
Düsseldorf. Eigentlich wollte NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) im Landtag eine Erfolgsbilanz der Leistungen der Landesregierung für die Kommunen in NRW ziehen. Doch dann sah sich die Politikerin einer ganzen Liste von Forderungen der kommunalen Spitzenverbände gegenüber. Fazit: die 396 Kommunen und 31 Kreise in NRW sehen sich nach wie vor chronisch unterfinanziert.
Ministerin Scharrenbach hatte betont, dass die Kommunen im Jahr 2020 mit 12,8 Milliarden Euro aus der Gemeindefinanzierung so viel Geld erhielten wie noch nie zuvor. Außerdem würden sie ab 2020 jährlich rund 950 Millionen Euro Entlastung durch den Wegfall der Gewerbesteuerumlage für den Fonds "Deutsche Einheit" und andere Einheitslasten erhalten.
Auf der Haben-Seite der Kommunen stünden außerdem 466,5 Millionen Euro Städtebaufördermittel, 1,1 Milliarden Euro für öffentliche Wohnraumförderung, 300 Millionen Euro für die Sportstätten der Vereine bis 2022, 200 Millionen Euro für Baulandentwicklung, 30 Millionen Euro mehr für kommunale Theater und 3,8 Millionen Euro für insgesamt 1.900 kleinere Heimatprojekte.
Offene Wunden der Kommunalfinanzen
Die Vertreter der drei kommunalen Spitzenverbände, des NRW-Städtetags, des Städte- und Gemeindebundes und des Landkreistages, erkannten an, dass die Landesregierung den Kommunen in vielen Punkten entgegengekommen sei, doch legten sie dann den Finger in die offenen Wunden der Kommunalfinanzen.
Vor allem drängte Thomas Hunsteger-Petermann (CDU), Oberbürgermeister von Hamm und Vorsitzender des NRW-Städtetags, auf eine Antwort aus NRW auf die drängende Altschulden-Frage vieler Großstädte. Hier konnte Ministerin Scharrenbach nur darauf verweisen, lediglich, dass es "im ersten Quartal dieses Jahres" ein Gespräch in Düsseldorf mit Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) geben werde. Scholz hatte den Kommunen zugesagt, dass der Bund eine Teil ihrer hohen Kassenkredite übernehmen werde (in NRW zurzeit insgesamt 23,1 Milliarden Euro), war aber vom Chef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ralph Brinkaus (Gütersloh), ausgebremst worden.
Clausen (SPD) fordert klarere Linie der Landesregierung
"Wir brauchen ein starkes Signal aus NRW. Wir brauchen ein Konzept des Landes für seinen Beitrag an der Entschuldung", mahnte Hunsteger-Petermann. Und Bielefelds Oberbürgermeister Pit Clausen (SPD), stellvertretender Vorsitzender des NRW-Städtetags, wurde noch deutlicher: "Wir würden uns eine klarere Linie der Landesregierung wünschen."
Für die Unterbringung von Flüchtlingen und Geduldeten fehlten den Kommunen pro Jahr 750 Millionen Euro, monierten die Chefs der drei kommunalen Spitzenverbände weiter. "Wir brauchen höhere Flüchtlingspauschalen (bislang jährlich 10.000 Euro pro Flüchtling, d. Red.) und eine zeitlich unbegrenzte Übernahme der Kosten für geduldete Flüchtlinge, also nicht nur Zahlungen für drei Monaten wie bisher", sagte Hunsteger-Petermann. NRW-Flüchtlingsminister Joachim Stamp (FDP) verhandelt zurzeit über eine Neufassung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes (FlüAG). Dabei geht es auch um eine Erhöhung der Pauschale.
Hunsteger-Petermann und seine Kollegen Roland Schäfer (Städte- und Gemeindebund) sowie Thomas Hendele (Landkreistag) monierten aber auch, dass der Bund immer wieder neue Leistungen beschließe, die die Kommunen dann bezahlen müssten. So müssten Kinder bei der Finanzierung der Heimplätze ihrer Eltern jetzt nur noch mithelfen, wenn sie jährlich mehr als 100.000 Euro verdienen würden. Dies bedeute, dass die Kommunen nun in tausenden Fällen einspringen müssten, wenn Heimbewohner ihre Plätze nicht selbst bezahlen könnten. "Für viele Kommunen sind das Millionen an Zusatzkosten", sagte Hunsteger-Petermann.
Zweites Beispiel: die angekündigte Pflicht zur Ganztagsbetreuung von Grundschülern. Im Hamm nähmen bislang 30 Prozent der Schüler eine Ganztagsbetreuung in Anspruch. "Das allein aber kostet uns schon zehn Millionen Euro", so Hunsteger-Petermann. Weiter Millionen kämen hinzu, wenn die Quote durch ein gesetzliches Recht auf Ganztagsbetreuung künftig deutlich ansteige, fügte der dienstälteste NRW-Oberbürgermeister hinzu.