Kinderinfluencer - müssen Eltern mit Konsequenzen rechnen?

Bielefeld. Sie sind süß, frech, und jedes Kind will so sein wie sie - Kinder-Influencer erobern das Internet. Mit Hilfe der Eltern produzieren sie Videos für Youtube, Instagram und Co., in denen sie Spielzeuge testen oder beispielsweise die neuste Kindermode präsentieren. Deutsche Kanäle, wie &bdquo;Alles Ava" oder &bdquo;Mavie Noelle" haben über Hunderttausende an Followern, "Mileys Welt" auf Youtube sogar 933.000. Und weil es so einfach aussieht und sich damit trotzdem sehr viel Geld verdienen lässt, wollen immer mehr Kinder Videos machen und sie ins Netz stellen. Ein ertragbringender Kanal bei Youtube darf erst ab 16 Jahren eröffnet werden und nur mit der Zustimmung der Eltern. Das Geld, das die jüngeren Kinder-Influencer demnach verdienen, müssen die Eltern verwalten. Doch sollten Eltern dabei nicht nur das Organisatorische beachten, auch die Rechte des Kindes und deren Schutz sollten vorher gründlich überlegt sein. Modernisierter Gesetzesentwurf zum Kinderschutz Dass es mit dem Kinderschutz im Netz nicht weit her ist, ist seit längerem bekannt. Deshalb hatte sich die Bundesfamilienministerin Franziska Giffey erst kürzlich des Problems angenommen und eine Modernisierung des Jugendschutzgesetzes durchgebracht. Sie hatte deutlich gemacht, wie wichtig Social Media mittlerweile für Kinder geworden sei. Bei dem neuen Entwurf werden insbesondere die Internetanbieter in die Pflicht genommen. Für die Einhaltung der Anbieterpflichten wird es zukünftig eine Bundeszentrale für Kinder- und Medienschutz geben. Diese soll auch für die Weiterentwicklung des Kinder-und Medienschutzes zuständig sein. Von einem Kinderschutz für Kinderinfluencer stand in dem modernisierten Entwurf aber vorerst noch nichts. Eltern trifft eine Fürsorgepflicht Denn schon lange sehen viele Kinderschützer bei den Kinderinfluencern einen Schutzbedarf - oft auch vor den eigenen Eltern.Selten sei den Kindern bewusst, was es bedeutet, ihr Leben im Internet vor Millionen von Zuschauern auszubreiten. Hinzu komme die Zeit, die sie in die Dreharbeiten investieren - teilweise mehrere Stunden am Tag. Die Frage, ab wann es kein Hobby mehr sei, sondern schon Kinderarbeit, wird heiß diskutiert. In einer Folge des ARD-Kulturmagazins &bdquo;Titel, Thesen, Temperamente" erzählt die zwölfjährige Kinder-Influencerin Ilia zum Beispiel, dass ihre Freundinnen sie oft fragten, ob sie samstags Zeit hätte. Da müsse sie jedoch immer ablehnen, denn Samstag sei Drehtag. Und die Eltern der elfjährigen Miley betonen immer wieder, wie viel Spaß Miley an den Videos habe. Nur mittlerweile haben ihre Eltern ihre Jobs aufgegeben und widmen sich nur noch dem familiären Youtube-Geschäft. Petition für geregelte Kinderarbeit im Netz "Egal ob die Kinder gewickelt, verarztet oder getröstet werden, alles wird für das eigene Publikum dokumentiert und kommentiert", sagt Toyah Diebel. Die Satire-Influencerin sehe es fast täglich, wie insbesondere Mütter ihren Kindern vor der Kamera jegliche Privatsphäre absprächen. Gemeinsam mit mit Wilson Gonzales Ochsenknecht startete sie deshalb die Kampagne "Dein Kind auch nicht" und etwa vor einem Jahr die Petition "#Digitale Kinderarbeit braucht Regeln". In der Petition fordert sie eine Überarbeitung des Jugendarbeitsschutzgesetzes und dessen Anpassung an zeitgemäße Plattformen, wie zum Beispiel YouTube und Instagram. Mittlerweile habe sich auch schon einiges getan: Das Thema finde im Netz immer mehr Beachtung, und auch Firmen würden sich in ihrer Verantwortung in Sachen Kooperationen immer mehr bewusst werden. Schließlich seien sie es, die diesen Eltern Geld oder Produkte für den Content bezahlen, sagt Diebel. Aber dennoch gebe es für die Kinder-Influencer im Netz immer noch keine gesetzliche Regelung, die deren Persönlichkeitsrechte schütze. Ausnahme im Jugendarbeitsschutzgesetz Nur wenn bewiesen werden kann, dass das Kind als Influencer "arbeitet", gibt es eine Ausnahme - und zwar im Jugendarbeitsschutzgesetz. Wie am Beispiel der Kinder-Influencerin Miley: 2017 bekam als Erziehungsberechtigter Vater Robert Henle die Auflagen, die Kinder beim Film- und Fernsehen auch bekommen. Unter anderem dürfen Kinder bis zum 14. Lebensjahr, mit einer bestimmten Erlaubnis, im Jahr an bis zu 30 Tagen, zu je drei Stunden (fünf Stunden Aufenthalt, inklusive Pausen) arbeiten. Der Kinderschutz seiner Tochter sei niemals bedroht gewesen, schreibt er - und dennoch bekam die Familie 2019 noch strengere Auflagen zu der erlaubten Arbeitszeit des Kindes. Überprüft werde diese jährliche Dreherlaubnis vom Kinderarzt, der Schule, einem Psychologen des Jugendamtes und durch das zuständige Jugend- und Gewerbeamt, schreibt Henle auf der Familien-Homepage. "Auch eine Art von Missbrauch" Ab wann es Arbeit für das Kind sei, hänge von dessen Belastbarkeit ab, sagt der Bielefelder Medienanwalt Ralf Petring. "Die Eltern haben die Sorgfaltspflicht, die Kinder vor Gefahren zu schützen - auch vor denen im Internet." Eltern, die Filmaufnahmen ohne das Wissen ihres Kindes oder gar gegen dessen Willen online stellen, begehen Persönlichkeitsrechtsverletzungen, gegen die das Kind theoretisch vorgehen könnte. Es sei zum Beispiel denkbar, dass ein Kind mit fünf Jahren freiwillig bei natürlichen, nicht gestellten Szenen mitgemacht hat, das Video aber später, sobald das Kind eine ausreichende Einsichtsfähigkeit und ein eigenes Rechtsempfinden entwickelt hat, nicht mehr seinem Willen entspräche. Dann sei das Video aber im Internet kaum noch zurückzuholen. "Auch das ist eine Art von Missbrauch", sagt Petring.

Meistgelesen