Organisierte Kriminalität: Verfassungsschutz soll Clans und Co. überwachen

Bielefeld. Rocker, Clans, Mafia - die Organisierte Kriminalität hält die Sicherheitsbehörden in NRW massiv auf Trab. Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) will den Verfassungsschutz ins Boot holen, der zum Beispiel Extremisten nachrichtendienstlich überwachen kann. Doch was hat es mit der Forderung auf sich? Lesen Sie auch: Wie sich die Rocker-Szene in NRW nach dem Bandidos-Verbot verändern wird Erich Rettinghaus ist bedient. Der NRW-Chef der DPolG sowie seine Kollegen bei der Polizei stehen vor einem großen Problem: der Kampf gegen die Machenschaften krimineller Clan-Mitglieder. "Das Feld ist gigantisch - NRW ist ein Brennpunkt", sagt Rettinghaus. Doch auch Rocker oder die Mafia aus verschiedenen Ländern haben längst in NRW Fuß gefasst. Alle werden zum Teil der Organisierten Kriminalität zugerechnet. Rettinghaus berichtet: "Immer öfter werden Zusammenhänge zwischen der Organisierten Kriminalität und all seinen Erscheinungsformen und der politisch motivierten Kriminalität erkannt." Er befürchtet zudem, dass Geld aus kriminellen Machenschaften womöglich auch in Länder fließen kann, in denen der Terrorismus herrscht. Grund also, dass der Verfassungsschutz künftig beim Thema Clankriminalität und Co. mit im Boot ist? Rettinghaus sieht darin Vorteile. Denn: Bei der Polizei gilt das Legalitätsprinzip - der Strafverfolgungszwang. Die Polizei muss bei laufenden Straftaten eingreifen und diese verhindern - und auch bei laufenden Überwachungen die Täter stellen. "Das nutzen die Clans aus. Manche Mitglieder setzen wissentlich Minderjährige oder Personen ohne Führerschein ans Steuer, sodass wir als Polizei eingreifen müssen, statt die Strukturen der Clans zu beobachten", nennt Rettinghaus ein skurriles Beispiel. Der Verfassungsschutz hingegen habe weder eine Zugriffpflicht, noch ein Zugriffsrecht im polizeilichen Sinne. Ein entsprechender Antrag scheiterte So ganz neu ist die Forderung dann allerdings nicht. Schon vor etwa zwei Jahren hat die DPolG entsprechende Forderungen an die NRW-Politik gestellt. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter hatte ähnliche Ideen. In anderen Bundesländern - zum Beispiel Bayern und Hessen - ist der Verfassungsschutz bereits in Sachen Organisierte Kriminalität im Boot. In Berlin wurden zudem zuletzt Verbindungen zwischen Clans uns Islamisten geprüft. Doch der NRW-Verfassungsschutz sowie das Bundesamt für Verfassungsschutz haben den Bereich des organisierten Verbrechend nicht im Blick. Und: Die DPolG scheiterte in NRW mit ihren Forderungen. Die AfD griff den Vorschlag auf - der Gesetzentwurf, der vorsah, dass der NRW-Verfassungsschutz den Bereich der Organisierten Kriminalität in den Fokus nimmt, wurde abgeschmettert. Wo liegt das Problem? Zum einen aus rechtlichen Hürden. Etwa wegen des geltenden Trennungsgebotes zwischen Polizei und Nachrichtendienst. Die Sorge, eine Geheimpolizei wie die Gestapo zu NS-Zeiten könne entstehen, war damals groß - und die Sorge besteht offenbar noch immer. "Das Trennungsgebot ist historisch gesehen ein wichtiger Grundsatz", sagt SPD-Innenexperte Sven Wolf, der noch immer gegen eine Ausweitung der Zuständigkeit des Verfassungsschutzes ist. Zudem ist die Zuständigkeit des Nachrichtendienstes klar geregelt: "Die Aufgabe des Verfassungsschutzes sollte auch weiter darin liegen, Demokratiefeinde im Vorfeld zu beobachten und nicht Straftaten nachzugehen", sagt Wolf weiter. Doch auch die zusätzliche Arbeit der Verfassungsschützer und die personelle Ressourcen spielten eine Rolle. Für CDU-Innenpolitiker Gregor Golland ist das Thema aber noch lange nicht erledigt. Er war einer der ersten, der das Thema in den Fokus nahm. "Die Trennung von Nachrichtendienst und Polizei ist im Kampf gegen Terror und Organisierte Kriminalität überholt. In vielen anderen Ländern nutzt man nachrichtendienstliche Mittel, um Extremisten, Spionage und auch die Kriminalität zu beobachten", sagt Golland. Er ist sich zudem sicher: "Der internationale Terrorismus finanziert sich auch aus kriminellen Geschäften." Ein Fakt, den auch Wolf nennt und hier von Schnittstellen zwischen Bereichen der Polizei und des Verfassungsschutzes spricht, bei dem es aber sicher zu einem Informationsaustausch komme. Rechtsfreier Raum durch Gewalt und Einschüchterung Golland betont aber auch, man wolle "keine Parksünder jagen, sondern Personen, von denen echte Gefahren ausgehen". Und: "Wenn kriminelle Banden wie Clans oder Rocker immer mächtiger werden, dann schaffen sie durch Gewalt und Einschüchterung einen rechtsfreien Raum - und das ist auch ein Angriff auf die freiheitliche demokratische Grundordnung." Golland denkt darüber nach, das Thema in das Wahlprogramm für die NRW-Landtagswahlen der CDU aufzunehmen. Rettinghaus hält ebenfalls an seiner Meinung fest: "Bei der aktuellen Sicherheitslage und einer ständig latenten Anschlagsgefahr, macht sich der Staat bewusst schlank und blind", betont er. "Der Verfassungsschutz könnte langfristige Beobachtungen fortsetzen und tiefer in die Strukturen eindringen. In definierten Fällen würde der Verfassungsschutz die Polizei in Teile seiner Beobachtungen einweihen und der Polizei einen Teilzugriff und eine Gefahrenabwehr im Einzelfall ermöglichen."

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