Instagram, Tiktok und Co.

Burnout und Panikattacken: Influencer aus Lippe erlebt Schattenseite des Internet-Ruhms

Florian Wiehemeier ist als Fitness-Influencer auf Instagram und Tiktok erfolgreich. Doch der große Druck machte dem 22-Jährigen zu schaffen – mit gesundheitlichen Folgen.

Florian Wiehemeier aus Blomberg ist mit 750.000 Followern auf Tiktok und 120.000 Zuschauern auf Instagram ein erfolgreicher Fitness-Influencer. Doch der 22-Jährige hat auch die Schattenseiten der schönen Scheinwelt erlebt. Seine Partnerin Giovanna Santuz (23) stand ihm auch in diesen schweren Zeiten immer bei. | © Michaela Weiße

03.11.2024 | 03.11.2024, 14:52

Blomberg. Es ist der Traum von vielen Jugendlichen: Mit Tiktok, Instagram und Co. das große Geld verdienen. Sport-, Schmink- oder sonstige Videos drehen und damit das Hobby zum Beruf machen. Influencer nennt man das. Dabei werden scheinbar ganz nebenbei ein paar Storys im Alltag gedreht, Produkte bekannter Firmen in die Kamera gehalten und sonst die Vorzüge des Lebens genossen. Diesen Eindruck erweckt die bunte Social Media-Welt jedenfalls bei den sogenannten „Followern“ – den Zuschauern vor den Bildschirmen.

Doch dass hinter dieser Glitzerwelt harte Arbeit steckt, die auch Schattenseiten hat, musste der erfolgreiche Fitness-Influencer Florian Wiehemeier aus Blomberg am eigenen Leib erfahren. Diagnose: Burnout und Panikattacken.

Dass seine Videos irgendwann so durch die Decke schießen könnten, davon hatte Florian Wiehemeier vor vier Jahren selbst nicht zu träumen gewagt. Während des Lockdowns im Jahr 2020 hatte der damals sportbegeisterte Teenager ein paar Videos gedreht und im Internet hochgeladen. „Aus Langeweile“, sagt er. Er filmte sich dabei, wie er jeden Tag ein Kilo Magerquark verspeiste und diesen statt mit einem Löffel, mit verschiedensten Gegenständen in sich „hineinschaufelte“.

Florian Wiehemeier lebt nach dem Motto, immer 110 Prozent zu geben. Doch er hat inzwischen auch gelernt, wie wichtig Pausen sind. - © Justin Schuh
Florian Wiehemeier lebt nach dem Motto, immer 110 Prozent zu geben. Doch er hat inzwischen auch gelernt, wie wichtig Pausen sind. | © Justin Schuh

Fitness-Influencer schläft nur drei bis vier Stunden pro Nacht

Auch wenn diese „verrückten“ Challenges beim Publikum gut ankamen, ließ der durchtrainierte Blomberger diese irgendwann hinter sich und konzentrierte sich immer mehr auf die Themen Fitness, Abnehmen, Ernährung und Motivation. Und bis heute hat „flowiehe“, wie er sich im Netz nennt, großen Erfolg damit: 750.000 Zuschauer folgen ihm bei Tiktok, 120.000 auf Instagram.

Nach einem Jahr Social Media sei der Spagat zwischen der Produktion seiner Videos und seinem dualen Studium in Fitnesswissenschaft und Fitnessökonomie kaum noch zu schaffen gewesen, erzählt Florian Wiehemeier. Da die Einnahmen, die er als Influencer durch Kooperationen mit zwei Firmen erzielte, inzwischen die seines Gehalts überstiegen, setzte er alles auf eine Karte. Er brach das Studium ab und konzentrierte sich voll und ganz aufs Internet.

Nach dem Aufstehen eine Runde laufen, Storys drehen, Rezeptvideos filmen, Konferenzen mit Kooperationspartnern und anderen Influencern, Training, Storys drehen, Videos schneiden, im Fitnessstudio Videos produzieren - so beschreibt „flowiehe“ seinen damaligen Tagesablauf. In der Nacht habe er dann noch weitere Videos geschnitten, um sie direkt am nächsten Morgen hochladen zu können. „Die Ansprüche an einen selbst werden immer höher“, erklärt der 22-Jährige. Schließlich wolle man mehr als eine halbe Million Zuschauer nicht enttäuschen. Nur drei bis vier Stunden Schlaf pro Nacht, monatelang, waren der Preis dafür.

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„Social Media macht süchtig wie eine Droge“

„Social Media macht total süchtig“, sagt der Blomberger. Nicht nur den Konsumenten, sondern vor allem den Creator, macht er deutlich. Wie bei einer Droge wolle man immer mehr - mehr Klicks, mehr Follower. Manche seiner Videos wurden bis zu drei Millionen Mal aufgerufen. Alles unter 100.000 Klicks habe er irgendwann als Flop angesehen und direkt wieder von seiner Plattform gelöscht. Heute sieht er das anders.

