Kriminelle Bankengeschäfte: SPD-Chef verlangt Haftstrafen für Geldwäscher

Herr Walter-Borjans, jüngste Enthüllungen zeigen, wie Banken gezielt Geschäfte mit Kriminellen gemacht haben. Wie ist in dem Kontext Ihr Begriff "Täter-Banken" gemeint?Walter-Borjans: Mir geht es nicht nur um diejenigen, die den Kriminellen geholfen haben, ihr schmutziges Geld zu waschen. Die Banken, die Kriminellen mit ihren Geschäften Unterschlupf bieten, sind mindestens Mittäter. In Teilen der Finanzwelt gilt offenbar: Wer im Wettbewerb mithalten will, muss alles mitmachen. Moral gilt in diesen Kreisen häufig nur als ein Kostenfaktor. Warum waren staatliche Stellen offenbar unfähig, die Geschäfte zu stoppen?Walter-Borjans: Unser Besteck ist dieser Größenordnung überhaupt nicht mehr gewachsen. Wenn man auffliegt, kommt man viel zu billig davon. Bei dem, was gerade wieder bekannt aufgedeckt wurde, haben wir es mit kriminellen, zum Teil mafiösen Strukturen zu tun, mit Diktatoren, Terroristen und Drogenbaronen – und mit Banken, die ihnen bei ihren Geschäfte helfen. Welche Konsequenzen sollten daraus hervorgehen?Walter-Borjans: Wir müssen mit einem Unternehmensstrafrecht dafür sorgen, dass diese Banken als Ganzes zur Rechenschaft gezogen werden können – und nicht nur die Vergehen einzelner Angestellter. Mit der bestehenden Rechtslage ist es schwierig. Nehmen Sie das Beispiel UBS, des größten Bankhauses der Schweiz: Um ein Verfahren in Deutschland wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu Ende zu bringen, gab es eine Rekordzahlung von 300 Millionen Euro an das Land NRW. Grundlage des Verfahrens waren die von Ihnen als NRW-Finanzminister angekauften Steuer-CDs ...Walter-Borjans: Das Fatale war, dass die Geldbuße auch bei diesem Milliardengeschäft auf eine Million gedeckelt war. Die Staatsanwaltschaft hat dann in einen Vergleich mit der Bank immerhin weitere 299 Millionen an Gewinnabschöpfung erreicht – vermutlich nur ein bescheidener Teil des dubiosen Profits. Daran sieht man: Der Anreiz für die Banken, solche Geschäfte einzustellen, liegt bestenfalls im drohenden Rufverlust, nicht aber, weil es sich wirtschaftlich nicht gelohnt hätte. Liegt der Fehler im Finanzsystem?Walter-Borjans: Wir brauchen definitiv mehr Personal, zeitgemäße Kontrollen und Strafen, auf die diese Herrschaften reagieren. Millionen sind für die nur Spielgeld. Bei Haftstrafen sieht das schon anders aus. Also: Die Aufsichtsbehörden brauchen mehr Kompetenzen bei der Ermittlung von Straftaten. Haftungssummen von höchstens vier Millionen Euro für Wirtschaftsprüfer werden von den Multis doch aus der Portokasse gezahlt. Wir brauchen hier eine viel bessere Kontrolle durch das Bundeswirtschaftsministerium, europäische Geldwäscheaufsicht und eine übergeordnete Meldestelle für Verdachtsmeldungen. Die Financial Intelligence Unit (FIU) wirkt als Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen heillos überfordert, wenn in Deutschland und Europa kriminelles Geld umhergeschoben wird. Ihre Partei stellt ja nun den Bundesfinanzminister. Was tut die SPD? Walter-Borjans: Zu den Zeiten, als die jetzt aufgedeckte Geldwäsche stattfand, stellte die CDU den Finanzminister. Olaf Scholz hat von Anfang seiner Amtszeit an die FIU gestärkt. Er hat unter anderem das Personal verdreifacht, Berichtspflichten angehoben. Unser Koalitionspartner aber stellt sich gegen die Möglichkeit, Unternehmen als Ganzes zur Verantwortung zu ziehen. Die SPD hat bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen ein historisch schlechtes Ergebnis eingefahren. Warum sprachen Sie von einer "Trendwende"? Walter-Borjans: Natürlich sind 24 Prozent und sieben Prozentpunkte Verlust ein ernüchterndes Ergebnis. Damit können wir nicht zufrieden sein. Unsere Lage war bei der Kommunalwahl vor sechs Jahren aber auch völlig anders: Die SPD in NRW war zum Beispiel geprägt von einer erfolgreichen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Jetzt ist sie Opposition. Verglichen mit dem Tiefpunkt bei der Europawahl 2019 zeigt sich aber eine Trendwende. Ist Ihre Partei zu abgehoben, zu weit weg von den Menschen?Walter-Borjans: Wir haben als Partei Vertrauen eingebüßt, ganz klar. In großen Koalitionen haben wir möglicherweise zu viele Kompromisse gemacht. Franz Müntefering hat recht, wenn er sagt: Es geht um Sicherheit durch Wandel. Die SPD am glaubwürdigsten für ein Gesamtpaket aus Klimaschutz, sozialer Sicherheit und wirtschaftlichen Fortschritt. Sie haben zu Beginn mit dem Willy-Brandt-Haus gefremdelt. Sind Sie inzwischen richtig angekommen?Walter-Borjans: Wir sind von den SPD-Mitgliedern gewählt worden, um der Basis stärkeres Gewicht zu verleihen und wurden als Groko-Kritiker sicher nicht überall in Berlin mit offenen Armen empfangen. Saskia Esken und ich haben uns aber von Anfang an als Brückenbauer verstanden und in der SPD zu einer Kultur der Zusammenarbeit beigetragen, die auch intern hohe Anerkennung genießt. Im Bund liegt die SPD weit entfernt von Gestaltungsmehrheiten. Sie hat sich nun früh, über ein Jahr vor der Bundestagswahl, auf den Kanzlerkandidaten Olaf Scholz festgelegt. Wird diese neue Einigkeit in Ihrer Partei, von der Sie gerade so euphorisch sprechen, Scholz auf dem langen Weg tragen?Walter-Borjans: Ich sage das nicht euphorisch, es ist einfach meine Wahrnehmung. In der Vergangenheit haben sich die unterschiedlichen Strömungen in der Partei zu oft gegeneinander positioniert. Jetzt scheint klar geworden zu sein: Wir setzen nicht immer die gleichen Akzente, aber wir haben dieselben Ziele. Zusammenhalt ist nicht nur für die Gesellschaft äußerst wichtig, sondern auch für die SPD. Wie haben Sie Ihren Wählern in der Partei erklärt, dass mit Scholz jetzt Ihr früherer Kontrahent um den Vorsitz die SPD in die Bundestagswahl führt?Walter-Borjans: Olaf Scholz, Saskia Esken und ich haben gleich nach unserer Wahl als Parteivorsitzende viele Gespräche geführt. Dabei haben sich gemeinsame Zielvorstellungen entwickelt: von höheren Investitionen bis zu einem solidarisch finanzierten Europa, das auch uns Deutschen nutzt. Diese Erfahrung spiegelt sich auch in der Begründung für unseren Vorschlag des Kanzlerkandidaten wider: Die Mitglieder haben sich richtig entschieden, dass sie Saskia und mich zu ihren Vorsitzenden gewählt haben. Und wir haben uns richtig entschieden, dass wir einen außerordentlich versierten und populären Vizekanzler für die Kandidatur für das Amt des Bundeskanzlers vorgeschlagen haben.

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