Spitzenpolitiker Brinkhaus fordert klare Ansagen fürs restliche Schuljahr

Herr Brinkhaus, wie geht es Ihnen mit dem Corona-Krisenmanagement?Brinkhaus: Ich frage mich jeden Tag, was wir besser hätten machen können und was wir besser machen müssen. Es ist entschieden worden, dass wir beim Impfen mit den Ältesten und dem Pflegepersonal anfangen, und das ist richtig. Dennoch bedrücken mich die vielen Todesfälle in Pflegeeinrichtungen. Ich erwarte einen nationalen Kraftakt für die nächsten Wochen, bis die Impfungen anschlagen, um die Menschen in den Pflegeeinrichtungen besser zu schützen. Notfalls müssen Hilfsorganisationen und die Bundeswehr bei Schnelltests in Heimen unterstützen. Das klingt nach Kritik.Brinkhaus: Nein, das ist keine Kritik, sondern ein Ansatz zu einer konstruktiven und differenzierten Einschätzung darüber, welche Lehren wir ziehen müssen. Das muss nach der Pandemie gründlich aufgearbeitet werden, aber nicht mit Vorwürfen, sondern der Frage, wie es künftig besser geht. Vorwürfe gibt es gerade in der Impfstoffdebatte von der SPD an die Union. Aber die helfen doch nicht weiter, oder?Brinkhaus: Das sehe ich auch so. In der Impfstrategie wird ständig nachgesteuert. Das tun die Bundeskanzlerin und der Bundesgesundheitsminister mit den Kabinettskollegen und unseren Partnern in Europa. Aber eines ist auch richtig: Als die Entscheidung im Herbst getroffen wurde, wusste keiner, welcher Impfstoff als erstes zugelassen wird. Es wäre fahrlässig gewesen, sich auf einen zu konzentrieren. Was wäre gewesen, wenn Biontech die Zulassung nicht bekommen hätte? Und jetzt baut Biontech ja eine zusätzliche Produktionsstätte in Marburg auf. Das Kommunikationsmanagement lief nicht optimal, was der dynamischen Lage geschuldet war. Die Einrichtung von Impfzentren hat superschnell geklappt. Dadurch ist der Eindruck entstanden, jetzt geht es für alle los. Aber es war ja klar, dass wir erst in den Alten- und Pflegeheimen impfen. Wenn wir es schnell schaffen, alle in den Heimen zu impfen, werden die Todeszahlen sinken. Im Frühjahr sollten wir in die Fläche gehen können. Ist die 15-Kilometer-Regel eine glückliche Regelung?Brinkhaus: Die Regel gilt ja nur für Kreise mit Inzidenz über 200. Bei triftigen Gründen darf man die 15 Kilometer überschreiten. Das definieren die Länder jetzt. Die Regel ist wichtig als Signal für die Menschen: Kontakteinschränkungen sind entscheidend, und dazu trägt eine begrenzte Mobilität bei. Wäre es nicht besser, die Altenheime anders zu schützen?Brinkhaus: Auch jüngere Menschen können schwer erkranken und massive Folgeschäden erleiden. Lassen Sie uns das nicht vergessen. Außerdem sind wir wegen der Virusmutation in Großbritannien beunruhigt, sie bedroht alle Bevölkerungsteile. Wir müssen konsequent die Fallzahlen in der Fläche auf unter 50 drücken. Dann schauen wir uns Hotspots an und können gezielter reagieren. Die Einhaltung der verschärften Regeln lässt sich kaum kontrollieren. Was bringt das dann?Brinkhaus: Der überwiegende Teil der Bevölkerung versucht, rücksichtsvoll und verantwortungsbewusst zu handeln. Dafür möchte ich mich hier einmal bedanken. Das, was man im öffentlichen Raum kontrollieren kann, sollten wir kontrollieren. Denken wir an den Vorfall in Herford mit der Freikirche. Liegen Behörden Hinweise auf Verstöße vor, müssen sie diesen konsequent nachgehen. Die Privatsphäre der Menschen in ihren Wohnungen wird aber zu Recht nur in Ausnahmefällen verletzt. In der Bildungspolitik gibt es im Moment nur Ausnahmen. Müsste nicht NRW ein Konzept präsentieren, wie das Schuljahr weitergehen soll?Brinkhaus: Schulen, Eltern und Kinder brauchen Planungssicherheit. Da müssen jetzt die Perspektiven für den Rest des Schuljahres aufgezeigt werden. Müssen wir Maßnahmen verlängern? Welche Auswirkungen hat das auf Prüfungen? Verkürzen wir die Osterferien? Die Menschen wollen planen, das Familienleben regeln. Schüler und Eltern brauchen klare Aussagen. Etwa: Wir lassen kein Kind im Abschlussjahrgang hängen. Wir versuchen den Stoff flexibel nachzuholen. So etwas sollte man jetzt