Zwei Todesfälle

37 mögliche Krankheitsfälle durch Wilke-Wurst: Foodwatch empört

Mitarbeiter berichten von unhaltbaren Zuständen.

Ein Werbeplakat der Firma Wilke. Die Behörden haben die Produktion des hessischen Unternehmens am Dienstag vorläufig geschlossen. | © picture alliance

05.10.2019 | 05.10.2019, 16:59

Köln/Twistetal (dpa). Nach zwei Todesfällen durch keimbelastete Wurst aus einem Betrieb in Hessen ist es wegen des Feiertags diese Woche zu Verzögerungen bei der Information über den Produktrückruf gekommen.

In Köln zum Beispiel hat die Stadt erst am Freitag alle betroffenen Großhändler erreicht - drei Tage nach der Schließung des nordhessischen Betriebs. Der Ablauf sei durch den Feiertag am Donnerstag erschwert gewesen, sagte ein Stadtsprecher am Samstag.

Die hessischen Behörden hatten die Produktion des Unternehmens Wilke Waldecker Fleisch- und Wurstwaren in Twistetal am Dienstag vorläufig geschlossen und einen Produktrückruf angeordnet.

Großhändler müssen alle Kunden informieren

Das Kölner Verbraucherschutzamt sei am Donnerstag von der zuständigen NRW-Landesbehörde informiert worden, dass neun Kölner Großhändler mit Wurstwaren der Firma beliefert worden seien, sagte ein Stadtsprecher am Samstag. „Wegen des Feiertags wurden vom Verbraucherschutzamt nicht alle Großhändler unmittelbar erreicht", teilte die Stadt mit. Erst im Laufe des Freitags sei es gelungen, alle Großhändler zu informieren, sagte der Sprecher.

Die Großhändler seien von der Stadt aufgefordert worden, „alle Abnehmer/Kunden der bereits ausgelieferten Ware zu benachrichtigen". Wie viele von dem Rückruf betroffene Produkte in Köln tatsächlich noch ausgeliefert wurden, ist unklar. Die Stadt erwarte nun eine Dokumentation der betroffenen Großhändler.

Am Freitag hatte bereits die Kölner Uniklinik Fehler nach dem Rückruf der Wilke-Wurstwaren eingeräumt. Einige Reha-Patienten hätten trotz des Rückrufs noch Wurstwaren der Firma Wilke bekommen, hatte die Klinik mitgeteilt.

Mitarbeiter berichten von unhaltbaren Zuständen

Behörden bringen zwei Todesfälle in Südhessen mit Wilke-Wurst in Verbindung. In den Produkten waren mehrfach Listerien-Keime nachgewiesen worden, die für Menschen mit geschwächtem Immunsystem lebensgefährlich sein können.

Derweil berichten ehemalige Mitarbeiter des Unternehmens Wilke Waldecker Fleisch- und Wurstwaren von unhaltbaren Zuständen in der Produktion. Die Waldeckische Landeszeitung zitiert übereinstimmende Berichte über frische Produkte, die neben Gammelfleisch gelagert wurden, verschimmelte Produkte und fehlende Mundschutze für die Mitarbeiter.

"Ich betreue viele Betriebe, auch im Ausland, aber nicht einmal in Rumänien gebe es einen derart leichtfertigen Umgang mit der Gesundheit anderer", erklärt ein Lebensmitteltechnologe gegenüber der Waldeckischen Landeszeitung. Zum Teil seien Bereiche in der Produktion tage- oder wochenlang nicht gereinigt und einfache Hygieneregeln völlig außer Acht gelassen worden. Ein weiterer ehemaliger Mitarbeiter berichtet zudem, dass er nur bei angekündigten Kontrollen einen Mundschutz tragen musste.

Foodwatch fordert die Behörden auf, Verbraucher besser zu informieren

Die Verbraucherorganisation Foodwatch fordert die Behörden auf, die Verbraucher umfangreich über die betroffenen Wilke-Produkte zu informieren. Das Krisenmanagement des Landkreises und des Regierungspräsidiums als zuständige Stellen sei katastrophal, sagte ein Sprecher am Samstag. Die Verantwortlichen seien völlig überfordert mit der Situation. Hessens Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) müsse den Fall an sich ziehen.

Nach Angaben des Landkreises Waldeck-Frankenberg hat die Firma Wilke mittlerweile der Schnellwarnstelle beim Regierungspräsidium Darmstadt eine Liste der belieferten Betriebe zur Verfügung gestellt. Die Schnellwarnstelle habe diese europaweit an alle Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsbehörden verteilt, heißt es auf der Website des Landkreises.

Händler in fast allen Regionen Nordrhein-Westfalens sind von dem Produktrückruf betroffen. In 48 der 53 Kreise und kreisfreien Städte im Land seien Unternehmen bekannt, die Produkte des Herstellers Wilke bezogen hätten, teilte das NRW-Verbraucherschutzministerium auf Nachfrage mit. Weitere Details nannte ein Sprecher nicht.

Laut Behörden gibt es mittlerweile 37 Krankheitsfälle, die möglicherweise mit Wurstwaren der Firma Wilke Waldecker Fleisch- und Wurstwaren GmbH in Twistetal im Zusammenhang stehen.

Wegen des möglichen Befalls mit Listerien hat nun auch der niederländische Wurstwarenbetrieb Offerman nach eigener Darstellung die gesamte Produktion der betroffenen Fabrik aus dem Handel genommen. Es gehe um alle in der Fabrik in Aalsmeer seit September verschnittenen und verpackten Wurstwaren, teilte das Unternehmen mit. Die Produktion wurde bereits am Donnerstag stillgelegt, nachdem die Keime entdeckt worden waren.

Frau erleidet nach Wurstverzehr eine Fehlgeburt

Die Gesundheitsbehörden hatten zuvor festgestellt, dass in den vergangenen zwei Jahren drei Menschen durch Listerien in Wurstwaren dieser Firma gestorben waren. Eine Frau hatte eine Fehlgeburt erlitten. Daraufhin waren die Kontrollen verschärft worden.

Bislang gibt es keinerlei Hinweise auf einen Zusammenhang zu dem Listerien-Fall in Deutschland. Nach Informationen der Aufsichtsbehörde für Nahrungsmittel wurden die betroffenen Produkte nicht nach Deutschland exportiert.

Nach Angaben des Gesundheitsministeriums werden nun insgesamt 300.000 Kilogramm Fleisch zurückgerufen. „Dies ist ein ernster Vorfall, bei dem nun hart durchgegriffen wird", teilte Gesundheitsminister Bruno Bruins mit. Zunächst hatte die Firma am Donnerstag nur einen Teil der Produkte zurückgerufen. Nun geht es um alle rund 250 Produkte.

Information
Listerien

Listerien sind in der Natur häufig vorkommende Bakterien. Nur sehr wenige Menschen, die Listerien aufnehmen, erkranken an der so genannten Listeriose. Bei gesunden Erwachsenen verläuft die Infektionskrankheit meist unauffällig oder nimmt einen harmlosen Verlauf mit grippeähnlichen Symptomen. Gefährlich ist die Infektion für abwehrgeschwächte Personen: Neugeborene, alte Menschen, Patienten mit chronischen Erkrankungen, Transplantierte und Schwangere. Bei ihnen und bei Ungeborenen kann Listeriose zum Tod führen.