Lage der Intensivstationen

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Zahl der Corona-Patienten steigt: Fast nur Ungeimpfte in OWL-Kliniken

Krankenhäuser in OWL verzeichnen wieder ein leichtes Plus an Patienten. Sie rechnen im Herbst mit einer vierten Welle, die vor allem Ungeimpfte treffen wird.

Erstmals seit Beginn der Sommerferien verzeichnen die Krankenhäuser in OWL wieder ein Plus an Covid-19-Patienten. | © picture alliance

Carolin Nieder-Entgelmeier
14.08.2021 | 14.08.2021, 10:33

Bielefeld/Berlin. Die Zunahme der Corona-Neuinfektionen in Deutschland führt aktuell wieder zu einem Anstieg schwerkranker Covid-19-Patienten. Auf den Intensivstationen in deutschen Krankenhäusern müssen aktuell 471 Covid-19-Patienten behandelt werden. Vor einer Woche waren es noch 359. Auch in OWL beobachten die Kliniken ein Plus an Covid-19-Patienten. Auffällig: Die Patienten sind jünger und haben in den meisten Fällen keinen oder noch keinen vollständigen Impfschutz gegen das Coronavirus. Aufgrund des stockenden Impftempos in Deutschland rechnen die Krankenhäuser deshalb ab Herbst mit einer vierten Welle, die sich unter Ungeimpften ausbreiten wird.

„All unsere Patienten, die nach einer Corona-Infektion an Covid-19 erkrankt sind, haben sich gegen eine Impfung entschieden oder verfügen noch nicht über den vollständigen Impfschutz", erklärt der Sprecher der Mühlenkreiskliniken im Kreis Minden-Lübbecke, Christian Busse. „Einige wenige Patienten haben sich trotz Impfung mit dem Coronavirus infiziert, sie zeigen jedoch keine Symptome, weil sie nicht erkrankt sind."

"Erkrankte sind aktuell zwischen 20 und 30 Jahren"

Die Patienten mit Impfdurchbrüchen wurden laut Busse zudem nicht wegen der Infektion ins Krankenhaus eingeliefert, sondern aufgrund anderer Erkrankungen. „Die Infektionen sind bei unseren Routine-Corona-Tests aufgefallen. Die Viruslast war aber so gering, dass unsere Experten davon ausgehen, dass die Patienten nie ansteckend gewesen sind." In den Mühlenkreiskliniken werden laut Busse derzeit sieben Covid-19-Patienten behandelt, davon ein Betroffener auf der Intensivstation. „Die Patienten werden immer jünger. Derzeit sind es überwiegend Erkrankte zwischen 20 und 30 Jahren. Junge Menschen erkranken zwar deutlich seltener schwer, als ältere Menschen, doch wenn sie erkranken, dann häufig schwer."

Auch im Klinikum Lippe beobachten die Mitarbeiter, dass ihre Covid-19-Patienten zunehmend jünger werden und häufig nicht geimpft sind. „Das ist nicht überraschend, da sich aktuell vor allem junge Menschen anstecken und diese Gruppe noch nicht gut durchgeimpft ist", erklärt Pneumologe Maik Brandes, Chefarzt der Klinik für Pneumologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin am Klinikum Lippe.

Pneumologe Maik Brandes, Chefarzt der Klinik für Pneumologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin am Klinikum Lippe. - © Klinikum Lippe
Pneumologe Maik Brandes, Chefarzt der Klinik für Pneumologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin am Klinikum Lippe. | © Klinikum Lippe

„Es kommt auch zu Impfdurchbrüchen, da die Impfung mit steigendem Alter und bei bestimmten Erkrankungen weniger gut schützt, doch Betroffene sind in den meisten Fällen trotzdem vor schweren Krankheitsverläufen und damit vor einer intensivmedizinischen Behandlung geschützt." An den beiden Standorten in Lemgo und Detmold werden nach Angaben des Intensivmediziners derzeit 12 Covid-19-Patienten behandelt, davon zwei Betroffene auf der Intensivstation.

