Bergisch Gladbach

Missbrauchskomplex: Spuren von mehr als 30.000 potenziell Verdächtigen

Das Ausmaß der Szene, die Gewalt gegen Kinder praktiziert oder sich daran ergötzt, wird immer größer. Das Internet spielt dabei längst eine zentrale Rolle.

Peter Biesenbach (CDU, r), Justizminister von Nordrhein-Westfalen, und Markus Hertmann, Oberstaatsanwalt, in Düsseldorf. | © picture alliance/dpa

Lothar Schmalen
29.06.2020 | 10.07.2020, 10:55

Düsseldorf. Das Ausmaß der Straftaten im Bereich Kindesmissbrauch und Kinderpornografie wird immer erschreckender: Die Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime (ZAC) ermittelt inzwischen alleine im Tatkomplex Bergisch Gladbach gegen mehr als 30.000 unbekannte potenziell Tatverdächtige.

NRW-Justizminister Peter Biesenbach hat bei der ZAC inzwischen eine Task Force gegründet, die nun mit allen technischen Mitteln versucht, möglichst viele dieser Tatverdächtigen zu identifizieren.

Der Task Force gehören sechs Staatsanwälte an. Sie übernehmen in allen Fällen von Kindesmissbrauch und Kinderpornografie jetzt die Ermittlungen zur Identifikation unbekannter Tatverdächtiger. Ermittelt die Task Force ein tatsächliches Missbrauchsgeschehen, sei sie auch für unmittelbare Eilmaßnahmen zuständig, erläuterte Justizminister Biesenbach.

Chat-Teilnehmer ermutigen sich gegenseitig

Der Leiter der ZAC, Markus Hartmann, berichtete von den kriminellen Internet-Chats, mit denen die Task Force zu tun habe. Dort würden Tipps gegeben, mit welchen Beruhigungsmitteln Kinder für den sexuellen Missbrauch gefügig gemacht werden könnten. Diejenigen, die sich bisher noch keine sexuelle Gewalt gegen Kinder zugetraut hätten, würden ermutigt, endlich ihren Trieb auszuleben und zu handeln.

Getauscht werde bereits kursierendes Videomaterial und eigens dafür neu angefertigtes Material, dem also eine selbst verübte Missbrauchstat zugrunde liege. Außerdem verabredeten sich Chat-Teilnehmer häufig zu gemeinsam Missbrauchsorgien. Es werde deutlich, wie sich aus der virtuellen Kommunikation reale Gewalttaten gegen Kinder entwickelten.

Natürlich agierten die Chatteilnehmer mit Nicknames, hinter denen sie ihre wahre Identität zu verbergen versuchen. Die Cybercrime-Spezialisten hätten aber inzwischen Techniken entwickelt, immer mehr Nicknames zu enttarnen und die wahren Identitäten feststellen zu können, berichtete Hartmann.

Neue Gesetzesinitiative für Vorratsdatenspeicherung

Justizminister Peter Biesenbach kündigte eine neue Gesetzesinitiative an, die eine Vorratsspeicherung von Daten legalisieren solle. „Wenn wir sexuelle Gewalt gegen Kinder und ihre Verbindung zum Internet wirklich besser bekämpfen wollen, müssen Netz-Daten länger gespeichert bleiben und den Ermittlern zugängig sein", sagte Biesenbach. Er könne sich vorstellen, dass die Nutzung dieser gespeicherten Daten nur bei bestimmten Strafdelikten erlaubt würde. Zu diesen Delikten müsse dann aber auf jeden Fall sexuelle Gewalt gegen Kinder gehören. Der Leiter der ZAC stimmte dem Minister in diesem Punkt zu und verwies außerdem darauf, dass die Ermittler oft Schwierigkeiten mit der internationalen Rechtshilfe hätten.

Biesenbach will nun zunächst eine Gutachten in Auftrag geben, das klären soll, was nach der geltenden Rechtslage in Sachen Datenspeicherung jetzt schon möglich sei, und dann Vorschläge erarbeiten soll, in welchen Fällen gespeicherte Daten länger genutzt werden könnten.