Warum es Corona-Schnelltests noch nicht für jeden gibt

Bielefeld. Die Adventszeit steht bevor und der Wunsch wird größer, die Familie zu besuchen. Könnte ein Antigen-Schnelltest das ermöglichen und helfen, die Gefahr einer Corona-Infektion zu minimieren? "Ja", heißt es in einer Apotheke in der Bielefelder Innenstadt. "Aber wir dürfen die Tests nur an Ärzte oder Kliniken abgeben, nicht an Sie als Privatperson." Obendrein seien die Tests derzeit knapp, heißt in einer zweiten Apotheke. Der Engpass bestehe schon im Großhandel. Selbst niedergelassene Ärzte, die eine Groß-Packung bestellt haben, müssten auf die Lieferung derzeit einige Tage warten. Die Antworten sind bei einer Handvoll Apotheken überall gleich: Fehlanzeige. Ein Antigen-Schnelltest, wie er in vielen medizinischen Einrichtungen inzwischen verpflichtend für den Check der Mitarbeiter ist, muss von geschultem Personal durchgeführt werden. Das Evangelische Krankenhaus in Bielefeld zum Beispiel nutzt Schnelltests bei Notfallpatienten. Ein allgemeines Testzentrum für jedermann wie am Anfang der Pandemie gebe es hier aber nicht, so Bethel-Sprecher Johann Vollmer. Auch ein Facharzt verneint die Frage, ob er einen Schnelltest bei einer Privatperson durchführen kann: "Wenden Sie sich bitte an Ihren Hausarzt!" Doch mehrere Hausärzte winken ebenfalls ab: "Wir machen nur PCR-Tests - und weil die knapp sind, testen wir derzeit nur Patienten mit Symptomen." Die Zuverlässigkeit der Schnelltests liegt bei über 90 Prozent "Die Antigenschnelltests sind nur für einen Scan der Situation gedacht", bestätigt Vanessa Pudlo von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL). Auch das RKI rät davon ab, die gesamte Bevölkerung ohne Verdacht flächendeckend durchzutesten und empfiehlt ein zielgerichtetes Vorgehen. Fällt ein Schnelltest positiv aus, muss ohnehin ein PCR-Test (Polymerase-Chain-Reaction-Test) über den Hausarzt oder das Gesundheitsamt gemacht werden. Der PCR-Test dauert zwar länger, ist aber genauer - auch wenn bei den meisten Antigen-Schnelltests Sensitivität (Erkennen der Infektion) und Spezifität (Erkennen der gesunden Person) bei mehr als 90 Prozent liegen. Wer keine Symptome hat, sich aber trotzdem testen lassen möchte, muss sich an den Hausarzt wenden. Dem steht es frei, mit den Testkapazitäten, die die eigene Praxis hat, auch anscheinend Gesunde zu testen - auf Kosten der Patienten natürlich. Einige Allgemeinmediziner tun das, aber wohl nur für ihre Stamm-Patienten. "Mit den Tests kann man versuchen, Corona in den Griff zu bekommen" Auch Pflegeeinrichtungen steht es frei, ob sie ihre Tests für Personal, Bewohner oder Besucher einsetzen. Laut der Allgemeinverfügung des Landes NRW vom 2. November übernimmt das Land die Kosten von bis zu 20 Tests im Monat pro Bewohner. Ein Bielefelder Seniorenheim zum Beispiel bietet Besuchern einen Schnelltest für nur sechs Euro an. Aber der Direktor des Hauses möchte für seinen Service keine öffentliche Reklame machen: "Sonst kommen plötzlich sehr entfernte Angehörige ins Haus", befürchtet er. "Mit den Tests kann man versuchen, Corona in den Griff zu bekommen", sagt Markus Wendler, Inhaber des Hilfsmittelversorgers PVM in Bielefeld. Allerdings: "Momentan gibt es noch einen Engpass in der Verfügbarkeit der Tests. Ich kann gerade mal die Einrichtungen damit ausstatten." Selbst wenn er ausreichend Tests zur Verfügung hätte, dürfte er sie nach den Bestimmungen der Verordnung zur Regelung der Abgabe von Medizinprodukten (MPAV) nur an bestimmte Personengruppen abgeben. Das sind etwa Ärzte, Gesundheitsbehörden oder Blutspendedienste. "Der Test sollte immer durch geschultes medizinisches Fachpersonal durchgeführt werden", betont er. Sprich: Selbst wenn man irgendwann doch auch als Privatperson einen Test bekommt, sollte man damit seinen Hausarzt aufsuchen, damit er fachgerecht durchgeführt wird und das Ergebnis verlässlich ist. Der Test muss richtig durchgeführt werden Das allerdings sehen niedergelassene Mediziner kritisch. Denn je mehr Patienten in eine Hausarztpraxis kommen, desto höher könne das Risiko sein, dass andere Patienten oder Praxismitarbeiter infiziert werden, heißt es. Für "segensreich" hält Paul-Stefan Zimmermann, Hausarzt aus Bielefeld, die Schnelltests dagegen, wenn es um Kitas oder Altenheime gehe. Der Test weist einige Tücken auf: Schon bei der Probenentnahme könnte es sein, dass man mit dem Tupfer nicht weit genug in Nase oder Rachen gelangt. Bei der Entnahme sollte Schutzmaterial getragen werden. Laut Betriebsanleitung eines der drei Tests aus den USA, die Hilfsmittel-Händler Wendler verkauft, können außerdem Substanzen wie Nasensprays, Mundspülungen oder Rachentropfen das Ergebnis beeinträchtigen. Auch muss das Ergebnis recht genau nach 15 Minuten abgelesen werden. "Ein nach 30 Minuten erhaltenes Ergebnis ist ungültig", heißt es in einer Betriebsanleitung eines Tests aus China. "Unzureichende Probenmenge, falsches Anwendungsverfahren oder abgelaufene Tests sind die wahrscheinlichsten Gründe für den fehlenden Kontrollstreifen." In der Beschreibung eines deutschen Produkts wird außerdem dazu geraten, die Tests zu markieren, damit man sie zuordnen kann. Ein positives Testergebnis muss dem Gesundheitsamt gemeldet und durch einen Labortest bestätigt werden. "Natürlich denken wir auch schon über Weihnachten und Silvester nach", sagt Wendler. "Theoretisch wären Tests für alle Teilnehmer von Feiern möglich." Bis Ende Dezember könnte es auch ausreichend Tests geben. Die Regierung müsste sich aber für den Schritt entscheiden und auch wieder Treffen mit mehr Personen erlauben. "Das ist die Henne-Ei-Problematik", sagt Wendler. "Niemand produziert und kauft, wenn er nicht weiß, dass die Produkte abgenommen werden."

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