Kriminalität

Polizeianalyse: Gewalt durch junge Syrer in NRW nimmt zu

Die Zahl syrischer Tatverdächtiger in NRW ist in zehn Jahren steil in die Höhe gegangen. Vor allem junge Männer fallen auf. Und Messer spielen eine Rolle. Eine Analyse zeigt alarmierende Trends.

Am 18. Mai dieses Jahres stach der Syrer Mahmoud M. auf mehrere Feiernde vor einer Bar in Bielefeld ein. Mehrere Personen wurden teils lebensgefährlich verletzt. | © Paul Brinkmann

12.11.2025 | 12.11.2025, 16:03

Düsseldorf (dpa). Jung und gewaltbereit: Die Zahl syrischer Tatverdächtiger in Nordrhein-Westfalen hat sich laut einer polizeilichen Analyse innerhalb von zehn Jahren verfünffacht. Das geht aus einer Strukturanalyse zur Kriminalität syrischer Tatverdächtiger des Landeskriminalamtes (LKA) und der Sicherheitskooperation Ruhr (SiKo Ruhr) hervor. Clankriminalität und Organisierte Kriminalität konnten laut dem Auswertungsprojekt „Euphrat“ dagegen nur punktuell festgestellt werden.

„Noch sind Syrer bei Clankriminalität und Organisierter Kriminalität nur Komparsen“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). „Aber bei Gewaltkriminalität spielen sie eine Hauptrolle.“

Hoher Anteil an Gewaltdelikten

Die meisten Straftaten würden einzeln oder in kleinen, losen Gruppen begangen, die sich für bestimmte Taten zusammenschlössen, heißt es in der Analyse. Besonders auffällig sei der hohe Anteil an Rohheits- und Gewaltdelikten wie Körperverletzung, Raub und Nötigung. Diese machten etwa 38 Prozent aller von Syrern begangenen Straftaten aus. Der Wert sei deutlich höher als bei anderen nichtdeutschen Tatverdächtigen, bei denen diese Delikte etwa ein Viertel der Fälle abbildeten.

Als bedenklich wird die hohe Gewaltbereitschaft bei syrischen Tatverdächtigen eingestuft. Diese setzten im Vergleich zu anderen Nationalitäten am häufigsten Messer als Tatmittel ein. Gleichzeitig seien syrische Staatsangehörige auch am häufigsten Opfer von Messergewalt. „Also wenn es abends mit der Clique rausgeht, wird das Messer ganz selbstverständlich in der Bauchtasche verstaut, allzeit bereit, immer dabei“, so Reul.

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Exzessive Gewalt schon bei Kindern

Die teilweise exzessive Anwendung von Gewalt zeigt sich laut Analyse bereits verstärkt bei syrischen oder syrischstämmigen Kindern und Jugendlichen. Chris Brecklinghaus, Leiter des „Euphrat“-Projekts, sagte dazu, die auffällige Gewalt besonders unter männlichen Jugendlichen werde von Experten „als habituelles und identitätsstiftendes Element“ beschrieben. Gewalt und Waffenbesitz seien bei einigen jungen Syrern „Teil des kulturellen Alltags“, der auch im Zusammenhang mit dem syrischen Bürgerkrieg stehe.

Wurden in den Polizeistatistiken 2015 noch rund 3.400 syrische Tatverdächtige aufgeführt, so waren es nach Angaben Reuls 2024 schon knapp 17.000. Gleichzeitig stieg die Zahl der in NRW lebenden Syrer in zehn Jahren seit 2015 von rund 84.000 auf 288.000, was etwa einer Verdreifachung entspricht. Auch dieser Anstieg müsse ins Verhältnis zur gestiegenen Zahl der Tatverdächtigen gesetzt werden, heißt es in der Analyse. Aber selbst unter Annahme einer konstanten Korrelation seien die gestiegenen absoluten Fallzahlen bei syrischen Tatverdächtigen als besorgniserregend einzustufen.

Tumulte im Ruhrgebiet sorgten für Schlagzeilen

Auslöser für die Untersuchung waren Tumulte und Massenschlägereien zwischen Syrern und Libanesen in Essen und Castrop-Rauxel im Sommer 2023, die bundesweit für Schlagzeilen gesorgt hatten. Sogenannte Friedensrichter sollen den Streit anschließend geregelt haben.

Für das Projekt wurden über eineinhalb Jahre hinweg polizeiliche Statistiken und Akten aus Ausländerbehörden ausgewertet sowie Ermittlungsverfahren analysiert. Auch Experteninterviews mit Wissenschaftlern wurden geführt. Ziel war es herauszufinden, ob sich innerhalb der syrischstämmigen Bevölkerung clanähnliche oder organisierte Strukturen herausbilden.

„Wir wollten nicht, dass sich neue kriminelle Parallelgesellschaften bilden, weil wir uns nicht richtig kümmern“, sagte Reul. Die Behörden hätten bereits genug mit türkisch-arabischen Clans zu tun. Seit 2015 seien viele Tausend Syrer nach NRW gekommen. Viele davon seien rechtschaffene Menschen, aber eben nicht alle.

Gefahr der Ausbildung von kriminellen Strukturen

Auch wenn Clankriminalität in Bezug auf syrische Tatverdächtige derzeit nur punktuell belegt werden könne, bestehe zumindest die Gefahr, dass sich perspektivisch solche Strukturen ausbilden könnten. „Syrische Clanstrukturen - und damit nicht unmittelbar kriminelle Clanstrukturen - sind in NRW in jedem Fall vorhanden“, heißt es in der Analyse. Reul sagte: „Das Potenzial, dass sich kriminelle Strukturen mit syrischer Urheberschaft entwickeln und festigen, ist da.“

In der Organisierten Kriminalität spielen syrisch dominierte Tätergruppierungen mit einem Anteil von etwa zwei Prozent laut Analyse bislang nur eine kleine Rolle. Allerdings tauchten im Bereich der Schleuserkriminalität Syrer als Tatverdächtige so häufig auf wie fast keine andere Nationalität.

Der Begriff Clankriminalität ist umstritten, weil er nach Ansicht von Kritikern Menschen mit Migrationshintergrund alleine aufgrund ihrer Familienzugehörigkeit und Herkunft stigmatisiert und diskriminiert.

Reul: Straftäter gehören abgeschoben

Um der Entwicklung gegenzusteuern, werden in der Analyse „konsequente präventive und repressive Maßnahmen“ der Polizei und Ordnungsbehörden empfohlen, aber auch Bildungsangebote zur Kultur-, Sprach- und Wertevermittlung schon in der Jugend- und Schulsozialarbeit.

Die Auswertung kommt in einer Zeit der hitzigen politischen Debatte über Abschiebungen in das kriegszerstörte Syrien. Reul sagte: „Straftäter gehören abgeschoben - auch nach Syrien.“ Er stehe da hinter der Bundes-CDU. Deutschland müsse ein wehrhafter Staat sein, der auch kriminelle Ausländer ins Heimatland abschiebe. Aber das allein werde das Problem nicht lösen. „Wir müssen uns mehr kümmern, hier“, sagte Reul.