Pflegeheime in OWL kämpfen gegen zweiten Lockdown

Paderborn/Düsseldorf. Sie sind hochbetagt, leiden an multiplen Erkrankungen und sind deshalb durch die Pandemie besonders gefährdet. Um Senioren in Pflegeheimen vor einer Infektion mit dem Coronavirus zu schützen, verhängten die Bundesländer im Frühjahr ein Besuchsverbot. Es folgten harte und für viele vor allem einsame Wochen, denn unter Isolation leiden Menschen an ihrem Lebensende besonders stark. Mittlerweile dürfen Angehörige ihre Lieben wieder täglich besuchen, doch nach wie vor gelten strenge Regeln, die die Rechte von Bewohnern auch einschränken. Zwei Heimleiterinnen aus OWL erklären, wie sie den Spagat zwischen Schutz und Freiheit meistern. Hinter dem Team und den Bewohnern des Caritas-Altenzentrums Hövelhof im Kreis Paderborn liegen harte Monate. Mit dem Beginn der Pandemie in Deutschland beginnt auch in dem Pflegeheim eine neue Zeitrechnung, denn mit einem Schlag infizieren sich 21 Mitarbeiter und elf Bewohner mit dem Coronavirus. Drei Bewohner überleben nicht und einige Mitarbeiter leiden lange unter den Folgen. &bdquo;Mittlerweile geht es allen Betroffenen wieder gut. Doch für uns ist das Coronavirus keine theoretische Bedrohung mehr, sondern eine reale, die uns täglich begleitet", sagt Geschäftsführerin Monika Stricker. "Nun sind wir wie alle Pflegeheime ein geschlossenes Haus." Trotzdem versuchen Stricker und ihr Team so viel Alltag wie möglich zu erhalten. &bdquo;Dafür ist Kreativität, Engagement und sehr enge Betreuung gefragt. Die Mitarbeiter leisten Unglaubliches, um das Leben der Bewohner möglichst wenig einzuschränken", erklärt Stricker. Doch vieles ist nicht mehr möglich. &bdquo;Wir waren immer ein offenes Haus, das sich an der Quartiersarbeit beteiligt, Veranstaltungen für die Öffentlichkeit organisiert und mit 120 Ehrenamtlichen zusammen gearbeitet hat. Nun sind wir wie alle anderen Pflegeheime auch, ein geschlossenes Haus." Bewohner dürfen zwar wieder Besucher empfangen, jedoch nur zu bestimmten Zeiten. Das gibt die Landesregierung in NRW so vor. Die Einrichtungen müssen laut Gesundheitsministerium Besuche vormittags und nachmittags sowie an Wochenenden und Feiertagen möglich machen. Erlaubt sind pro Tag und Bewohner jedoch maximal zwei Besuche durch zwei Personen. Zuvor müssen sich Besucher registrieren und Fieber messen lassen. "Sie wollen doch wohl nicht die Schuld an dem Tod ihrer Mitbewohner tragen?" Körperkontakt wie Umarmungen sind nur gestattet, wenn sich Besucher und Bewohner vorher und nachher die Hände waschen und einen Mundschutz tragen. Bewohner dürfen die Einrichtungen auch verlassen. Sind sie jedoch länger als sechs Stunden unterwegs, kann das Heim eine Isolation anordnen. Die Einrichtungen haben also nur geringen Spielraum, der aber offenbar auch zu unerlaubten Beschränkungen führt. Im Gespräch mit nw.de berichten mehrere Bewohner und ihre Angehörigen aus OWL, dass sie entgegen der Anordnungen der Landesregierung an Spaziergängen oder Besuchen gehindert werden. &bdquo;Es heißt dann von bestimmten Mitarbeitern: Sie wollen doch wohl nicht die Schuld an dem Tod ihrer Mitbewohner tragen?", erklärt Marianne B. aus Bielefeld, die ihren vollständigen Namen nicht veröffentlichen möchte. &bdquo;Dadurch lastet ein unglaublicher Druck auf meinem Vater, der sich deshalb selber noch zusätzlich einschränkt und sogar auf harmlose Spaziergänge an der frischen Luft verzichtet." Seit Monaten nur noch Essen auf dem Zimmer, statt in Gemeinschaft In einer anderen Einrichtung verzichten die Stationen weiterhin auf gemeinsame Mahlzeiten. Die Folge: Die meisten Bewohner essen allein in ihrem Zimmer und das seit Monaten. &bdquo;Ich habe großen Respekt vor den Pflegern, aber sie dürfen trotz zusätzlicher Belastungen nicht vergessen, dass sie Menschen wie meine Mutter an ihrem Lebensende pflegen, die einen großen Wunsch nach Gemeinschaft und Zuwendung haben", erklärt Angelika M. aus Herford. Diese Einschätzung teilt auch die Leiterin des St. Vincenz-Altenzentrums Paderborn, Sigrid Pape. &bdquo;Wir sind sehr froh, dass Besuche wieder möglich sind, denn sie sind sehr wichtig für Bewohner und ihre Angehörigen. Nicht alle Bewohner und Angehörigen haben das Besuchsverbot gut verkraftet." "Meine Mutter soll sich lieber infizieren, als an Einsamkeit sterben." Diese Erfahrung hat auch Stricker gemacht: &bdquo;Der Sohn einer Bewohnerin sagte mir, dass es ihm lieber ist, dass sich seine Mutter infiziert, als dass sie an Einsamkeit stirbt. Das klingt im ersten Moment schlimm, aber die Ängste sind nachvollziehbar." Umso erstaunlicher, wie diszipliniert sich die Betroffenen in dieser schweren Zeit an die Regeln halten. &bdquo;Alle hatten großes Verständnis und haben sich so gut es geht arrangiert. Das hat mich sehr beeindruckt", ergänzt Pape. Das gelte auch für die Mitarbeiter. Auch im Gespräch mit nw.de erzählen Pflegekräfte, dass auch sie sich seit Monaten einschränken, um Bewohner nicht zu gefährden. &bdquo;Seit dem Beginn der Pandemie war ich auf keinem Geburtstag mehr. Darauf verzichten auch viele meiner Kollegen, weil wir uns unserer Verantwortung bewusst sind", sagt Sandra S., die in einem Pflegeheim in Löhne tätig ist. &bdquo;Auch auf Urlaubsreisen, Einkaufsbummel oder Restaurantbesuche verzichten wir so gut es geht." Besucher tragen Verantwortung für den Schutz von Bewohnern und Mitarbeitern Trotzdem liegt der Schutz von Bewohnern und Mitarbeitern in Pflegeheimen nicht allein in ihrer Hand. &bdquo;Wir sind auf das Verhalten der Besucher und der gesamten Bevölkerung angewiesen", sagt Stricker. Deshalb könne auch ein erneutes Besuchsverbot nicht zu 100 Prozent ausgeschlossen werden. &bdquo;Ich möchte das niemandem mehr zumuten, aber wenn die Infektionszahlen in die Höhe schießen, bleibt uns wahrscheinlich nichts anderes übrig. Der Schutz hat oberste Priorität."

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