sinn mehr." &bdquo;Uns war sehr schnell klar: Das machen wir nicht", sagt Anstaltsleiter Andreas Schüller: &bdquo;Wir sind dazu da, den Leuten eine Perspektive zu geben und nicht aktiv zu ihrem Ende beizutragen." !function(){"use strict";window.addEventListener("message",(function(e){if(void 0!==e.data["datawrapper-height"]){var t=document.querySelectorAll("iframe");for(var a in e.data["datawrapper-height"])for(var r=0;r

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