Bonanza: Ein Fahrrad für die Ewigkeit

Bielefeld. Der Stachel sitzt immer noch tief. Mein bester Kumpel hatte ein Bonanza-Fahrrad. Ich den abgelegten Drahtesel meines älteren Bruders. Mein Kumpel war cool. Ich nicht. Er wurde von den Mädels angehimmelt. Ich von ihnen nicht einmal wahrgenommen. Eine Jugend in den 70er Jahren ohne ein Bonanza-Rad – das war keine Jugend. Das Bonanza-Rad war Kult, und ist es immer noch. Vor 50 Jahren kam das kuriose Gefährt in Deutschland erstmals auf den Markt. Angeboten wurde es von Neckermann, im Versandhaus-Katalog. Wo auch sonst. In diesen Tagen hat es das Protzer-Bike wieder in ein Buch geschafft, in eine Bibel gar. &bdquo;Die Bonanzarad-Bibel" heißt das Buch, geschrieben hat es Fahrradfan Jörg Maltzan (56). Der hatte natürlich 1974 schon ein Bonanzarad. Allerdings hat er sich klauen lassen und musste sich daher rund 40 Jahre später ein neues kaufen. Geweihlenker, Bananensattel, Pornoschaltung Ein Bonanzafahrrad, das ist für die Fans ein Gesamtkunstwerk. Der Geweihlenker, der Bananensattel, die Pornoschaltung auf dem Doppelrohr-Rahmen. Natürlich war das nur die Basisversion. Wer was auf sich hielt, ließ hinten einen Fuchsschwanz baumeln, hatte einen Schmutzfänger am hinteren Schutzblech montiert und von den Lenker-Griffen flatterten schmale, knallbunte Plasitkfäden. &bdquo;Am besten machte es sich vor der Eisdiele", findet Maltzan. Dort wo es gesehen wurde, wo die Bewunderer vorbeiflanieren konnten. In seinem Buch, das der Delius-Klasing-Verlag in diesen Tagen auf den Markt bringt, geht Maltzan wirklich jedem Geheimnis des Bonanza-Rades auf den Grund. Erfunden wurde es, wie sollte es anders sein, im sonnigen Kalifornien. Dort hatten es die Kids den Auto-Tunern nachgemacht und pimpten ersatzweise ihre Fahrräder. Das war in den 60ern, das Zentrum der sogenannten High-Riser war in San Diego. Rudi Altig bringt die Werbung in Schwung Es hat gedauert, bis der Trend auch in Deutschland ankam. Und dafür sorgte ausgerechnet der Neckermann-Konzern, der das Fahrrad in seinen Versandhauskatalog aufnahm. Das Fahrradwerk Otto Kynast aus Quakenbrück baute das Fahrrad. Die Werbetrommel rührte ausgerechnet Radrennfahrer Rudi Altig. Der ließ das Fahrrad wie eine Rennmaschine wirken. &bdquo;In Wahrheit war der High-Riser vom Rennrad in etwa so weit entfernt wie ein Autoscooter vom Formel-1-Boliden", sagt Maltzan. Aber wer wollte das schon hören? Unklar ist, wer darauf kam, das Fortbewegungsmittel &bdquo;Bonanza-Rad" zu nennen. Und wie derjenige darauf kam, den Namen der Western-Serie zu klauen, bleibt ebenso im Dunkeln. Auf jeden Fall war es eine gute Wahl. Denn Hoss, Adam, Little Joe und Ben Cartwright von der Ponderosa-Ranch sind natürlich Kult bei der Jugend. Sie sind zwar auf Pferden unterwegs und die deutsche Jugend auf Drahteseln. Aber immerhin auf welchen mit einem springenden Pferd und einem Sheriff-Stern im Logo. Die Schmerztränen wegblinzeln Wen interessierte es schon, dass das Fahrrad schlecht ausbalanciert und damit schlecht zu steuern war. Wer gab schon gern zu, dass der sich an der Porno-Schaltung vor dem Bananen-Sattel gewaltig die Weichteile gestoßen hatte. Die Schmerz-Tränen wurden weggeblinzelt und dann ging es mit Schwung und mit ausgestelltem Bein in die nächste Schotter-Kurve. Was man wirklich mit dem Bonanza-Fahrrad leisten konnte, zeigte viel späte der Brite Dave Sims. 2015 fuhr er die Tour de France mit dem High-Riser, inklusive Bergankunft in Alpe DHuez. Einzelne Rennfahrer soll er dabei überholt haben. Dabei kam es ihm gar nicht auf den sportlichen Aspekt an, sondern auf das Sammeln von Spenden. Und die flossen kräftig. Liebhaber hat das Fahrrad nach wie vor Warum der Boom der Bonanza-Räder schon Mitte der 70er Jahre wieder abflaute – wer weiß das schon. Vermutlich war wieder einmal Amerika schuld. Da kamen nämlich leichte Sporträder schwer in Mode. In der Folge erzielten diese Räder auch in Deutschland 1974 ein Absatzplus von 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Für das vormalige Boomrad mit dem Bananensattel und der Pornoschaltung war fortan die Luft raus. Es verschwand vom Markt und fristete sein Dasein in einer hinteren Kellerecke. Seine Liebhaber hat es aber nach wie vor. Was man schon daran sieht, dass Kenner für Ersatzteile für die Porno-Schaltung heutzutage stolze 100 Euro und mehr bezahlen. Ich habe übrigens immer noch kein Bonanza-Fahrrad. Und mein Kumpel weiß auch nicht mehr, wo seins geblieben ist. Schade. Das Buch: Jörg Maltzan, Martin Langhorst, Alexander Ziegler: &bdquo;Die Bonanzarad-Bibel. Von Bananensattel & Sissybar bis Pornoschaltung". Delius-Klasing-Verlag, 29,90 Euro. Online zu bestellen über www.delius-klasing.de oder über die Online-Plattformen der Buchhandlungen.

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