Raub in Paderborn: Familie muss Mord an Vater mit anhören

Paderborn. Die Szene ist kaum vorstellbar: Bei einem Raubüberfall in Paderborn Mitte der 1980er Jahre muss eine Familie eingesperrt im Keller mit anhören, wie der Vater erschossen wird. Der Täter entkommt mit einem dicken Batzen Bargeld und Wertgegenständen. Der Fall Axel B. gehört zu den Cold Cases - er ist bis heute ungeklärt. Samstag, 1. September 1984. Frank Elstner flimmert auf dem Fernsehgerät der Familie B. "Wetten, dass" läuft. Axel B. schaut die beliebte Show gemeinsam mit seiner 37-jährigen Frau Monika und dem siebenjährigen Sohn. Dessen 15-jähriger Bruder bleibt in seinem Zimmer. Axel B. ist 44 Jahre alt und Millionär. Er lebt mit seiner Familie in einem Einfamilienhaus, unmittelbar an der Pader in Schloß Neuhaus. Er hat es als Pferdehändler zu Geld gebracht. Sein Geschäft scheint zu laufen. Erst an diesem Tag hat er bei einem Geschäftstermin in Goslar einen fünfstelligen Betrag eingenommen, sicher verstaut im Safe. Dass kurz vor Sendebeginn gegen 20 Uhr das Telefon geklingelt hat, der Anrufer jedoch wieder auflegte, scheint schon vergessen. "Überfall!" Es muss nach 21 Uhr gewesen sein, so berichten es Ermittler ein paar Tage später, als das Familienidyll zerbricht. Ein vermummter Mann taucht im Haus des Unternehmers auf. Wahrscheinlich hat er es durch ein gekipptes Fenster in die Villa geschafft. In seiner Hand: eine Pistole. Er ruft "Überfall!" und "Es passiert euch nichts. Ich will nur euer Geld und den Safe!". Frau und Sohn werden in den Keller geführt. In einem vergitterten Raum werden sie eingeschlossen. Ein bellender Hund macht den Mann auf den Bruder aufmerksam. Auch er wird mit Mutter und Bruder eingesperrt. Axel B. leitet den Täter unter vorgehaltener Waffe zu seinem Safe. Mehrere Tausend Euro liegen dort. B. öffnet den Safe, gibt dem Mann das Bargeld. Auch Schmuck und Münzen erbeutet der Unbekannte. Eigentlich sollte niemandem etwas passieren. Doch als beide Männer im Flur stehen, fallen plötzlich Schüsse. Eins. Zwei. Drei. Ein Projektil hinterlässt ein Loch in der Decke, ein zweites in der Wand. Das dritte Geschoss trifft Axel B. dicht unter der linken Brustwarze - aus unmittelbarer Nähe. Eine Hauptschlagader reißt. Er stirbt noch im Hausflur. "Ich hab ihm nur ins Knie geschossen" Ermittler sprechen später von einer "Kaltblütigkeit" des Täters. Denn, so die Ermittler später, er sei nach den Schüssen die Kellertreppe hinabgestiegen, um die Ehefrau und die Kinder zu beruhigen. "Es ist nichts passiert, ich hab ihm nur ins Knie geschossen", habe er gesagt. Es vergehen mehrere Minuten, bis sich die Familie aus ihrem Gefängnis befreien kann. Mit einem Ziegelstein schlagen sie die Tür ein, angeln sich den Schlüssel. Der 14-jährige Sohn erreicht den Flur als erster - und findet den Vater in einer Blutlache. Wenig später geht der Notruf bei der Polizei ein. Doch der Kripo bleibt nur die Spurensicherung. Der Raubüberfall auf Axel B. ist der dritte innerhalb einer Woche in OWL, der tödlich endet. Gibt es einen Zusammenhang? Und wer ist der Mann, der B. überfallen und erschossen hat? Die Kripo steht vor einem Rätsel. Zumindest die Familie kann den Täter beschreiben. Er sei 25 bis 30 Jahre alt. 1,75 bis 1,80 Meter groß. Schlank. Das Haar dunkel und wellig mit grauen Strähnen - das Gesicht auffallend blass und schmal. Auch die Kleidung können die Angehörigen beschreiben. Blaue Hose, dunkler Schal, Turnschuhe. Ein grüner Parka - kein 08/15-Model, heißt es von den Ermittlern. Was hat es mit dem unbekannten Anrufer auf sich? Die Ermittler geben eine detaillierte Beschreibung an die Öffentlichkeit. Die Presse druckt ein Phantombild. Insgesamt 15.000 Euro Belohnung werden ausgerufen. Im Bekanntenkreis von Axel B. werden Alibis überprüft. Auch unter seinen Geschäftspartnern. Gaststätten und Verkehrsbetriebe im Raum Paderborn werden "unter die Lupe genommen". Auch das Landeskriminalamt ist mit im Boot. Es steht die Frage im Raum, ob der tödliche Schuss vorsätzlich oder im Kampf abgefeuert wurde. Und: Was hat es mit dem unbekannten Anrufer kurz vor der Tat auf sich? Doch die "heiße Spur" bleibt aus. Dabei bearbeiten die Ermittler mehr als 100 Hinweise - täglich werden es mehr. Bis Ende September werden mehr als 280 Personen überprüft. Eine Spur wirkt vielversprechend, bringt jedoch nichts: Am Tattag soll sich ein Mann per Taxi an die Adresse von Axel B. haben bringen lassen. Auf ihn, so die Ermittler, treffe die Täterbeschreibung zu. Sachverständige des Bundeskriminalamtes stellen später fest: Bei der Tatwaffe handelt es sich um eine umgebaute Dekowaffe oder geänderte Selbstladewaffe der Marke "Walther PP/PPK" oder "Ceska", Kaliber 7,65. Ein Cold Case Erst Anfang des Jahres 1986 kommt wieder Bewegung in den Fall. In Madrid wird ein Mann verhaftet. Er soll dringend tatverdächtig sein, zudem soll er dem Phantombild ähnlich sehen. Doch verurteilt wird er nie. Ob der in Spanien Verhaftete tatsächlich der Täter ist, ist also zu bezweifeln. Die Ermittler versuchen sogar, durch die ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY" an wichtige Hinweise zu gelangen. Die Sendung wird Anfang 1986 ausgestrahlt. Doch auch das bringt nichts ein. Der Fall, so berichtet Kai Uwe Waschkies von der Paderborner Staatsanwaltschaft, ist ein Cold Case - noch immer ungelöst. Derzeit werden die Verfahrensakten durch Polizeibeamte des Landeskriminalamtes und des Polizeipräsidiums Bielefeld gesichtet. "Dadurch soll geprüft werden, welche der genannten Cold-Cases durch pensionierte Kriminalermittler erneut aufbereitet werden sollen", so der Staatsanwalt.

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