Warum es in OWL weniger Apotheken gibt und was dagegen getan werden könnte

Bielefeld. Vom "Apothekensterben" möchte niemand sprechen. Trotzdem sei ein "besorgniserregender Trend" zu beobachten, sagt Sebastian Sokolowsky, Sprecher der Apothekerkammer Westfalen-Lippe. Seit Jahren sinkt die Zahl der Apotheken bundesweit und auch in Ostwestfalen-Lippe. In den vergangenen zehn Jahren belief sich der Rückgang in OWL laut Apothekerkammer auf rund 18,5 Prozent.Besonders viele Schließungen gab es im Kreis Lippe, wo insgesamt 28 Apotheken ihre Türen für immer schlossen. Auch im Kreis Gütersloh (21) und in Bielefeld (22) gab es über 20 Apotheken-Schließungen. Dem gegenüber stehen in Lippe sieben Apotheken-Neueröffnungen, im Kreis Gütersloh und Bielefeld waren es sechs."Der Trend muss gestoppt werden" Die Entwicklungen in den anderen Kreisen Ostwestfalens sehen ähnlich aus: Im Kreis Minden-Lübbecke und im Kreis Herford schlossen in den vergangenen zehn Jahren jeweils 17 Apotheken, in Minden-Lübbecke gab es vier Neueröffnungen, im Kreis Herford waren es sogar nur zwei. Im Kreis Paderborn schlossen 15 Apotheken und vier machten neu auf. Im Kreis Höxter waren es elf Schließungen bei zwei Neueröffnungen. Insgesamt gebe es in OWL laut Apothekerkammer heute noch 441 Apotheken. Vor zehn Jahren seien es noch 100 mehr gewesen: Nämlich 541. "Dieser Trend muss gestoppt werden und im besten Fall umgekehrt werden", appelliert Nina Grunsky, Sprecherin des Apothekerverbandes Ostwestfalen-Lippe. Gerade die derzeitige Pandemie-Lage zeige, wie wichtig ein dichtes Netzwerk sei, um die Versorgung aller Patienten sicherstellen zu können, sagt Grunsky.Jeder dritte Apotheker über 60 Die Gründe für die sinkenden Zahlen seien "multifaktoriell", so bezeichnet Sokolowsky es, und von Standort zu Standort unterschiedlich. "Noch immer erzielen Apotheken etwa 80 bis 90 Prozent ihres Umsatzes mit verschreibungspflichtigen Medikamenten." Die Tatsache, dass in ländlichen Räumen weniger Arztpraxen zu finden sind, sei darum beispielsweise einer der Gründe, warum es Apotheken außerhalb der Städte meist schwieriger haben.Doch ein deutlich größeres Problem sei der Nachwuchsmangel, sagt Grunsky. "Schon lange ist der Apothekerberuf ein sogenannter Engpassberuf." Laut Studien des Bundesverbands der Apotheker werden 2029 rund 10.000 Apotheker fehlen und spätestens 2040 werde der Bedarf an Pharmazeuten doppelt so hoch sein wie das Angebot. Schon jetzt sei jeder dritte Apothekenbetreiber über 60 Jahre alt. Pharmazeutische Dienstleistungen kommen hinzu Dabei nehme die Anzahl der Beschäftigten in Apotheken laut Apothekerverband von Jahr zu Jahr zu. Auch Sokolowsky betont: Die Ausbildungszahlen seien nicht zurückgegangen. "Aber das Angebot einer Apotheke wird immer breiter, sodass an einem Standort mehr Fachkräfte beschäftigt werden", erklärt Grunsky. Ein Beispiel sei die Ausgabe der Impfzertifikate während der Coronapandemie."Und in Zukunft werden noch mehr pharmazeutische Dienstleistungen hinzukommen", kündigt Sokolowsky an. Denkbar seien Arzneimittel-Analysen, die Überprüfung von Medikationsplänen oder auch Impfungen, wie sie aktuell bereits als Pilotprojekt in einzelnen Apotheken in NRW durchgeführt werden. "In der Schweiz oder in Frankreich ist es völlig normal für eine Impfung in die Apotheke zu gehen, dadurch werden Hausärzte entlastet."Innovativer Pharmazie-Studiengang in OWL Die Konkurrenz aus dem Netz durch Online-Apotheken gehöre weniger zu den Gründen aus denen Apotheken schließen. Gerade Nacht- und Notdienste seien unverzichtbar und nicht von Online-Händlern zu leisten. "Überhaupt, die persönliche Beratung in der Apotheke wird immer wichtiger bei einer älter werdenden Bevölkerung", betont auch Grunsky.Kammer und Verband sind sich einig: Um der Entwicklung entgegenzuwirken brauche es in erster Linie mehr ausgebildete Pharmazeuten. Der einzige Ausbildungsstandort in der Umgebung ist die Universität in Münster. Aktuell befinden sich Apothekerverband und -kammer Ostwestfalen-Lippe darum mit dem Land NRW in Gesprächen, um eine akademische pharmazeutische Ausbildung in der Region anbieten zu können.Sowohl die Universität Bielefeld als auch die Technische Hochschule Ostwestfalen-Lippe seien bereit, so einen Studiengang in Kooperation mit der neuen medizinischen Fakultät der Uni Bielefeld zu schaffen. "Denkbar wäre zum Beispiel ein innovativer Pharmazie-Studiengang in engem Austausch mit der Medizin, der die Studierenden auf die erweiterten Aufgaben in der Apotheke vorbereitet", sagt Grunsky. Außerdem erhoffen Kammer und Verband sich, den "Klebeeffekt" nutzen zu können und die Absolventen in der Region halten zu können. Damit die flächendeckende Versorgung in OWL auch in Zukunft sichergestellt bleibt.

Meistgelesen