Corona-Ausbruch bei Tönnies: Eine Stadt zwischen Schock und Wut

Rheda-Wiedenbrück. Über der Firma Tönnies sind graue Wolken aufgezogen. Rind, Kuh und Schwein – das Firmenlogo des Fleisch-Riesen – blicken glücklich vom Dach des gigantischen weißen Klotzes in Rheda herab. In dessen Schatten herrscht emsiges Kommen und Gehen. Arbeiter passieren reihenweise die Schleuse, auf dem Parkplatz ist ein Medienansturm ausgebrochen. Überall Kameras, zum Teil von ausländischen Sendern. Die Nachricht der hundertfachen positiven Corona-Testergebnisse der Tönnies-Arbeiter glichen einem Donnerschlag. Immer wieder bricht Regen über Rheda herab. Trotzdem sind an diesem Tag Schaulustige rund um das Firmengelände nahe der A 2 unterwegs. &bdquo;Gesicht zeigen", nennt es Andre Hartmann aus Gütersloh, der mit seinem kleinen Sohn und dessen Freundin durch den weißen Zaun in Richtung Lkw-Fuhrpark blickt. Die Nachrichten vom Fleisch-Riesen hätten für &bdquo;Ohnmacht" gesorgt. Immerhin sei man froh gewesen, dass die Kinder wieder zur Schule oder zur Kita gehen konnten und ein normaler Tagesablauf möglich war. &bdquo;Jetzt müssen Hunderttausende darunter leiden", sagt er. &bdquo;Gerade für die Kinder ist es dramatisch." Zwei Meinungen zur Firma Tönnies Schließlich wurden als Reaktion Schulen und Kitas im Kreis Gütersloh nach wenigen Tagen wieder dichtgemacht. Hat die Situation etwas an der Meinung über den deutschen Schweinefleisch-Marktführer geändert? &bdquo;Die Stimmung bleibt gleich – sie war noch nie sonderlich gut", sagt Hartmann. Generell, so berichten es an diesem Tag viele Passanten, gebe es im Grunde nur zwei Meinungen zur Firma Tönnies – positiv oder negativ. Bei manchen scheint sich die Meinung jedoch mittlerweile zuzuspitzen, wird womöglich noch extremer. Eine Frau, die ebenfalls mit ihrer Tochter vor der Firma unterwegs ist, kündigt an, sie werde zukünftig Tönnies-Produkte meiden. &bdquo;Die Situation macht fassungslos", sagt sie. Besteht im Kreis Gütersloh die Sorge vor einem &bdquo;zweiten Kreis Heinsberg"? &bdquo;Das ist doch schon längst passiert", entgegnet sie. "Wut scheint zu überwiegen" Ortswechsel, ein paar Kilometer weiter. Im idyllischen Schlossgarten Rheda blühen die Pflanzen, ein Springbrunnen plätschert vor sich hin. Anwohnerin Maren Göpfert dreht gerade mit ihrem Hund eine Runde durch die sonst nahezu menschenleere Parkanlage im Zentrum. &bdquo;Das überrascht mich nicht", antwortet sie auf die Frage, wie ihre Stimmung nach dem Corona-Ausbruch bei Tönnies ist. &bdquo;Bei einigen Bürgern scheint die Wut zu überwiegen." Generell: In Rheda scheint es leerer als gewöhnlich – und als noch tags zuvor. Davon berichten Ortskundige und Passanten. &bdquo;Man sieht doch, was hier los ist", sagt ein Anwohner, der mit seinem Fahrrad unterwegs ist, und deutet in Richtung des zentralen Doktorplatzes. Nur vereinzelt laufen Passanten über den historischen Platz, einige wenige sitzen unter Schirmen geschützt in einem Lokal. Tönnies wirtschaftlich wichtig &bdquo;Das ist schon eine unangenehme Situation", sagt ein älterer Mann, der gerade von seinem Tisch aufgestanden ist. Er meint aber auch, man komme mit den Betroffenen nicht sonderlich viel in Kontakt. Das eigentliche Problem sei: &bdquo;Wenn die Firma Tönnies ausfällt, ist das für die Stadt eine Katastrophe." Wie die Polizei mitteilt, kommt es am am Tag nach den Schock-Nachrichten immer wieder zu spontanen Versammlungen wütender und besorgter Anwohner. Darunter auch am Moorweg, wo Clemens Tönnies wohnt. Viele Eltern mit ihren Kindern demonstrieren regelrecht und verzieren die Straße vor dem Tönnies-Anwesen mit bunten Regenbögen. &bdquo;Wir wollen gesehen werden", sagen sie. Gibt es einen Schuldigen? Im Zentrum von Wiedenbrück versammeln sich am Mittag rund 50 junge und alte Menschen zu einer Mahnwache wegen der Schul- und Kitaschließung im Kreis, viele mit Schildern und Plakaten. &bdquo;Immer auf die Kleinen", steht auf dem Plakat von Hannes (2); &bdquo;Wir vermissen unsere Kita" auf dem von Lotta. Für viele, egal ob auf der Straße oder in den sozialen Medien, scheint die Sache klar: Tönnies trage die Schuld. Doch ist das wirklich so? Erwiesen ist es nicht – und auch die tatsächliche Ursache für die Masseninfektion ist noch nicht geklärt und gilt noch immer als strittig. Möglichkeiten scheint es zum jetzigen Zeitpunkt einige zu geben. &bdquo;Wir baden jetzt die Versäumnisse von Tönnies aus", sagt allerdings Melanie Beforth, die die Mahnwache initiiert hat.

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