Betroffene im Krisengebiet: "Die Zerstörung ist nicht in Worte zu fassen"

Ahrbrück/Osnabrück. Der Schock sitzt Julia Rieseler und ihrem Lebensgefährten noch in den Knochen, als sie am Montag wieder mit ihrem gewohnten Alltag beginnen. In Gedanken sind sie noch bei ihrer Familie in Ahrbrück, einer zerstörten Gemeinde im überschwemmten Ahrtal in Rheinland-Pfalz, an der Grenze zu NRW. Die beiden Osnabrücker sind am Wochenende in das Katastrophengebiet gereist, um ihrer Familie zu helfen. &bdquo;Bis auf ihr Leben haben sie alles verloren. Die Zerstörung ist nicht in Worte zu fassen", sagt Rieseler. Während sich in einigen betroffenen Gemeinden und Städten in den vergangenen Tagen schon Politiker ein Bild von den Aufräumarbeiten nach dem Hochwasser machen konnten, sind viele andere Kommunen weiterhin von der Außenwelt abgeschnitten. &bdquo;Im Ahrtal können manche Orte auch heute noch, vier Tage nach dem Hochwasser, nur mit dem Helikopter erreicht werden. Wasser und Lebensmittel müssen aus der Luft abgeworfen werden", erklärt Rieseler. Erst vier Tage nach dem Hochwasser treffen Rettungskräfte ein Auch Ahrbrück, die Heimat ihrer Schwiegereltern, Schwäger, Schwägerinnen sowie ihrer sechs Neffen und Nichten, war laut Rieseler über mehrere Tage nicht erreichbar. &bdquo;In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag wurden sie von der Feuerwehr vor den Fluten gewarnt und mussten ihre Häuser verlassen. Am Sonntag kamen nach der Katastrophe dann die ersten Rettungskräfte und die Bundeswehr. Vorher war kein Durchkommen." Rieseler und ihr Lebensgefährte erfahren noch Mittwochnacht, dass ihre Familie die Häuser aufgeben muss. &bdquo;Vorher hatten sie noch vergeblich versucht, die Häuser vor dem Wasser zu schützen. Vergeblich." In der Katastrophennacht fällen sie die Entscheidung, möglichst bald zu ihrer Familie zu fahren, um zu helfen. &bdquo;Am Samstag haben wir dann das Auto mit Stromaggregaten, Schüppen und Kleidung beladen und uns bis nach Ahrbrück durchgekämpft." Es dauert Stunden, bis die Beiden das Katastrophengebiet erreichen. &bdquo;Die Infrastruktur ist großflächig zerstört, viele Wege sind unpassierbar." Doch sie schaffen es und treffen auf eine Familie, die unter Schock steht. &bdquo;Die Opfer dieser Katastrophe haben das alles noch gar nicht realisieren können. Sie versuchen zu funktionieren und alles zu regeln, denn sie stehen im wahrsten Sinne des Wortes vor den Trümmern ihrer Existenz", sagt Rieseler. &bdquo;Neben ihrem Haus haben mein Schwager und meine Schwägerin auch ihre berufliche Existenz verloren. Das Elektrotechnik-Unternehmen meines Schwagers wurde durch das Hochwasser ebenso zerstört wie das Altenheim, in dem meine Schwägerin arbeitet." Die Bewohner des Heims mussten laut Rieseler mit Helikoptern evakuiert werden. "So stellt man sich Kriegsgebiete vor" Gemeinsam versucht die Familie nun zu retten, was noch zu retten ist, doch viel Hoffnung gibt es nicht. &bdquo;Die Häuser, die nicht vom Hochwasser zerstört wurden, sind einsturzgefährdet und dürfen nicht betreten werden. Zudem ist alles von einer 30 Zentimeter hohen Schlammschicht bedeckt", erklärt Rieseler. &bdquo;So stellt man sich Kriegsgebiete vor. Diese Art von Zerstörung habe ich nicht für möglich gehalten." Auch die Bilder aus Schuld und anderen betroffenen Gemeinden, die seit Tagen durch die Medien gehen, können laut Rieseler nur einen Teil der Zerstörung zeigen. &bdquo;Das Ausmaß übersteigt die Vorstellungskraft." Zudem fehlt es nach Angaben Rieselers in Ahrbrück und vielen anderen Kommunen noch immer an dem Nötigsten. &bdquo;Es gibt kein Trinkwasser, Strom oder Mobilfunkempfang. Es fehlt an Benzin, Stromaggregaten und Schüppen." Außerdem herrscht große Ungewissheit. &bdquo;Unsere Familie weiß nicht, wo sie in Zukunft leben kann. Aktuell leben sie bei Freunden, doch es wird dauern, bis die Häuser wieder stehen, denn das gesamte Dorf muss neu aufgebaut werden." "Opfer sind auf schnelle, unbürokratische Hilfe angewiesen" Laut Rieseler erreichen bereits erste Transporte mit Sachspenden die Region. &bdquo;Die Betroffenen freuen sich sehr über die große Spendenbereitschaft, doch aktuell können sie Möbel, Spielzeug und andere Sachspenden noch nicht nutzen, weil sie ihr Zuhause verloren haben. Nötig ist aktuell finanzielle Hilfe für den Wiederaufbau." Deshalb hoffen die Betroffenen laut Rieseler auch, dass die Versprechen der Bundes- und Landesregierungen zügig umgesetzt werden. &bdquo;Die Opfer der Katastrophe sind auf schnelle und unbürokratische Hilfe angewiesen." Denn noch sei unklar, ob und wie viel die Versicherungen als Ausgleich für die Schäden zahlen werden. &bdquo;Da das Hochwasser auch alle Unterlagen sowie die Computer zerstört hat, muss nun vielrekonstruiert werden." Um ihre Familie weiter zu unterstützen, werden sich Rieseler und ihr Lebensgefährte in dieser Woche wieder auf den Weg nach Ahrbrück machen. Außerdem haben sie ein Spendenkonto für die Familie eingerichtet. Menschen, die den Hochwass-Opfern finanziell helfen möchten, können sich per Mail bei Julia Rieseler melden.

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