
Essen/Bielefeld. Von Hitzerekorden sind wir in Ostwestfalen-Lippe derzeit weit entfernt. Auch wenn die Temperaturen am Wochenende an der 30-Grad-Marke kratzen werden - der Sommer 2020 in der Region verläuft zumindest mit Blick auf die Temperaturen nicht so extrem wie in den vergangenen zwei Jahren. Das bestätigt auch der Deutsche Wetterdienst (DWD). „Im Gegensatz zu den beiden vergangenen Sommern zogen dieses Jahr wiederholt Niederschlagsgebiete über Deutschland hinweg, die unregelmäßig verteilt Regenfälle gebracht haben. Die Niederschlagsmengen lagen seit Anfang Juni über die Fläche Deutschlands gemittelt sogar nahe dem vieljährigen Mittel", heißt es auf Anfrage von nw.de.

Von Entwarnung in Deutschland oder OWL kann jedoch noch lange nicht die Rede sein. „Das Frühjahr war deutlich zu trocken", sagt der Bezirksvorsitzende des westfälisch-lippischen Landwirtschaftsverbandes in OWL, Antonius Tillmann. Beim Getreide gebe es daher teilweise deutliche Mindererträge. Für das Gras sei ebenfalls zu wenig Regen gefallen. „Bei Mais und den Rüben sieht es hingegen gut aus", sagt Tillmann. Es sei zwar nach zwei extrem trockenen und heißen Sommern endlich wieder ein typischer Sommer, aber: „Beim Niederschlag leben wir von der Hand in den Mund. Es gibt keine Bodenwasservorräte. Und der Niederschlag der vergangenen Wochen reicht längst nicht aus."
Wetterdaten bestätigen Einschätzung der Landwirte
Das lässt sich an den Wetterdaten für Bad Salzuflen erkennen. Im Juni und Juli 2019 betrug der Niederschlag gerade einmal 40 bis 45 Prozent des vieljährigen Mittelwerts. Im Juni 2019 war es zudem bis zu vier Grad wärmer als in der Vergleichsperiode zwischen 1961 und 1990. Im diesjährigen Juni lag die Niederschlagsmenge bei gut 86 Prozent, im Juli bei fast 100 Prozent. Zudem war der Juli, zumindest in Bad Salzuflen, um 0,4 Grad kälter als im vieljährigen Mittel.
„In Ostwestfalen-Lippe ist die Lage derzeit nicht katastrophal", sagt auch der Leiter des mitteldeutschen Klimabüros am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig, Andreas Marx. Das Zentrum betreibt auf seiner Internetseite einen Dürremonitor, auf dem sich die aktuelle Lage im Bundesgebiet verfolgen lässt. Wesentlich schlimmer sieht es zurzeit etwa im nördlichen Sachsen-Anhalt aus. Diese Region erlebe den dritten Dürre-Sommer in Folge. Zudem könnten die sandigen Böden dort kaum Wasser speichern. Auch am Mittel- und Niederrhein seien die Böden laut Marx derzeit viel zu trocken.
Wälder leiden stark unter der Trockenheit
„Besonders stark ausgetrocknet sind die Böden in einem breiten Streifen vom Westen und Südwesten über die Mitte Deutschlands bis in den Osten Deutschlands. Hier reichten die Regenmengen bisher vielfach gerade so aus, um den größten Trockenstress bei den landwirtschaftlichen Kulturpflanzen zu vermeiden, wobei regional große Unterschiede zu sehen sind. Die Wälder leiden dagegen – je nach Standort – zum Teil stark unter Trockenstress", heißt es vom Deutschen Wetterdienst.
Der Niederschlag der vergangenen Wochen habe meist nur die obersten Zentimeter des Bodens angefeuchtet. Vielerorts hätten die Wälder weiterhin mit Schädlingsbefall zu kämpfen, der durch einen milden Winter und Sturmschäden begünstigt werde. „Die Trockenheit ist dabei der ständige Begleiter", sagt Marx. Laut Bundeslandwirtschaftsministerium ist eine Fläche von gut 245.000 Hektar, etwa so groß wie das Saarland betroffen.
Pro Quadratmeter fehlen in Deutschland mehr als 100 Liter Regen
Zwar waren die Niederschlagsmengen der vergangenen Monate unterschiedlich stark verteilt, gleichwohl fehlen laut Andreas Marx pro Quadratmeter in Deutschland deutlich mehr als 100 Liter Regen. „Das ist etwas, dass mit ein paar Tagen Regen nicht so ohne Weiteres kompensiert werden kann. Dafür bräuchte es schon mehrere Wochen." Laut DWD wird es in der kommenden Woche „insgesamt wechselhafter mit zurückgehenden Temperaturen. Damit bestehen Chancen, dass sich die Trockensituation etwas entspannen oder zumindest abgemildert wird."
Und langfristig? „Offensichtlich", sagt Tillmann, „müssen wir uns darauf einstellen, mit weniger Niederschlag auskommen zu müssen." Marx hingegen ist sich sicher, dass sich diese Dürresituation auch wieder ändern wird. „Wir werden aus diesem Extremereignis auch wieder herauskommen."