Kliniken rechnen fest mit steigenden Patientenzahlen im Herbst

Die große Frage mit Blick auf die kommenden Monate ist für die Kliniken nun, inwieweit die bisherigen Impferfolge eine hohe Belastung des Gesundheitssystems trotz steigender Infektionszahlen verhindern können. Alle zugelassenen Impfstoffe schützen laut Robert-Koch-Institut vollständig Geimpfte wirksam vor einer Erkrankung, auch bei der mittlerweile dominierenden Delta-Variante. Doch bislang sind in Deutschland lediglich 56 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft.

In OWL rechnen die Kliniken deshalb fest mit einer vierten Welle. „Die Zahl der Covid-19-Patienten wird ab Herbst mit Sicherheit wieder deutlich ansteigen, doch das Ausmaß ist davon abhängig, wie viele Menschen sich nun noch impfen lassen", erklärt Intensivmediziner Bernd Schönhofer, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Pneumologie und Intensivmedizin am Evangelischen Klinikum Bethel (EvKB). „Die vierte Welle wird sich unter den Ungeimpften ausbreiten und das wird die Kliniken und ihre Teams belasten, wenn nach und nach Menschen erkranken, die sich bewusst gegen einen Schutz entschieden haben." Aktuell werden im EvKB vier Covid-19-Patienten behandelt.

Intensivmediziner Bernd Schönhofer, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Pneumologie und Intensivmedizin am Evangelischen Klinikum Bethel - © EvKB
Intensivmediziner Bernd Schönhofer, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Pneumologie und Intensivmedizin am Evangelischen Klinikum Bethel | © EvKB

Klinken sorgen sich um ungeimpfte Schwangere

Die kommenden Wochen werden nach Einschätzung von Intensivmediziner Achim Röper eine Tendenz zeigen. „Mit dem Ende der Ferien beginnt die Schule, die Urlauber kommen zurück und mit sinkenden Temperaturen verbringen wir alle wieder weniger Zeit draußen. Dann wird sich zeigen, wie stark eine vierte Welle ausfallen kann", sagt Röper, leitender Oberarzt der Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie am Klinikum Bielefeld.

Besonders groß ist die Sorge, dass aufgrund der Ausbreitung der Delta-Variante zunehmend auch Schwangere erkranken. „Dieser Trend lässt sich leider bereits im Ausland beobachten, weshalb wir Schwangeren nach einem Aufklärungsgespräch mit ihrem Arzt dringend zu einer Impfung raten", sagt Schönhofer. „Studien zeigen, dass die Impfung Schwangere sicher vor einem schweren Krankheitsverlauf schützt und damit vor Schäden, die Mutter und Kind betreffen können." Schönhofer rechnet deshalb ebenso wie der Berufsverband der Frauenärzte mit einer baldigen Anpassung der Stiko-Empfehlung, die dann alle Schwangeren umfasst.

Erstmals seit Beginn der Sommerferien wieder mehr Covid-19-Patienten

Dass die Impfung vor einer Erkrankung schützt, zeigt sich nach Einschätzung der Kliniken bereits seit dem Ende der dritten Welle. „Seitdem die Risikogruppen geimpft sind, sind die Patientenzahlen in den Kliniken deutlich gesunken", sagt Brandes. Auch aktuell sei die Lage auf den Intensivstationen ruhig. „Doch wir registrieren aktuell erstmals seit dem Beginn der Sommerferien wieder einen Anstieg an Covid-19-Patienten. Das passiert alles noch auf einem niedrigen Niveau, doch leer sind die Stationen trotzdem nicht, weil weiterhin auch Patienten aufgrund anderer Erkrankungen versorgt werden müssen."

Zudem müssen laut Busse nach wie vor noch verschobene Operationen und andere Behandlungen nachgeholt werden. „Zudem haben sich in den vergangenen Wochen viele Überstunden und Urlaubstage angesammelt, die nach und nach abgebaut werden müssen."