Eltern nutzen die Corona-Krise, um das Umgangsrecht auszuhebeln

Minden. Für Familien sind die Einschränkungen des öffentlichen Lebens zum Schutz vor einer weiteren Ausbreitung des Coronavirus besonders belastend. Die Maßgabe, soziale Kontakte auf ein Minimum zu reduzieren, verunsichert insbesondere getrennt lebende Eltern und ihre Kinder und führt mitunter zu großen Belastungen. Umgangsrecht besteht zwar auch in Krisenzeiten, doch nicht alle Eltern halten sich daran. Problematisch sind nach Angaben der Mindener Juristin Astrid Kaufhold zudem frühzeitige Inobhutnahmen von Kindern, weil Jugendämter und Gerichte aktuell nur eingeschränkt arbeiten. &bdquo;Für Betroffene ist die aktuelle Situation eine Katastrophe, weil sie ihre Kinder nicht sehen können", erklärt Kaufhold, Fachanwältin für Familienrecht. Der sogenannte begleitete Umgang, wenn eine neutrale Person, den Umgang zwischen Eltern und Kindern überwacht, ist aktuell in vielen Fällen nicht möglich. &bdquo;In diesem Bereich liegt fast alles brach, weil auch die Mitarbeiter von Jugendämtern und externen Hilfen die Maßgabe haben, möglichst wenige soziale Kontakt zu haben. Eltern haben in solchen Fällen keine oder nur massiv eingeschränkte Möglichkeiten, ihre Kinder zu sehen", sagt Kaufhold. Umgangsregeln gelten auch in Krisenzeiten In anderen Fällen nutzen Mütter und Väter die Krise aus, indem sie die Einschränkungen aufgrund der Krise als Vorwand nutzen, um den Kontakt zwischen den Kindern und dem anderen Elternteil verhindern. &bdquo;Das trifft häufig auf bindungsintolerante Mütter zu, die schon vor der Krise ein Problem mit dem Umgangsrecht des Vaters hatten und nun die Krise als Chance sehen, um den Kontakt ihrer Kinder zum Vater zu unterbinden", erklärt Kaufhold. Erlaubt ist das nicht, denn nach Angaben des Bundesfamilienministeriums gelten Umgangsregelungen oder gerichtliche Entscheidungen zum Umgang auch während der Krise weiter. Die Empfehlung, soziale Kontakte möglichst zu vermeiden, bezieht sich laut Ministerium nicht auf die Kernfamilie, auch wenn die Eltern nach einer Trennung in zwei getrennten Haushalten leben. &bdquo;Doch der Rechtsweg ist schwierig, da Gerichte ebenso wie Jugendämter derzeit nur sehr eingeschränkt arbeiten. Betroffene Elternteile haben deshalb kaum Möglichkeiten, ihr Umgangsrecht auch durchzusetzen", sagt Kaufhold. "Schon wenige Wochen ohne Umgang können eine Beziehung gefährden." In solchen Fällen kommt es nach Angaben der Juristin oft zu einer subtilen Beeinflussung der Kinder gegen den Vater. &bdquo;Die Kinder erleben beispielsweise am Wochenende etwas Schönes mit ihrem Vater, die Mutter reagiert darauf jedoch verletzt. Das führt irgendwann dazu, dass Kinder sich dazu gedrängt fühlen, sich für einen Elternteil entscheiden zu müssen, weil sie es nicht mehr aushalten. In vielen Fällen schlagen sich die Kinder auf die Seite der Mutter." Kindern in solchen Situationen zu helfen, ist laut Kaufhold grundsätzlich sehr schwierig und wird durch die Krise noch zusätzlich erschwert. &bdquo;Vor allem jüngere Kinder leiden sehr darunter, wenn ihnen der Kontakt zu einem Elternteil verwehrt wird. Schon wenige Wochen ohne Umgang können eine Beziehung gefährden, zumal junge Kinder den Kontakt über digitale Kommunikation noch nicht akzeptieren." &bdquo;Keine Inobhutnahmen ohne Vorbereitung im Normalbetrieb." In den vergangenen Wochen hat Kaufhold zudem die Erfahrung gemacht, dass Jugendämter aufgrund der Einschränkungen Kinder frühzeitig aus Familien holen. &bdquo;Im Normalbetrieb würde es Inobhutnahmen ohne Vorbereitung nicht geben, doch aktuell passiert das", sagt die Rechtsanwältin. &bdquo;Zudem wird die Situation in einer Familie im Normalbetrieb vor so extremen Eingriffen wie der Inobhutnahme eines Kindes erst einmal ausgelotet. Es gibt viele niederschwellige Möglichkeiten, um Familien zu unterstützen, doch auch darauf wird aktuell verzichtet." Die Bundesarbeitsgemeinschaft Landesjugendämter bestätigt die Einschätzung Kaufholds. Nach Angaben des Vorsitzenden Lorenz Bahr verzeichnen die Jugendämter in Deutschland während der Corona-Krise einen Anstieg der Inobhutnahmen von Kindern und Jugendlichen. Das sei zwar bisher kein flächendeckendes Phänomen und konkrete Zahlen gebe es frühestens in einem Jahr, sagt Bahr. &bdquo;Aber wir haben schon die Wahrnehmung, dass es einen Anstieg von Inobhutnahmen im städtischen Umfeld gibt." Anwältin plädiert dafür, Menschen in der Krise mehr zuzutrauen Gleichzeitig plädiert Kaufhold als Fachanwältin für Familienrecht dafür, Menschen in Krisenzeiten mehr zuzutrauen. &bdquo;Viele Familien meistern die Krisenzeit gut, indem sie die Ausnahmesituation akzeptieren, sich trotz Problemen zusammenreißen und flexibel reagieren. Sie machen das Beste aus der Situation." Zudem zeigt sich laut Kaufhold, dass Menschen solidarisch sind und sich unterstützen. &bdquo;Ich kenne Familien, die ihre Kinder trotz der Vorgabe des begleiteten Umgangs auch während der Krise sehen können, weil befreundete Nachbarn als dritte Partei einspringen. Auch das ist eine Folge der Krise." Für eine abschließende Bewertung ist es laut Kaufhold jedoch zu früh. &bdquo;Zu Beginn der Krise habe ich mit mehr Familien gerechnet, die Probleme nicht mehr selber lösen können. Aktuell ist das zum Glück nicht so, doch das kann sich ändern. Wir wissen nicht, wie groß der Bedarf nach dem Shutdown sein wird."

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