klarstellen. Umgehend. Gerade die NRW-Schulpolitik tut sich damit aber schwer.Brinkhaus: Das ist kein Problem in NRW, sondern überall eine Herausforderung. Wir sind deutschlandweit nicht gut genug in der Digitalisierung von Unterricht. Das heißt im Übrigen nicht nur, Tabletcomputer zu verteilen. Digitaler Unterricht ist eine Chance, individuell auf die Schüler zugeschnittene Lernprogramme zu etablieren. Es gibt viele gute Ideen. Nicht nur die Pandemie verlangt von uns, Schule und Bildung wirklich komplett neu zu denken. Ich will den Ländern keine Kompetenzen wegnehmen, aber wir müssen da in Deutschland einheitlicher und dynamischer vorgehen. Noch einmal zu den Angriffen aus der SPD – wie empfinden Sie diese?Brinkhaus: Die SPD sitzt auch im Corona-Kabinett und ist als Teil der Regierung in alle Entscheidungen eingebunden. Ich buche das unter Wahlkampf ab. Der Wahlkampf innerhalb der GroKo ist also eröffnet?Brinkhaus: Das war er schon vor der Weihnachtspause. Das finde ich nicht gut, denn wir müssen uns auf die Pandemie konzentrieren. Das erwarten sie alle zurecht von uns. Wahlkampf kann danach anfangen. Glauben Sie, dass das Pandemie-Management für die Wähler eine Rolle spielen wird?Brinkhaus: Wenn wir die Pandemie bis zur Bundestagswahl nicht in den Griff kriegen, wird es eine Rolle spielen. Aber momentan ist eher die Frage, wer Hauptgegner der Union wird - die Grünen oder die SPD. Derzeit liegen die Grünen da vorn. Heißt das, die SPD findet keinen Raum mehr?Brinkhaus: Die SPD ist immer ernst zu nehmen, gerade auch in Ostwestfalen-Lippe. Ich würde sie nie unterschätzen. Aber im linken Lager liegen die Grünen stabil vor der SPD. Sind die Grünen noch links?Brinkhaus: Sehr links, auch wenn sie gerne versuchen, das zu überdecken. Da reicht ein Blick auf ihre Migrations- oder Sozialpolitik. Wie ist die Lage der CDU eine Woche vor dem Wahlparteitag?Brinkhaus: Die meisten meiner Parteifreunde interessieren sich zu Recht mehr für die Pandemiebekämpfung als für den nächsten Parteivorsitzenden. Aber es ist eine tiefgreifende Entscheidung für die Partei.Brinkhaus: Das stimmt, wir wählen einen Parteivorsitzenden, der die Partei zusammenhalten muss und Verantwortung für einen Bundestagswahlkampf trägt. Das ist keine Durchgangsposition für jemanden, der eigentlich mehr will. Da muss man sich zur Parteiarbeit bekennen. !function(){"use strict";window.addEventListener("message",(function(a){if(void 0!==a.data["datawrapper-height"])for(var e in a.data["datawrapper-height"]){var t=document.getElementById("datawrapper-chart-"+e)||document.querySelector("iframe[src*='"+e+"']");t&&(t.style.height=a.data["datawrapper-height"][e]+"px")}}))}();Glauben Sie, dass jemals ein Bayer Kanzler wird?Brinkhaus: Na ja, Ludwig Erhard war immerhin Franke (lacht). Alles ist möglich. Armin Laschet, Norbert Röttgen, Friedrich Merz – wer würde die CDU wohin führen?Brinkhaus: Alle drei haben klar gemacht, dass die Zukunft der Union in der Mitte liegt. Bräuchte man nicht unterschiedliche Profile? Brinkhaus: Das hat sich so ergeben. Nun müssen andere Faktoren stärker berücksichtigt werden, etwa die Fähigkeit zur Konsensfindung oder die Bereitschaft, im Team zu arbeiten. Könnte die Lösung des Dilemmas Brinkhaus heißen?Brinkhaus: Nein! Und ganz deutlich: wir haben drei Kandidaten! Ich habe als Fraktionsvorsitzender ganz gut zu tun, und der Ostwestfale bleibt ja gerne bescheiden (lacht). Sollte Armin Laschet in die Bundespolitik wechseln, bräuchte NRW einen neuen starken Mann. Stünden Sie dafür zur Verfügung?Brinkhaus: Die CDU hat genügend qualifizierte Politikerinnen und Politiker in der NRW-Landespolitik. Ich fühle mich in der Bundespolitik sehr, sehr wohl. Was wird aus der CDU ohne Angela Merkel?Brinkhaus: Sie hat eine mehr als erfolgreiche Ära geprägt, und jetzt wird im Buch unserer Partei-Geschichte ein neues Kapitel aufgeschlagen. Wenn große Politiker aufhören, geht es trotzdem weiter. Das weiß auch Angela Merkel. Ihr Erbe bleibt. Es wird spannend, es wird anders, aber auch da bin ich gelassen.

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