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„Im Juni 2023 fühlte ich mich krank. Ich hatte Gliederschmerzen, Fieber und war einfach schlapp“, erzählt der Influencer, der zu diesem Zeitpunkt dachte, eine Grippe zu haben. Vier Wochen sei er nur zu Hause gewesen und habe viel geschlafen. Für Social Media und Sport fehlte ihm die Kraft. „In dieser Zeit habe ich sieben Kilo zugenommen“, erzählt er. Etwas erholt kehrte er nach einem Monat auf Instagram und Tiktok zurück, um nur zwei Wochen später festzustellen, dass wieder gar nichts mehr ging. „Dann habe ich langsam verstanden, dass das nicht normal ist.“ Für Florian Wiehemeier begann eine Ärzte-Odyssee. Körperlich war alles in Ordnung. Es folgten etwa drei weitere Monate, in denen er sich in der Wohnung komplett von der Außenwelt isolierte. Inzwischen habe er selbst gewusst, dass es nur ein Burnout sein konnte.

Mit dem Bewusstsein, nun eine bessere Balance finden zu müssen, startete er Anfang dieses Jahres sein zweites Comeback im Internet. „Immer häufiger hatte ich dann so komische Momente“, berichtet der 22-Jährige und beschreibt Symptome von Schwindel und Herzrasen, zu denen später Schweißausbrüche, Luftnot und Todesangst hinzukamen. Einmal sei es so schlimm gewesen, dass ihn seine Freundin in die Notaufnahme bringen musste.

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Einkaufen und spazieren gehen wurden zur unüberwindbaren Herausforderung

Schließlich waren scheinbar einfache Dinge, wie beispielsweise einkaufen oder spazieren gehen, für ihn eine unüberwindbare Herausforderung geworden. „Ich saß im Auto vor dem Supermarkt und musste wieder nach Hause fahren“, erzählt der Tiktoker, für den nach weiteren ärztlichen Untersuchungen schnell klar war, dass es sich um Panikattacken handelt.

So musste sein Influencer-Leben erneut ruhen – und nicht nur das, sein Leben, das eigentlich keines mehr war, wie er es beschreibt, spielte sich nur noch in den eigenen vier Wänden, vorwiegend auf dem Sofa, ab. Seit seinem Burnout hatte der Fitness-Influencer inzwischen 30 Kilo zugenommen.

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Doch „flowiehe“ hat einen Weg daraus gefunden. Geholfen habe ihm, zu verstehen, was eine Panikattacke überhaupt ist. „Eine Panikattacke ist eigentlich nichts Schlechtes, der Körper funktioniert so, wie er soll, aber eben in der falschen Situation.“ Bei einer Gefahrensituation sei ein schneller Puls, das Ausblenden des Umfelds von Vorteil, aber eben nicht beim Kaffeetrinken, sagt der Blomberger und lacht.

Austausch mit anderen Betroffenen ist eine große Hilfe

Schließlich habe er sich auch professionelle Hilfe geholt. Einmal im Monat spricht er mit einer Psychologin, die selbst unter Panikattacken gelitten hat, darüber. „Allein, dass sie das nachempfinden konnte, hat mir schon geholfen.“ Ebenso der Austausch mit weiteren Betroffenen. So kämpfte er sich nach knapp neun langen Monaten langsam zurück ins Leben - sowohl ins echte als auch ins virtuelle. Seine Panikattacken seien zwar nicht weg, aber längst nicht mehr so schlimm und häufig wie noch vor einigen Monaten. Auch habe er gelernt, sich in solchen Momenten selbst wieder aus der drohenden Panik herauszuholen.

Als Fitness-Influencer stemmt Florian Wiehemeier schwere Gewichte. Gleichzeitig geht er mit seinen vermeintlichen Schwächen offen um. So will der 22-Jährige auch anderen Mut machen. - © Justin Schuh
Als Fitness-Influencer stemmt Florian Wiehemeier schwere Gewichte. Gleichzeitig geht er mit seinen vermeintlichen Schwächen offen um. So will der 22-Jährige auch anderen Mut machen. | © Justin Schuh

Seit gut anderthalb Monaten ist er nun als Influencer zurück und nimmt seine Follower dort auf seine Abnehmreise mit. Von den 30 zugenommenen Kilo seien 25 schon wieder runter, wie er sagt. Und mit seinem Burnout und den Panikattacken geht er im Netz ganz offen um. „Mir haben so viele Leute geschrieben, dass sie ähnliche Probleme haben. Auch erschreckend viele Influencer“, berichtet er. Und auch wenn er ziemlich sicher ist, dass er ohne Social Media kein Burnout bekommen hätte, so steht für ihn fest, dass er weiter machen will. Auch um andere zu motivieren, sich Hilfe zu holen.

So viele seien von Burnout, Panikattacken und Depressionen betroffen, doch kaum einer rede im Netz darüber. Vor allem Männern falle das schwer, sagt er. Doch genau deswegen wolle er offen damit umgehen, um anderen Mut zu machen und ihnen zu zeigen, dass es einen Weg daraus gibt. Auf Instagram und Co. geht es also weiter mit „flowiehe“, doch an eines wird er sich künftig halten: Pausen machen.