Innenpolitiker warnt vor "Clan-Kriminalität" auf dem Land

Paderborn. Die Bekämpfung straffälliger Mitglieder türkisch- oder arabischstämmiger Großfamilien gehört zu den Lieblingsthemen der schwarz-gelben Landesregierung. "Null Toleranz" in der Strafverfolgung und eine "Strategie der tausend Nadelstiche" seien geboten, um ihre Kreise einzuengen, sagt der innenpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Marc Lürbke. Schutzgelderpressung, Drogenhandel, Raub, Geldwäsche – "Clan-Kriminalität ist keine Kleinkriminalität". Die FDP hat nun in ein Paderborner Hotel eingeladen, um über "Clan-Kriminalität in NRW und unserer Region" aufzuklären. Ungefähr 50 Gäste sind gekommen, auf einer Leinwand sieht man unter dem Veranstaltungstitel die geografischen Umrisse Nordrhein-Westfalens, darüber liegt ein Fadenkreuz. Längst seien kriminelle Clans nicht nur in den Großstädten unterwegs, warnt Lürbke, inzwischen fielen sie auch in ländlichen Regionen "zunehmend durch Straftaten auf". "Wir haben uns sehr schwergetan mit dem Lagebild" Als Gastredner hat die FDP Martin Boberg gewonnen, Kriminalhauptkommissar und Sachgebietsleiter für Organisierte Kriminalität im Landeskriminalamt (LKA). Boberg stellt die "Meilensteine" bei der Bekämpfung der Clan-Kriminalität vor: die Sondereinheit "KEEAS", Kurzform für "Kriminalitäts- und Einsatzbrennpunkte geprägt durch ethnisch abgeschottete Subkulturen", und das Regierungsprojekt "Ruhr-Konferenz". Der Begriff "Clan-Kriminalität" ist nicht legal abgegrenzt. Es gibt kein einheitliches Verständnis darüber, welche Kriterien einen "Clan" ausmachen, heißt es im Lagebild des LKA, an dem Boberg mitgeschrieben hat. Konsens herrscht in der Frage der "ethnischen Geschlossenheit" sowie der "abgeschotteten, auf Familienzugehörigkeit reduzierten Strukturen". Boberg ist unglücklich über die Definition und den Begriff der "Clan-Kriminalität", den Politik und Medien häufig hervorholten. "Wir haben uns sehr schwergetan mit dem Lagebild", sagt der Soziologe. Staatsanwaltschaften reagieren vorsichtig auf den Begriff In den regionalen Strafverfolgungsbehörden geht man mit dem Begriff ebenfalls vorsichtig um. Im angefragten Sinne seien "Verfahren im hiesigen Geschäftsbereich bislang nicht angefallen", heißt es von der Staatsanwaltschaft Paderborn. In Bielefeld sind "keine lokalen Schwerpunkte bekannt". In Detmold ist derzeit "kein Verfahren anhängig, das der Clan-Kriminalität zuzurechnen sein dürfte". Im Lagebild des LKA findet man weder für die Kreispolizeibehörde Bielefeld noch für die in Paderborn eine überdurchschnittlich hohe Anzahl zugerechneter Straftaten oder Tatverdächtiger. Im Gegenteil: In Paderborn hat sich die Anzahl der einschlägigen Straftaten 2018 im Vergleich zum Vorjahr sogar auf 27 Fälle halbiert. Die Zahl der Tatverdächtigen ging um rund ein Drittel auf 20 zurück. "Sie hier haben es gut" Das Polizeipräsidium Bielefeld stellte im selben Zeitraum einen Anstieg von 57 auf 76 Straftaten fest. Die Zahl der Tatverdächtigen stieg um ein Viertel auf 40 Personen. Die genannten Verfahren "dürften im Wesentlichen solche Personen betreffen, die nach ihrem Namen oder ihrer Herkunft Großfamilien angehören", so die Staatsanwaltschaft Bielefeld. Es handele sich "nach hiesiger Einschätzung allerdings um Alltagskriminalität". Der FDP-Bezirksvorsitzende Frank Schäffler ärgert sich über Kriminelle, die die offenen Grenzen Europas ausnutzen. "Sie verhohnepipeln den Rechtsstaat", sagt er. Mit Blick auf Ostwestfalen-Lippe wirkt sein Furor reichlich übertrieben, jedenfalls angesichts der Faktenlage. "Sie hier in OWL haben es gut", sagt Boberg. Die sogenannte Clan-Kriminalität sei "kein OWL-Problem", die Region höchstens "hin und wieder mal betroffen".

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