Ist so viel Schnee normal? Meteorologen sprechen von besonderem Ereignis

Bielefeld/Minden-Lübbecke. Natürlich brach am Sonntag keine Katastrophe aus. Aber wenn aufgrund der Schneefälle Autobahnen gesperrt und etliche Bahnverbindungen eingestellt werden, dann muss es sich zumindest um eine außergewöhnliche Wetterlage gehandelt haben. Streudienste, die nicht überrascht, sondern vorbereitet waren, kamen an ihre Grenzen. Notarztwagen blieben stecken - was in Einzelfällen durchaus dramatisch hätte enden können. Doch weil Wochenende war, konnten sich die meisten Menschen an der weißen Pracht einfach nur erfreuen. Da es aber offenbar heutzutage auch dazu gehört, tauchten nach Klimawandel-Leugnern und Coronaleugnern diesmal die Extremwetterleugner auf, die der Welt erklärten, dass so ein Wetter früher üblich war und man sich gefälligst über das Bisschen Schnee nicht aufregen solle. Was zu beweisen wäre! "Solche absoluten Schneehöhen erreichten wir zuletzt im Jahr 2010" Der Lübbecker Diplommeteorologe Friedrich Föst hat am Montag noch einmal die Wetterdaten der vergangenen Jahrzehnte auf den Schirm geholt. Dazu hat er eine Schneehöhe von 32 Zentimetern ermittelt, die im Laufe des Tages noch auf über 40 cm angewachsen ist. Föst sagt: "Solche absoluten Schneehöhen erreichten wir zuletzt im Jahr 2010. Aber damals kleckerte sich die Menge über mehrere Tage zusammen." Im Laufe des gesamten Dezembers waren vor elf Jahren 80 bis 90 Zentimeter zusammengekommen. Der Unterschied, betont Föst, liege in der Zeit. "Die Neuschneemenge lag am Sonntag in 24 Stunden bei 30 Zentimetern. Das gab es auf OWL bezogen zuletzt nur annähernd im Januar 1987." Davor müsse man schon bis zum Winter 1979 zurückschauen. Der taugt allerdings auch nicht als Vergleich, weil damals eine schwere Schneekatastrophe mit duzenden Toten den kompletten Norden des Landes heimsuchte. "Das war noch eine ganz andere Hausnummer", so Föst. Viel Schnee in sehr kurzer Zeit ist also alles andere als normal Der Meteorologe Thomas Kesseler-Lauterkorn vom Deutschen Wetterdienst in Essen stützt diese Einschätzung: "Wenn ich mir die aktuelle Wetterlage in der Kombination Neuschnee und starker bis stürmischer Wind ansehe, müssen wir schon bis in die Mitte der 1980er-Jahre (1987 oder 1985) oder sogar ins Jahr 1979 zurückgehen, um vergleichbare Ereignisse in Ostwestfalen zu finden." Viel Schnee in sehr kurzer Zeit, das belegen die Daten, ist also alles andere als normal. "Als ganz grobe Hausnummer würde ich das aktuelle Geschehen als 20- bis 30-jähriges Ereignis einschätzen", sagt Kesseler-Lauterkorn. Objektiv hatte es so ein Wetter also lage nicht gegeben. Die Verwehungen ließen die automatischen Messstationen nicht mehr einwandfrei funktionieren. Zur Sicherheit nahm Experte Föst noch mit der Hand Maß. "Der starke Wind, die Kälte und der lockere Schnee führen zudem dazu, dass die Streumittel nur vermindert wirken", ergänzt Föst. Tage mit hohem Schnee bleiben im Gedächtnis Doch zurück zur Wahrnehmung: Alle Daten belegen, dass es sich am Sonntag um ein seltenes Extremwetter gehandelt hat. Wie kommt es aber dazu, dass viele behaupten, früher sei das normal gewesen? Und was ist früher? "Im 'alten Klima' der Jahre 1961-1990 kam solch ein Ereignis noch häufiger vor als in den vergangenen 30 Jahren", beschreibt Kesseler-Lauterkorn. Er schätzt die Häufigkeit auf einmal pro Jahrzehnt. Friedrich Föst hat noch eine andere Erklärung: "Niemand erinnert sich an einen trüben Tag mit fünf Grad und Nieselregen. Aber Tage mit hohem Schnee bleiben im Gedächtnis. Die werden dann schnell auf mehrere Jahre projiziert." Über den Klimawandel, das betonen beide Meteorologen, sage der aktuelle Wintereinbruch nichts aus. "So etwas wird immer seltener vorkommen, aber es kann auch in Zukunft vorkommen", verkündet Kesseler-Lauterkorn. Das passiert dann hoffentlich wieder an einem Wochenende, damit die weiße Pracht erneut ausschließlich zum Genießen fällt.

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