Gütersloh (epd). Die Qualität der Betreuung in den Kindertagesstätten und -krippen hinkt laut einer Studie dem Kita-Ausbau in den vergangenen Jahren hinterher. In einem Großteil der deutschen Kitas sind der Personalschlüssel und die Gruppengrößen nicht kindgerecht, wie die Bertelsmann Stiftung in ihrem „Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme 2019" bemängelt, der am Dienstag in Gütersloh veröffentlicht wurde.
Derzeit kämen auf eine vollzeitbeschäftigte Fachkraft rein rechnerisch 4,2 ganztags betreute Krippenkinder oder 8,8 ältere Kindergartenkinder. Laut wissenschaftlichen Empfehlungen solle sie für höchstens drei Kleinkinder oder 7,5 Kinder über drei Jahren zuständig sein.
Auch die Gruppengröße entspreche in vielen Fällen nicht den Empfehlungen, hieß es. Sie sollte im U3-Bereich nicht mehr als zwölf Kinder und bei den Älteren nicht mehr als 18 umfassen. Über die Hälfte (54 Prozent) der in Deutschland amtlich erfassten Kita-Gruppen lägen darüber. Angesichts der schlechten Rahmenbedingungen fühlten sich die Kita-Teams überfordert.
Große regionale Unterschiede
Zwar stellen die drei Studienautoren eine Verbesserung zu 2013 fest, als eine Erzieherin für durchschnittlich 4,6 Krippen- oder 9,6 Kindergartenkinder zuständig gewesen war. Doch auch Jahre später werde ein kindgerechtes Betreuungsverhältnis immer noch selten erreicht, hieß es.
Laut wissenschaftlichen Empfehlungen soll eine Erzieherin statistisch für höchstens drei Kleinkinder oder 7,5 Kinder über drei Jahren zuständig sein. Die Gruppengröße sollte im U3-Bereich nicht mehr als zwölf Kinder umfassen, bei den Älteren nicht mehr als 18.
In NRW sind viele Kita-Gruppen zu groß
Der bundesweite Ländervergleich offenbart regional große regionale Unterschiede. So war laut Studie 2019 in Bremen (1 zu 3) eine Fachkraft im Schnitt für drei Krippenkinder weniger verantwortlich als in Mecklenburg-Vorpommern (1 zu 6). Mit Blick auf die älteren Kinder in Kindergartengruppen zeige sich zwischen Baden-Württemberg (1 zu 6,9) und Mecklenburg-Vorpommern (1 zu 12,9) die größte Kluft. Insgesamt habe es aber eine Annäherung zwischen den ost- und westdeutschen Bundesländern hinsichtlich der Personalschlüssel gegeben, hieß es.
Nordrhein-Westfalen liegt den Angaben zufolge mit einem Personalschlüssel von 1 zu 3,7 bei Krippenkindern und 1 zu 8,6 bei Kindergartenkindern zwar über dem Bundesdurchschnitt. Doch seien dort 70 Prozent der amtlich erfassten Kita-Gruppen zu groß, hieß es. Schlechter schneidet nur Niedersachsen (78 Prozent) ab. In den fünf ostdeutschen Bundesländern ist das durchschnittlich nur bei einem Drittel (32 Prozent) der Kita-Gruppen der Fall.
Die Studie offenbart zudem qualitative Unterschiede beim Kita-Personal in Ost- und Westdeutschland: In den neuen Bundesländern ist der Anteil der ausgebildeten Erzieherinnen und Erzieher mit 82 Prozent um 16 Prozentpunkte höher als im Westen (66 Prozent). Grundlage des jährlich aktualisierten Ländermonitors sind Auswertungen von Daten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder. Stichtag ist der 1. März 2019.
"Kitas können Bildungsauftrag teilweise nicht wahrnehmen"
Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung, forderte eine bundesweite Strategie. „Der Kita-Ausbau der letzten Jahre war beachtlich", sagte er. Doch gebe es keine bundeseinheitlichen Qualifikationsstandards zu Gruppengröße und Personal. „Kitas können deshalb ihren Bildungsauftrag teilweise nicht wahrnehmen."
Er verwies auf eine bundesweite Umfrage der Fern-Universität in Hagen, die im Auftrag der Stiftung Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kitas interviewt hat. Demnach sehen sie insgesamt die Umsetzung des Bildungsauftrages gefährdet, weil sie bei Personalmangel weniger auf die Bedürfnisse der Kinder eingehen könnten und damit eine individuelle Förderung oft in den Hintergrund trete. Die Arbeit im Kita-Team wird ihrer Ansicht nach zudem erschwert, wenn nicht alle ähnlich qualifiziert sind.